Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten

Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei bestehendem Anspruch auf Erlass einer Baugenehmigung

Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei bestehendem Anspruch auf Erlass einer Baugenehmigung

10. Juli 2025

12 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Sportsfreundin S beantragt eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Fitnessstudios. S's Vorhaben ist mit dem öffentlichen Baurecht vereinbar. Die zuständige Behörde erteilt die Genehmigung unter der Maßgabe, dass S mindestens 20 Wasserspender bereitstellt.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei bestehendem Anspruch auf Erlass einer Baugenehmigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Behörde kann einen Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, immer mit einer Nebenbestimmung versehen.

Nein!

Die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen ist in § 36 VwVfG geregelt. Nach § 36 Abs. 1 darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, nur mit einer Nebenbestimmung erlassen werden, wenn sie durch Rechtsvorschriften zugelassen ist ( § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG) oder wenn sie sicherstellen sollen, dass die gesetzliche Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden (§36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG). Die Behörde hat bei diesen rechtlich gebundenen Verwaltungsakten keinen Entscheidungsspielraum. Bei Ermessensentscheidungen hingegen kann die Behörde den Verwaltungsakt nach pflichtgemäßen Ermessen mit Nebenbestimmungen versehen (§36 Abs. 2 VwVfG).
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2. Die Entscheidung über den Erlass einer Baugenehmigung ist eine Ermessensentscheidung. Die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen richtet sich nach § 36 Abs. 2 VwVfG.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Baugenehmigung ist eine gebundene Erlaubnis: Der Bauherr hat einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, wenn das Vorhaben mit dem öffentlichen Baurecht übereinstimmt. Die Behörde hat demnach kein Ermessen. Die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen richtet sich nach § 36 Abs. 1 VwVfG.

3. Bei der Maßgabe, dass S 20 Wasserspender bauen soll, handelt es sich um eine Nebenbestimmung.

Ja, in der Tat!

Nebenbestimmungen treten als Zusatz neben den eigentlichen Verwaltungsakt. Die Abgrenzung zu Inhaltsbestimmungen des Verwaltungsakt erfolgt danach, ob der Hauptverwaltungsakt aus Sicht des Empfängers auch ohne den Zusatz eine sinnvolle Regelung ist. Die Baugenehmigung für den Studiobau kann aus S's Sicht auch ohne die Regelung über die Errichtung der Wasserspender sinnvoll bestehen. Der Kern des beantragten Verwaltungsaktes bleibt unberührt. Ob eine Neben- oder eine Inhaltsbestimmung vorliegt, wirkt sich maßgeblich darauf aus, welche Klageart dagegen statthaft ist.

4. S hat einen Anspruch auf die Baugenehmigung. Für den Erlass der Nebenbestimmung über die Wasserspender bedarf es einer Rechtsgrundlage.

Ja!

Der Bauherr hat einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, wenn das Vorhaben mit dem öffentlichen Baurecht übereinstimmt. Nach § 36 Abs. 1 VwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, nur mit einer Nebenbestimmung erlassen werden, wenn sie durch Rechtsvorschriften zugelassen ist ( § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG) oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden (§36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG). S's Bauvorhaben ist laut Sachverhalt mit dem öffentlichen Baurecht vereinbar. Eine Rechtsgrundlage für den Erlass einer Nebenbestimmung zur Einrichtung von 20 Wasserspendern ist nicht ersichtlich.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dogu

Dogu

5.12.2023, 22:05:26

Dort steht nicht, dass die Nebengenehmigung dazu dienen muss, die Vereinbarkeit mit dem öffentlichen Baurecht sicherzustellen. § 36 I LVwVfG ist deckungsgleich zum BVwVfG, sodass eine Rechtsvorschrift zur Zulässigkeit ausreicht.

Dogu

Dogu

5.12.2023, 22:08:21

§ 72 BauO Hamburg ist ähnlich formuliert.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.12.2023, 10:28:53

Hallo Dogu, danke für deine Rückmeldung. Könntest du deine Frage noch einmal wiederholen? § 36 VwVfG normiert einheitlich für das gesamte

Verwaltungsrecht

, dass

Nebenbestimmungen

nur erlassen werden dürfen, wenn sie der

Sicherstellung

der Rechtmäßigkeit des zu erlassenden Verwaltungsaktes dienen. § 72 BauO HH normiert nur, dass die Baugenehmigung grundsätzlich durch

Nebenbestimmungen

modifiziert werden darf. Dadurch wird nicht geregelt, dass die Baugenehmigung ohne jegliche Voraussetzung mit

Nebenbestimmungen

versehen werden darf. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

8.12.2023, 13:19:18

Hallo Norah, danke für die Rückmeldung. In § 36 I VwVfG steht aber, dass

Nebenbestimmungen

zugelassen sind, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist ODER wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Nach den entsprechenden Vorschriften der beiden BauO ist also auch ohne das von Dir genannte Kriterium der Herstellung der Rechtmäßigkeit des VA die Aufnahme einer Nebenbestimmung möglich oder übersehe ich da was?

Dogu

Dogu

8.12.2023, 13:20:05

Das heißt auch Wasserspender als Nebenbestimmung wären nach BauO HH oder NRW wären zumindest auf Tatbestandsebene nicht ausgeschlossen, oder?

Dogu

Dogu

8.12.2023, 13:22:53

Konkret bezog sich der Punkt auf die Aussage in der Musterlösung: Eine Rechtsgrundlage für die Aufnahme der Nebenbestimmung ist nicht ersichtlich, da das Vorhaben mit dem öffentlichen Baurecht vereinbar ist. Die o.g. Bestimmungen würden aber meines Erachtens in Betracht kommen. Die Aufnahme überflüssiger

Nebenbestimmungen

wäre dann eine Frage der

Ermessen

fehler, oder?

MAR

Marie

12.2.2024, 11:56:51

Eher auf Tatbestandsebene zur Rechtsgrundlage des 36 VwVfG, oder („wenn sie sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des VA erfüllt sind). Vorhaben ist im Einklang mit den maßgeblichen öffentlich rechtlichen Vorschriften. Ergo die Vss. des 36 VwVfG nicht erfüllt. Stimme aber zu, das die Formulierung, es fehle an der Rechtsgrundlage zu unpräzise ist.

FTE

Findet Nemo Tenetur

1.2.2025, 21:46:40

Ich habe mal gelesen, dass § 72 III HBauO eine ünnötige Wiederholung von § 36 I Var. 2 VwVfG sei. Weiß nicht, ob die das hilft, @[Dogu](137074) ?

Lexpecto Patronum

Lexpecto Patronum

25.5.2025, 15:59:50

@[Dogu](137074) @[Findet

Nemo Tenetur

](254807) Ich habe das Problem bzw. den "Schlenker in der Lösung" so verstanden: Nach § 36 I Alt. 1 (Hmb)VwVfG ist die Beifügung einer Nebenbestimmung nur zulässig, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Gemäß (z.B.) § 72 III HBauO dürfen Baugenehmigungen mit

Nebenbestimmungen

versehen werden. § 72 III HBauO enthält explizit keine

Tatbestandsvoraussetzungen

für den Erlass einer Nebenbestimmung. Daher könnte es sich um eine auf Tatbestandsebene voraussetzungslose

Ermessen

svorschrift handeln, die es der

Behörde

erlaubt, bei Vorliegen von sachlichen Gründen (Willkürverbot) beliebige

Nebenbestimmungen

zu erlassen. Dann stellt sich jedoch folgendes Problem: § 72 I HBauO gewährt einen Anspruch auf die Erteilung der Baugenehmigung (kein

Ermessen

), welcher nicht durch die beliebige Beifügung von

Nebenbestimmungen

verwässert werden darf -> § 72 III HBauO ist deshalb einschränkend so zu verstehen, dass der Erlass einer Nebenbestimmung nur dann zulässig ist, wenn dadurch sichergestellt wird, dass die Voraussetzungen zur Erteilung einer Baugenehmigung vorliegen. § 72 III HBauO stellt somit, wie Dogu sagt, eine Wiederholung von § 36 I Alt. 2 VwVfG dar und hat lediglich klarstellende Funktion. Somit stellt sich im konkreten Fall dann die Frage, ob die Nebenbestimmung i.S.d. § 36 I Alt. 2 VwVfG erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung eingehalten werden. Ich würde also § 72 III HBauO i.V.m. § 36 I Alt.

1 VwVfG

schon ansprechen, dann aber das Problem benennen und die Voraussetzungen von § 36 I Alt. 2 VwVfG prüfen. Vielleicht hilft das :)

OKA

okalinkk

19.4.2025, 12:47:16

ich hatte gelesen, dass die VS des 36 I VwVfG (

Sicherstellung

der gesetzl Voraussetzungen des Va) auch für

Ermessen

sverwaltyngsakte des 36 II VwVfG gelten?

OKA

okalinkk

19.4.2025, 12:50:23

im Ergebnis durfte hier also keine NB erlassen werden?

NE_

ne_ra_

30.4.2025, 11:13:31

genau, da die Baugehmigung eine

gebundene Entscheidung

ist und daher der § 36 I VwVfG einschlägig ist, die 20 Wasserspender aber weder "durch Rechtsvorschrift" (Alt. 1) zugelassen sind noch sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des VAs erfüllt werden (Alt. 2)


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