Strafrecht

BT 8: Ausssagedelikte

Beleidigung, § 185 StGB

Ehrverletzung bei Tatsachenbehauptung

Ehrverletzung bei Tatsachenbehauptung

10. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Ein Unbekannter stiehlt dem sehschwachen Opi O das Auto. Eine Woche später sieht O seinen Nachbarn N an dessen Auto. Da ruft er: "Sie haben mein Auto gestohlen!" In Wahrheit sieht das Auto des N dem Auto des O nur mehr oder weniger ähnlich. N fühlt sich angegriffen.

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Einordnung des Falls

Ehrverletzung bei Tatsachenbehauptung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es handelt sich um eine Tatsachenbehauptung.

Ja, in der Tat!

Die Beleidigung (§ 185 StGB) erfasst Tatsachenbehauptungen gegenüber dem Betroffenen und Werturteile gegenüber dem Betroffenen oder Dritten. Denn für Werturteile gilt ausschließlich § 185 StGB (und nicht §§ 186, 187 StGB). Tatsachen sind Geschehnisse oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind. Werturteile sind Äußerungen, die durch Elemente subjektiver Überzeugung oder Meinung geprägt sind und deshalb nicht wahr oder unwahr, sondern je nach der persönlichen Überzeugung nur falsch oder richtig sein können (z.B. Meinungsäußerungen). Wenn eine Äußerung Tatsachen und Werturteile enthält, erfolgt die Abgrenzung nach dem überwiegenden Element. Ob N das Auto des O gestohlen hat, ist keine Frage der persönlichen Überzeugung, sondern ein Geschehnis der Vergangenheit, welches bewiesen werden kann.
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2. O hat die Tatsachenbehauptung über N kundgegeben.

Ja!

Eine Beleidigung als Tathandlung setzt die Kundgabe von Tatsachen oder Werturteilen voraus. Dabei kommen Äußerungen in jeder Form in Betracht, also mündliche oder schriftliche sowie etwa Gesten (Mittelfinger) und Symbole. O hat mündlich geäußert, N habe sein Auto gestohlen.

3. Die durch O behauptete Tatsache hat ehrverletzenden Inhalt.

Genau, so ist das!

Eine Beleidigung setzt voraus, dass die Äußerung ehrverletzenden Inhalt hat. Verletzt wird die Ehre durch die Äußerung dann, wenn diese die eigene Nicht- oder Missachtung bzgl. eines erkennbar Betroffenen zum Ausdruck bringt. Nach h.M. wird der soziale Achtungsanspruch nur dann durch die Kundgabe der Tatsache selbst verletzt, wenn die Äußerung unverdientermaßen erfolgt. Dies ist nicht der Fall, wenn die Tatsache – für sich gesehen – wahr ist. Die Tatsache ist unwahr und bezeichnet N als Dieb. Er wird also als Straftäter herabgewürdigt.

4. N ist ein taugliches Tatobjekt.

Ja, in der Tat!

Die Beleidigung (§ 185 StGB) setzt die passive Beleidigungsfähigkeit des Tatobjekts voraus. Beleidigungsfähig sind insbesondere alle lebenden natürlichen Personen als Ehrträger. Besondere Fallgruppen sind die Beleidigung eines Kollektivs als Kollektiv und die Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung. N ist als Mensch eine natürliche Person.

5. O handelte vorsätzlich.

Nein!

Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz, der wenigstens in Form des dolus eventualis vorliegen muss. Eine besondere Kränkungsabsicht ist nicht erforderlich. Ausreichend ist deshalb das Bewusstsein, dass die Äußerung nach ihrem objektiven Erklärungswert einen beleidigenden Inhalt hat. Ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) liegt vor, wenn der Täter irrtümlich annimmt, die behauptete Tatsache sei wahr. Denn die Unwahrheit der behaupteten Tatsache ist objektives Tatbestandsmerkmal der Beleidigung. O ging irrig von der Wahrheit der Tatsache aus, handelte also unvorsätzlich hinsichtlich der unwahren Tatsachenbehauptung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jurafuchsu

Jurafuchsu

18.2.2021, 09:38:28

In der zweiten Frage steht in der Antwort zweimal der 185. Da meint ihr wohl den 186 oder 187. Wäre toll, wenn ihr das verbessert

Marilena

Marilena

18.2.2021, 10:45:16

Hallo Jurafuchsu, danke für den Hinweis, aber nein, das ist so korrekt. Nur § 185 StGB gilt für

Werturteil

e. §§ 186,

187 StGB

sind auf

Werturteil

e nicht anwendbar. Liebe Grüße für das Jurafuchs-Team, Marilena

JC1909

jc1909

9.9.2024, 19:34:04

Ist O denn strafbar gem.

§ 186 StGB

?

TI

Timurso

10.9.2024, 08:57:13

Nach

§ 186 StGB

könnte O sich nur strafbar machen, wenn er die Äußerung gegenüber einem Dritten getätigt hätte, beziehungsweise ein Dritter mit anwesend war. Da wir darauf keine Hinweise haben, würde eine Strafbarkeit hier daran scheitern. Wortlaut "in Beziehung auf einen anderen". Mit dem

Vorsatz

hinsichtlich der Unwahrheit der Aussage hätten wir da jedoch kein Problem, da dieser ja gerade nicht erforderlich ist.

HAGE

hagenhubl

15.10.2024, 09:20:16

Aber man kann doch auch jemanden im Zweipersonenverhältnis beleidigen. Es reicht doch aus, wenn das Opfer die Beleidigung wahrnimmt.

TI

Timurso

15.10.2024, 09:25:20

@[hagenhubl](233869) Das stimmt. Es ging aber nicht um § 185 StGB, sondern

§ 186 StGB

. Da gelten insofern andere Maßstäbe, wie auch aus dem Wortlaut ersichtlich ist.

FTE

Findet Nemo Tenetur

23.10.2024, 10:17:58

Wenn der Beleidigende iRd § 185 über die Identität des anvisierten/konkretisierten

Tatobjekt

s irrt, ist das dann auch ein

error in persona

und welche Auswirkungen hat das? Macht es dabei einen Unterschied, ob es eine Tatsachenbehauptung oder ein

Werturteil

war? Wäre die Tatsachenbehauptung bei dem eigentlich vorgestellten Opfer wahr, wäre es ja ggf. keine Beleidigung, gegenüber dem tatsächlichen Opfer besteht kein

Vorsatz

auf die Unwahrheit der Tatsache, also käme insgesamt auch ein Versuch nicht in Betracht? Wie wäre es beim

Werturteil

(das nicht als

Formalbeleidigung

geäußert wird)? Nachtrag: mir ist grad aufgefallen, dass der Versuch nicht strafbar ist. Vielleicht könnten mir die Überlegungen zum Verständnis dennoch helfen, insofern würde ich mich über eine Erläuterung trotzdem freuen :) Und würde ich in einer Klausur einen etwaigen Versuch trotzdem anprüfen und dann bei der “Vorprüfung” ausscheiden oder gar nicht erst anprüfen?

HO

Hoppalidium

21.11.2024, 14:13:24

ich frage mich, warum nicht doch

Vorsatz

vorliegt. Denn O wollte gerade den N beleidigen. Er dachte ja er wäre der Täter. Insofern irrte er doch nur über die Umstände?


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