Ansinnen sexueller Handlungen / sexuelle Tätlichkeit


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Musiklehrer M mag seine Schülerin S sehr. Als sie seine Annäherungsversuche stoisch abblockt, macht er ihr ein Angebot: "€100 und du schläfst mit mir?" Als S den Raum verlassen will, hält M sie kurz fest und küsst S – von dieser ungewollt – auf den Mund.

Einordnung des Falls

Ansinnen sexueller Handlungen / sexuelle Tätlichkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Beleidigung setzt tatbestandlich einen ehrverletzenden Inhalt voraus.

Ja, in der Tat!

Eine Beleidigung ist der Angriff auf die Ehre eines anderen durch Kundgabe eigener Missachtung, Geringschätzung oder Nichtachtung. Sie hat vier Bestandteile: Es wird (1) eine Tatsachenbehauptung gegenüber dem Betroffenen bzw. ein Werturteil gegenüber dem Betroffenen oder einem Dritten (2) kundgegeben, (3) die Äußerung hat ehrverletzenden Inhalt und (4) wird vom Adressaten wahrgenommen.

2. Das "Angebot" des M hat ehrverletzenden Inhalt.

Ja!

Eine Beleidigung setzt voraus, dass die Äußerung ehrverletzenden Inhalt hat. Verletzt wird die Ehre durch die Äußerung dann, wenn diese die eigene Nicht- oder Missachtung bzgl. eines erkennbar Betroffenen zum Ausdruck bringt. Ob das Ansinnen zur Vornahme sexueller Handlungen gegenüber dem Betroffenen genügt, hängt davon ab, ob die Äußerung den Betroffenen als verfügbares Sexualobjekt kennzeichnet (Demütigungscharakter). Es genügt nicht, dass der Täter das Opfer nur zu Sexualkontakten auffordert ("plumpe Anmache"). § 185 StGB erfüllt für sexualbezogenes Verhalten nämlich keine "lückenfüllende" Funktion, weshalb Angriffe gegen die sexuelle Selbstbestimmung grundsätzlich nach den §§ 174ff. StGB strafbar sind und Strafbarkeitslücken nicht über § 185 StGB ausgefüllt werden können. Das Angebot "Geld für Sex" kennzeichnet die F als für Geld verfügbares Sexualobjekt und hat daher ehrverletzenden Inhalt.

3. Das Küssen durch M hat ehrverletzenden Inhalt.

Genau, so ist das!

Die Vornahme einer sexuell motivierten Handlung verletzt als solche, d.h. ohne Hinzutreten weiterer Umstände, noch nicht die Ehre. Ein Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung erfüllt nur dann den Tatbestand der Beleidigung, wenn nach den gesamten Umständen in dem Verhalten des Täters zugleich eine – von ihm gewollte – herabsetzende Bewertung des Opfers zu sehen ist. Der Täter muss dafür durch seinen sexuellen Übergriff eine Person mit einem jederzeit zur Verfügung stehenden Lustobjekt zur Befriedigung von sexuellen Bedürfnissen gleichsetzen und zum Ausdruck bringen. Ein "erzwungener Kuss" ist daher in aller Regel keine Beleidigung. Aufgrund des vorhergehend demütigenden Angebots "Geld für Sex" ist nach den Gesamtumständen jedoch wohl von einer daran anknüpfenden tätlichen Behandlung der S als herabgewürdigtes Sexualobjekt auszugehen.

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Julia Maxi

Julia Maxi

17.4.2022, 16:33:23

Ist das Angebot "Geld für Sex" in jedem Zusammenhang demütigend? Ich finde die Sichtweise, darin eine Beleidigung zu sehen, vor dem Hintergrund der legalen Prostitution etwas schwierig - das impliziert ja, dass sich jede Prostituierte herabwürdigt/herabwürdigen lässt, indem sie ihrem Beruf nachgeht, oder? Kommt es dann darauf an, dass die Frage nur eine Unterstellung ist, obwohl dem anderen gerade bewusst ist, dass diese Frau keine Prostituierte ist? LG Julia

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.4.2022, 14:57:33

Hallo Julia, vielen Dank für den guten Einwand. In der Tat bewegt man sich hier seit der Legalisierung der Prostitution nun in einem gewissen Spannungsfeld. Hier kommt es letztlich entscheidend auf die Initiative der sexuellen Handlung an. Der beleidigende Charakter ergibt sich insoweit in der Tat aus dem "unprovozierten" Anbieten von Geld für sexuelle Handlungen (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 06.01.2011, BeckRS 2011, 925204/10; vor der Legalisierung zB: BGH NStZ 1992, 33). Denn auch wenn die Prostitution nunmehr legal ist, so liegt hier das Initiativrecht letztlich bei den Prostituierten, die die entsprechende Leistung anbieten. In Kontexten wie dem Vorliegenden kann das Angebot somit gleichgesetzt werden mit der Unterstellung "für Geld machst Du alles" und insoweit einen Angriff auf die Ehre darstellen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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