Verbrühen mit Kaffee
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Arbeitskolleginnen T und O geraten in einen Streit. T ergreift erzürnt ihre Thermoskanne mit Kaffee und übergießt O damit. O erleidet eine schmerzhafte Verbrühung ersten Grades am Oberkörper sowie Hautrötungen, die folgenlos verheilen.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Verbrühen mit Kaffee
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem T die O mit heißem Kaffee übergießt, erfüllt sie den objektiven Tatbestand der einfachen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der heiße Kaffee stellt ein "Gift" (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB) dar.
Nein!
3. Der heiße Kaffee stellt einen "anderen gesundheitsschädlichen Stoff" (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB) dar.
Genau, so ist das!
4. T hat O den gesundheitsschädlichen Stoff auch "beigebracht" (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
5. Hat T die O mittels eines gefährlichen Werkzeugs verletzt (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB)
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabell
13.7.2020, 18:42:09
Interessante Sichtweise. Die Schmerzen, die thermisch verursachte Verletzungen begleiten, sollen gar keine Rolle spielen? Das finde ich nur bedingt nachvollziehbar.
Eigentum verpflichtet 🏔️
13.7.2020, 19:48:46
Hallo Isabell, danke für deine Nachricht. Doch die Schmerzen sind bei der körperlichen Misshandlung nach 223 StGB zu berücksichtigen. 224 I Nr. 1 StGB wird nur abgelehnt, weil das Gericht der Ansicht ist, dass hier die äußerliche Verbrühung nicht so gravierend gefährlich ist, wie eine innere Anwendung, sodass deswegen ein Beibringen des Kaffees ausscheiden soll. Eine andere Ansicht ist hier aber gut vertretbar. Zudem wäre auch eine Strafbarkeit nach 224 I Nr. 2 zu prüfen.
jomolino
30.9.2021, 17:27:44
Das funktioniert doch genauso wie das übergießen mit Salzsäure, was zwar ein Gift und nicht sie heißer Kaffee ein
gesundheitsschädlicher Stoffist, aber es kann doch bzgl. Des beibringens nichts anderes gelten i.S.v. Handlung die ursächlich dafür wird dass das Mittel seine Wirkung entfaltet
Nickname
24.12.2022, 18:42:11
Also die Auffassung des Gerichts überrascht mich sehr. Wie wäre es denn allerdings, wenn die Verbrennungen bzw. Verbrühungen so großflächig sind, dass damit auch die inneren Lebensvorgänge der Geschädigten beeinträchtigt sind oder einen hohen Verbrennungsgrad erreichen? Nun bin ich keine Expertin im Bereich Medizin, meine aber, dass großflächige Verbrennungen auch für den Gesamtorganismus kritisch sein und damit auch letal sein können. Das gleiche gilt für hohe Verbrennungsgrade. Kann man in diesen Fällen dann die Erheblichkeit der äußeren Verletzungen bzw. die Entsprechung mit inneren Anwendungen unter Berücksichtigung der Auffassung des Gerichts bejahen?
eichhörnchen II
15.5.2024, 16:57:24
Ich finde nur schwer verständlich wieso das Überschütten mit Salzsäure ein „Beibringen“ sein soll, mit heißem Kaffee aber nicht. Geht es darum dass die Salzsäure eher in den Körper / die Hautschichten eindringt?
nullumcrimen
20.5.2024, 19:51:12
Dachte ich mir auch. Müsste hier die Außenwirkung nicht sogar erheblicher sein als eine Innenwirkung (z.B Trinken des Kaffees)?
Amelie7
30.10.2024, 15:07:45
Hier und in m
ehreren weiteren Aufgaben steht, dass es nach hM irrelevant ist, ob der Stoff außen oder innen angewandt wird. Aber es ist doch relevant, wenn an die Wirkung von außen höhere Maßstäbe gesetzt werden.
Leo Lee
3.11.2024, 08:41:43
Hallo Amelie7, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat könnte man meinen, es mache sehr wohl einen Unterschied, da die Anforderungen verschieden sind. Das lässt sich auch in der Tat hören. Beachte allerdings, dass die h.M. mit der Irrelevanz zw. innen und außen eher die Anwendung des Tatbestands (Nr. 1) schlechthin meint. D.h., egal ob innen oder außen, Nr. 1 findet zunächst Anwendung. SODANN wird geschaut, ob in den Fällen, in denen von außen der Stoff angewandt wird, auch die Voraussetzungen gegeben sind. Praktisch gesehen hast du also völlig Recht damit, dass am Ende die innere oder äußere Anwendung nicht irrelevant ist. Juristisch gesehen kann man jedoch trennen zw. der Anwendung von Nr. 1 schlechthin und den Anforderungen innerhalb dieses TBs. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Hardtung § 224 Rn. 10 f. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo