Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Diebstahl (§ 242 StGB)
Tanken an SB-Tankstelle | von Beginn an zahlungsunwillig, Tankpersonal bemerkt nichts
Tanken an SB-Tankstelle | von Beginn an zahlungsunwillig, Tankpersonal bemerkt nichts
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T sucht mit seinem Lieferwagen eine SB-Tankstelle auf und befüllt dort seinen Tank. Der Vorgang wird vom Tankstellenpersonal nicht wahrgenommen. Nach dem Tanken verlässt er - wie von Anfang an geplant - das Gelände, ohne zu bezahlen.
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Einordnung des Falls
Tanken an SB-Tankstelle | von Beginn an zahlungsunwillig, Tankpersonal bemerkt nichts
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Kraftstoff ist eine Sache (§ 242 Abs. 1 StGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Kraftstoff war für T fremd (§ 242 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
3. T hat den Kraftstoff weggenommen (§ 242 Abs. 1 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Fabian
11.12.2020, 15:55:28
Wurde aber der Gewahrsam nicht spätestens dann gebrochen als T die Tankstelle ohne zu bezahlen verließ? Somit hat eine Wegnahme am Kraftstoff letztendlich doch noch stattgefunden oder nicht?
Sven
15.12.2020, 09:52:04
Nein, denn hier ist der Gewahrsam bereits beim Tanken übergegangen. Der Gewahrsams-“Bruch” scheitert vorliegend daran, dass der Gewahrsams-Übergang nicht gegen den Willen des Tankstelleninhabers geschah, sondern mit dessen Einverständnis. Daher kommt für das Tanken (bei fehlender Beobachtung, aber entsprechender Vorstellung ggf. versuchter) Betrug in Betracht. Beim Wegfahren geschieht nach einer Mindermeinung noch eine Unterschlagung, die im Wege der mitbestraften Nachtat zurücktritt; nach hM scheitert eine solche Unterschlagung bereits tatbestandlich am Merkmal der Zueignung, da sich der Kraftstoff bereits beim Tanken durch den Betrug zugeeignet wurde und eine erneute/mehrfache Zueignung entsprechend nicht mehr in Betracht kommt.
Teresa
16.3.2021, 21:27:56
Gibt es nicht auch die Ansicht, dass ein Einverständnis des Tankstellenbetreibers nur unter der Bedingung der ordnungsgemäßen Bezahlung bzw. dieser Absicht beim Kunden angenommen werden kann? Ist das nicht ähnlich wie beim Automatenbetrug?
Vincent
17.8.2022, 09:40:02
Scheidet ein Betrug nicht aber an der Täuschung aus? Den Tankvorgang hat ja niemand mitbekommen. Also wäre in der Tat allenfalls ein versuchter Betrug zu prüfen?
Cosmonaut
1.2.2024, 18:46:40
Beim unbefugten Tanken an
Selbstbedienungstankstellen sind insbesondere drei Fallgestaltungen zu unterscheiden: aa) In der ersten Konstellation ist der Täter von Anfang an zahlungsunwillig, geht aber davon aus, dass er beobachtet wird, und will deshalb den Anschein eines redlichen Kunden erwecken. Hier besteht Einigkeit, dass der Täter einen Betrug – im Falle fehlender Beobachtung: Betrugsversuch – begeht; die Täuschungshandlung liegt in dem schlüssigen Verhalten, das Benzin nach Erhalt zu bezahlen. bb) Wird der Täter nicht beobachtet oder geht er irrig davon aus, nicht beobachtet zu werden, kommt kein Betrug, aber ein Zueignungsdelikt in Betracht, wenn mit der hM ein Eigentumsübergang erst mit der Bezahlung des Kaufpreises angenommen wird (→Rn. 17). Umstritten ist jedoch, ob bei dieser Konstellation Diebstahl oder Unterschlagung anzunehmen ist. Stellt man darauf ab, dass das Einverständnis mit dem Gewahrsamsübergang durch die
Duldungdes Tankens seitens des beobachtenden Tankwarts erklärt wird, erfolgt beim heimlichen Tanken keine Gewahrsamsübertragung, so dass eine Wegnahme zu bejahen wäre. Die vorherrschende Auffassung im Schrifttum lehnt ein in dieser Weise bedingtes Einverständnis hinsichtlich des Gewahrsamsübergangs jedenfalls in den Fällen des („halbautomatischen“) Selbstbedienungstankens zu Recht ab und geht davon aus, dass auch dem unredlichen „Kunden“ Gewahrsam an dem eingefüllten Benzin übertragen wird, soweit er äußerlich die Zapfsäule korrekt bedient, und zwar unabhängig davon, ob ihn der Tankwart dabei beobachtet oder nicht. Dementsprechend ist eine Unterschlagung anzunehmen. Eine Wegnahme kommt nur in den Fällen in Betracht, in denen der Täter von vornherein seine Absicht zum Ausdruck bringt, nach dem Tankvorgang nicht zu bezahlen, also gewissermaßen die Tankstelle überfällt, oder bei Bedienungstankstellen, bei denen der Täter während der Abwesenheit des Tankwarts selbst das Benzin einfüllt. cc) Bei der dritten Konstellation fasst der Täter erst nach dem Tanken den Entschluss, sich ohne Bezahlen des Kaufpreises zu entfernen. Die Auffassung, die mit dem Einfüllen des Benzins bereits den Eigentumsübergang annimmt, kommt folgerichtig mangels Täuschungshandlung zur Straflosigkeit. Allerdings bejahte das OLG Düsseldorf Betrug in einem Fall, in dem der Täter noch in den Kassenraum ging, um andere Waren zu bezahlen; hierin wird die konkludente Vorspiegelung der falschen Tatsache erblickt, dass der Täter sonst nichts zu bezahlen habe. Nach hM kommt bei der dritten Konstellation Unterschlagung in Betracht, weil aufgrund der ordnungsgemäßen Bedienung der Zapfsäule durch den Täter davon auszugehen ist, dass der Gewahrsamsübergang mit dem Einverständnis des Berechtigten erfolgt ist und daher keine Wegnahme vorliegt. (NK-StGB,§ 242,Rn45ff)
CR7
1.6.2024, 11:11:53
Also: Konstellation 1 - Täter ist von Anfang an zahlungsunwillig, will aber beobachtet werden - Straftatbestand: Betrug (oder Betrugsversuch) - Begründung: Täuschung durch schlüssiges Verhalten, Benzin nach Erhalt zu bezahlen Konstellation 2 - Täter wird nicht beobachtet oder glaubt, nicht beobachtet zu werden - Straftatbestand: Unterschlagung (umstritten: Diebstahl oder Unterschlagung) - Begründung: Kein Einverständnis des Tankwarts mit dem Gewahrsamsübergang beim heimlichen Tanken, daher Unterschlagung bei ordnungsgemäßer Bedienung der Zapfsäule Konstellation 3 - Täter entschließt sich erst nach dem Tanken, nicht zu bezahlen - Straftatbestand: Unterschlagung (OLG Düsseldorf: Betrug bei zusätzlicher Täuschung im Kassenraum) - Begründung: Gewahrsamsübergang mit Einverständnis des Berechtigten, daher keine Wegnahme
Jakob
2.5.2024, 10:55:47
M.A. nach muss man differenzieren. Wenn man vertritt (A tankt mit fast vollem Tank), dass das Benzin im Tank die Hauptsache darstellt (str.), könnte A sehr wohl Alleineigentum erlangen. Allerdings wird der Eigentumserwerb immer erst nach der (oder durch die)
Tathandlung– und somit frühestens mit Tatvollendung – vollendet, weshalb die Sache bis dahin weiterhin fremd bleibt.
as.mzkw
12.10.2024, 13:52:19
Wenn das Personal das Geschehen wahrgenommen hätte, läge dann ein Betrug vor (da
konkludente Täuschungüber Zahlungsbereitschaft)?
Taeus
22.10.2024, 07:34:34
war ein wenig verwirrt als es um die frage der Wegnahme ging. ich war der Annahme, dass T den Kraftstoff „weggenommen“ hatte. T hat doch die Wegnahme begründet, wenn auch spätestens als er mit dem eingefüllten Kraftstoff in seinem Fahrzeug davonfuhr und ihn mithin aus der Gewahrsamsspähre des Tankstelleninhabers entwendete. Zudem konnte dieser nicht mehr auf den Kraftstoff zugreifen ohne auf die
Gewahrsamssphäredes T einzuwirken. Oder habe ich die Frage falsch verstanden? :)
matse
4.11.2024, 17:00:27
Das ist richtig, dass T den ursprünglich beim Betreiber der Tankstelle liegenden, fremden Gewahrsam begründet hat als er wegfuhr. Allerdings darfst du nicht vergessen, dass bei der Definition von "Wegnahme" auch der Bruch des Gewahrsams erforderlich ist. Eine Wegnahme liegt also auch dann nicht vor, wenn zwar "mechanisch" (T steckt sich etwas ein und geht weg) alle Voraussetzungen vorliegen, aber das Opfer mit dieser Gewahrsamsverschiebung einverstanden war. Denn dann liegt ein
tatbestandsausschließendes Einverständnisvor. Bei einer
Selbstbedienungstankstellekann davon ausgegangen werden, dass es in Ordnung für den Betreiber ist, dass sich der Kunde den Treibstoff in seinen Tank umfüllt (, da darin nun einmal der Sinn eines Selbstbedienungskonzeptes liegt). Daher liegt kein Bruch des Gewahrsams vor.