Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Diebstahl (§ 242 StGB)
Vergessene Gegenstände | außerhalb einer Gewahrsamssphäre
Vergessene Gegenstände | außerhalb einer Gewahrsamssphäre
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
O hat auf der Parkbank des öffentlich zugänglichen Parks P seine Mappe vergessen. Auf dem Nachhauseweg bemerkt er den Verlust. Als er zurückeilt, ist die Mappe bereits verschwunden. T hat sie zwischenzeitlich mitgenommen.
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Einordnung des Falls
Vergessene Gegenstände | außerhalb einer Gewahrsamssphäre
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Mappe ist für T eine fremde, bewegliche Sache (§ 242 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. O hat seinen Gewahrsam an der Mappe verloren, als er sie auf der Parkbank zurückgelassen hat. (§ 242 Abs. 1 StGB).
Ja!
3. T hat die Mappe weggenommen (§ 242 Abs. 1 StGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Mangels Gewahrsamsbruch kommt eine Strafbarkeit des T nach dem 19. Abschnitt des StGB (Diebstahl und Unterschlagung, §§ 242-248c StGB) nicht in Betracht.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
TeamRahad 🧞
24.4.2021, 08:23:48
Beim Vergessen von Sachen gibt es doch immer eine Phase, bevor man das Fehlen bemerkt und sich an den Ort erinnert. Während dieser Zeit dürfte doch eigentlich kein Gewahrsam bestehen, oder?
Tigerwitsch
24.4.2021, 12:44:45
Der Gewahrsam könnte uU gelockert sein und somit trotzdem weiterbestehen. Wenn zB ein Bauer auf seinem Feld Geräte vergisst und sich erst später darin erinnert, dass sie dort liegen, befinden sich die Sache weiterhin in dem Einwirkungsbereich des Bauern. Etwas anderes dürfte dann gelten, wenn man an einem öffentlich zugänglichen Ort (zB Straße) etwas verliert und sich später daran erinnert. Dann ist der Gewahrsam verloren und auch nicht gelockert. Hintergrund ist, dass aufgrund des öffentlichen Zugangs des Orts, der Zugriff für jedermann möglich ist und die Einwirkung für den Geschädigten nicht mehr ohne weiteres möglich. In einem solchen Fall läge lediglich eine Unterschlagung des Täters nach § 246 Abs. 1 StGB vor. Siehe etwa BGH, B. v. 14.04.2020 - AZ.: 5 StR 10/20
lin
26.9.2022, 21:45:52
was ist wenn der Jenige die Sache in einem öffentlichen Raum verliert und es nicht bemerkt aber noch anwesend ist und in der Zeit der Täter die Sache einsteckt? Besteht dann noch Gewahrsam?
Lukas_Mengestu
27.9.2022, 19:10:14
Hallo lin, sofern sich der Gewahrsamsinhaber noch in unmittelbarer Nähe des verlorenen Gegenstandes befindet, dürfte noch eine hinreichende Sachherrschaft über den Gegenstand bestehen, sodass hier noch von einem Gewahrsamsverhältnis ausgegangen werden kann. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
1Tom1
21.11.2023, 14:30:03
Warum fällt die Tasche nicht in den Gewahrsam des Parkinhabers? Warum ist der Park keine abgegrenzte
Gewahrsamssphäre? Ich sehe den Unterschied zum Fall im Vorlesesaal nicht.
Leo Lee
26.11.2023, 10:45:19
Hallo 1Tom1, das kommt natürlich auf die näheren Einzelheiten des Falles an. Allerdings unterscheidet man grob dazwischen, ob der Ort völlig öffentlich zugänglich ist oder eine bestimmte Figur über diesen Raum „wacht“ (wie eben die Uni über den Vorlesungssaal). Hierbei reicht es nicht, dass der „Staat“ über den gesamten öffentlichen Raum wacht, da dies den Tatbestand überspannen würde. Deshalb ist hier – bei einem öff. Park, der von jedem betreten werden kann – kein genereller Gewahrsamswille vorhanden, weil es hier eben nur den „Staat“ gibt. Wäre dieser Park allerdings innerhalb des Uni-Geländes, könnte man mMn einen Gewahrsam bejahen. Hierzu kann ich die Lektüre von Rengier BT I 23. Auflage, § 2 Rn. 40 f. empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Gruttmann
18.4.2024, 08:47:17
In den Erklärungen zu Frage 2 wird davon gesprochen, dass es egal sei, ob man sich an den Ort des Vergessens erinnert. Das ist aber mE falsch. Er hätte den Gewahrsam nicht an der Sache verloren, sein Gewahrsam wäre dann lediglich gelockert und er hätte noch Gewahrsam.
Nora Mommsen
18.4.2024, 16:03:43
Hallo Gruttmann, danke für deine Anmerkung. In diesem konkreten Fall stimmt die Aussage durchaus: Denn auch
gelockerter Gewahrsamsetzt über die Kenntnis vom Ablageort auch noch das (Fort)bestehen einer tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit voraus. In diesem Fall besteht somit trotzdem kein
gelockerter Gewahrsam. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Annika
14.10.2024, 17:06:27
Hallo, ich verstehe den Unterschied zwischen „herrenlos“ und „keiner hat Gewahrsam“ nicht ganz. Die Mappe ist nicht herrenlos, weil sie immer noch im Eigentum des O steht? Und gleichzeitig kann es sein, dass niemand Gewahrsam an der Sache hat? Vielen Dank!