Öffentliches Recht
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Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten
Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei rechtswidrigem Bauvorhaben
Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei rechtswidrigem Bauvorhaben
7. April 2025
31 Kommentare
4,8 ★ (34.333 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Sportsfreundin S beantragt eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Fitnessstudios. Die zuständige Behörde (B) erteilt die Genehmigung unter der Maßgabe, dass S bei der Errichtung des Studios spezielle Brandschutzvorkehrungen trifft.
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Einordnung des Falls
Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei rechtswidrigem Bauvorhaben
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Baugenehmigung ist ein Verwaltungsakt. Verwaltungsakte können mit Nebenbestimmungen erlassen werden.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Bestimmung, dass S bestimmte Brandschutzvorkehrungen treffen muss, ist eine Inhaltsbestimmung.
Nein!
3. Der Erlass einer Baugenehmigung (z.B. § 74 Abs. 1 BauO NRW) ist eine gebundene Entscheidung. Die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen richtet sich nach § 36 Abs. 1 VwVfG.
Genau, so ist das!
4. Die Errichtung des Studios entspricht ohne die speziellen Vorkehrungen zum Brandschutz nicht den gesetzlichen Vorschriften. Ist der Erlass der Nebenbestimmung zulässig (§ 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG)?
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell
28.3.2022, 17:47:29
Muss die
Behördetatsächlich zusätzlich anordnen, dass der Neubau den aktuell geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht? Ich hätte eher erwartet, dass man im Antrag auf die Genehmigung aufzeigen muss, dass man die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, da andernfalls schon keine Genehmigung erteilt werden würde.

Lukas_Mengestu
29.3.2022, 10:48:41
Hallo Isabell, es ist in erster Linie Sache des Bauherren nachzuweisen und sicherzustellen, dass ein Vorhaben den gesetzlichen Regelungen entspricht. Anstatt ein Vorhaben aber direkt abzulehnen, steht es der
Behördenatürlich frei die Genehmigungsfähigkeit dadurch herzustellen, dass sie es mit der entsprechenden Nebenbestimmung versieht. Im Hinblick auf eine bürgerfreundliche Verwaltung und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann das Versehen mit einer Nebenbestimmung insofern als mildere Mittel gegenüber einer Ablehnung sogar geboten sein (vgl. Tiedemann, in: BeckOK-VwVfG, 54. Ed. Stand 01.01.2022, § 36 RdNr. 12 mit Verweis auf OVG Münster BeckRS 2016, 53379 RdNr. 19). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Isabell
29.3.2022, 10:52:08
Danke dir für die ausführliche Antwort. Aber ist das dann eine Nebenbestimmung und nicht nur ein Hinweis auf die gültige Rechtslage?
Sniter
22.8.2022, 11:15:34
Die Verwaltung beruft sich hier auf § 36 I Alt 2 VwVfG: „gesetzliche Vorgaben des VA sichergestellt werden“ Falls die F noch nicht (sozusagen in der ersten Instanz) nachgewiesen hat, dass sie die Normen des Brandschutzes einhält, erlässt die
Behörde(als BackUp) eine Nebenbestimmung, um sicherzugehen, dass der Brandschutz eingehalten wurde.
asanzseg
5.4.2023, 12:44:58
Ich glaube es kommt konkret auf den Sachverhalt an. Wenn der Antragsteller (wie hier unterstellt) im Rahmen seines Antrags bereits Pläne einreicht die den Brandvorkehrungen wohl nicht zu entsprechen vermögen, dann kann die
Behördeanstatt den Antrag abzulehnen und in seiner Begründung auf die Rechtsvorschrift zu verweisen, auch eine Genehmigung mit der Nebenbestimmung des Brandschutzes wählen. Anders wäre m.A.N. Der Fall, wenn der Antragsteller bspw. In einem reinen Wohngebiet ein Einfamilienhaus bauen möchte und das Grundstück unbebaut ist. In diesem Fall sind idR bereits beim Antrag auf Bebauung eines Einfamilienhauses in einem reinen Wohngebiet nicht zu erwarten das Baupläne eingereicht werden bzw. eingereicht werden müssen. Hier würde die
Behördewohl eine Baugenehmigung erlassen mit dem Hinweis auf die Rechtslage.

Edward Hopper
13.11.2023, 21:52:09
Aber selbst in deinem Fall hat die Nebenbestimmung keine selbstständige Regelungswirkung
Patrick4219
2.2.2024, 15:57:32
Die Abgrenzung zwischen Nebenbestimmung und bloßem Hinweis ergibt sich hier im Rahmen der Auslegung gem. § 133,
157 BGBdaraus, dass die
Behördeim Bescheid bereits die Genehmigung zum Bau erteilt hat. Die Passage zu den Brandschutzbestimmungen muss im Kontakt zur erfolgten Erteilung gesehen werden. Insofern drängt es sich auf hierin eine Bedingung zu sehen. Anders wäre der Fall zu Beurteilen, wenn die
Behördehier lediglich mitgeteilt hätte, dass die Genehmigung erteilt werden KANN soweit die Brandschutzbestimmungen eingehalten werden. Hier ergibt die Auslegung mMn, dass die
Behördenoch nicht abschließend über die Genehmigung entscheiden wollte und insofern einen bloßen Hinweis auf die geltende Rechtslage gegeben hat. (Im gebildeten Beispiel könnte man allerdings auch noch über eine Zusicherung nachdenken. Die Abgrenzung erfolgt hier auch durch Auslegung, sodass wohl beide Ansichten vertretbar sein sollten.)

Lukas_Mengestu
26.3.2024, 17:56:28
Hallo zusammen, wir haben an dieser Stelle zum besseren Verständnis noch einmal präzisiert, dass es um spezifische Brandschutzbestimmungen geht, die als Nebenbestimmung zur Baugenehmigung erlassen werden und nicht um den pauschalen Hinweis, dass Brandschutzbestimmungen eingehalten werden müssen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Elisa
15.2.2023, 08:03:46
Aber handelt es sich bei den Brandschutzmaßnahmen genauso wie bei dem Satteldach in der vorherigen Aufgabe nicht auch um eine Veränderung des Inhalts? Das würde doch auch den Bau entsprechend ändern.
MLena
13.10.2023, 15:11:42
Ich habe die gleichen Probleme bei der Abgrenzung. Beim Satteldach sagt die
Behördeja praktisch, "du darfst nur bauen, wenn du ein bestimmtes Dach baust". Und hier sagt die
Behördeeben: "du darfst nur bauen, wenn du die Brandschutzmaßnahmen beachtest. Falls sie die Brandschutzmaßnahmen nicht beachten würde, würde das Gebäude ja vermutlich ganz anders aussehen. Weshalb ist das dann hier keine
Inhaltsbestimmung?
Blotgrim
20.10.2023, 00:58:29
Weil nur der Bau eines Gebäudes beantragt wird, zum Aussehen erfahren wir nichts und es ist nicht Kern des Antrags. Der Unterschied zum Fall davor ist, dass dort das Dach Teil des Antrags war. Würde man diesen Teil wegnehmen, würde man eine Hütte ohne Dach beantragen. Wenn hier der Bau eines Fitnessstudios beantragt wird und gefordert wird dass der Brandschutz eingehalten wird, könnte die Baugenehmigung auch ohne diese Forderung weiterbestehen, da der Brandschutz keine Auswirkung darauf hat ob ich ein Fitnessstudio habe oder nicht. Beim Fall vorher ist die Forderung der
Behördeentscheidend ob ich ein Gebäude mit Dach X oder Dach Y habe bzw ob ich überhaupt eins habe. Somit ist anders als hier der Kern des VA betroffen was eine
Inhaltsbestimmungdefiniert. Hier wird nicht der Kern getroffen, sondern eine gesonderte Regelung ergänzt, folglich ist es eine Nebenbestimmung. Ich hoffe dass war einigermaßen verständlich (und hoffentlich richtig formuliert)
Lea
17.10.2023, 12:07:45
Muss dann nicht auch noch § 74 III BauONRW genannt werden ?

Lukas_Mengestu
26.3.2024, 18:03:02
Hallo Lea, in der Tat regelt § 74 Abs. 3 S. 1 BauO NRW im Gegensatz zu früher nunmehr auch noch einmal explizit, dass die Baugenehmigung unter einer Nebenbestimmung erteilt werden kann und sollte in NRW nunmehr mitzitiert werden. Durch die Vorschrift sollte aber § 36 VwVfG schlicht übernommen werden, sodass sich hier inhaltlich keine Änderung ergibt (vgl. Gesetzesbegründung LT-Drs. 17/2166, 193). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Edward Hopper
13.11.2023, 21:50:25
Wieso Nebenbestimmung wenn
Behördeim VA Rechtslage wiedergibt? Sie macht ja auch keine "Nebenbestimmung" dass Beispielsweise das Dach fest sein muss und niemanden auf den Kopf fällt?

roya
6.12.2023, 23:13:38
Naja, in einer Baugenehmigung werden auch entsprechende Statiken etc. beigefügt sein. Würden ein Grundriss/ Planung ohne Dach eingereicht, würde die Baugenehmigung abgelehnt. Das Dach müsste dann eine
Inhaltsbestimmungsein, deswegen kann man dazu keine Nebenbestimmung erlassen :)

CR7
10.2.2024, 15:06:39
Ich stimme @[Edward Hopper](174080) hier zu und würde sagen, dass das eine unechte Nebenbestimmung ist. Wo ist hier denn die zusätzliche Regelung? Klar ist, dass der VA auch ohne diese Regelung bestehen kann. Aber m.E. ist das hier auch nur ein Verweis auf die geltende Rechtslage (siehe etwa § 14 SächsBO, wo es heißt:
Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind." Ich bin der Meinung, eine zusätzliche Regelung wäre es, wenn S hier der
Behördein gewissen Bauabschnitten darlegen müssen, welche Vorkehrungen sie zum Brandschutz bereits getroffen hat, mithin also eine Auflage zur Baugenehmigung.

Merle_Breckwoldt
26.3.2024, 15:50:51
Hallo ihr Drei, danke für die aufmerksame Nachfrage und die Diskussion! Der Sachverhalt ist hier tatsächlich sehr knapp gehalten und ggf. missverständlich. Eine Nebenbestimmung, nach der "die gesetzlichen Bestimmungen zum Brandschutz einzuhalten" sind o.ä. wäre in der Tat nicht mit einer zusätzlichen Regelung verbunden. (Der Sache nach läge dann wohl eine "unechte Nebenbestimmung"/
Inhaltsbestimmungvor, wobei eine
Verpflichtungsklage, gerichtet auf die Baugenehmigung ohne Beachtung des Brandschutzes, ersichtlich unbegründet wäre.) Sofern allerdings bestimmte Brandschutzvorkehrungen auferlegt werden, wie hier allenfalls angedeutet, handelt es sich um Nebenbestimmungen i.S.d. § 36 I Alt. 2 VwVfG. Das wird in der Praxis immer der Fall sein, denn nur solche konkreten Bestimmungen verhelfen Normen wie § 14 SächsBO tatsächlich zur Durchsetzung bzw. konkretisieren diese. Beste Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team, @[Lukas_Mengestu](136780)

Lukas_Mengestu
26.3.2024, 17:51:22
Hallo zusammen, vielen Dank für eure guten Nachfragen! Wir haben an dieser Stelle noch einmal präzisiert, dass es im diesem Beispiel um „spezifische“ Brandschutzvorkehrungen gehen soll und nicht um einen reinen Verweis auf die geltende Gesetzeslage. Wie CR7 schon dargelegt hat, finden sich in den meisten Landesbauordnungen recht pauschale Generalnormen zum Brandschutz (zB auch § 14 BauO NRW). Um sicherzustellen, dass ein Bauvorhaben diesen Anforderungen entspricht, kann eine Bau
behördedie Genehmigung mit entsprechenden Auflagen versehen. Nachfolgend einmal ein Praxisbeispiel für eine solche Nebenbestimmung: „Da es nicht Aufgabe der Feuerwehr ist, brandschutztechnische Unzulänglichkeiten zu kompensieren ..., ist für den Verkaufsraum eine ausreichende Rauchabzugsmöglichkeit baulich zu schaffen. ... Hier kommen außer den in dem Brandschutzkonzept theoretisch genannten Rauchabzugsvarianten ... auch zwei weitere ... Möglichkeiten in Betracht: a) z. B…. werden mindestens 2 % Wand- und/oder Deckenöffnungen, bezogen auf die jeweilige Grundfläche, geschaffen, die eine Rauchableitung ins Freie ermöglichen, b) z. B. Installation eines oder mehrerer Brandgasventilatoren ..“. (aus OVG Münster, Urt. v. 21. 9. 2012 – 2 A 182/11 = NVwZ-RR 2013, 213). Ich hoffe, es wird dadurch noch etwas klarer. Beste Grüße Lukeas

MenschlicherBriefkasten
11.6.2024, 13:44:53