Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Betrug (§ 263 StGB)
„Teufelsaustreibung“ – Erkennbarkeit der Täuschung und Leichtgläubigkeit des Getäuschten
„Teufelsaustreibung“ – Erkennbarkeit der Täuschung und Leichtgläubigkeit des Getäuschten
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T spielt dem O vor, dass sein Haus vom Teufel besessen sei. T bietet dem angsterfüllten O gegen eine Zahlung von €5000 an, den Teufel auszutreiben. T weiß, dass ihr Gerede vom “Teufel” Hokuspokus ist und sie niemandem den “Teufel austreiben" kann. Jedoch glaubt der überaus naive und leichtgläubige O der T und zahlt ihr das Geld zur Teufelsaustreibung.
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Einordnung des Falls
„Teufelsaustreibung“ – Erkennbarkeit der Täuschung und Leichtgläubigkeit des Getäuschten
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat den O getäuscht, indem sie behauptete, dass das Haus von T vom Teufel besessen sei (§ 263 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat bei O kausal einen Irrtum hervorgerufen (§ 263 Abs. 1 StGB).
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
🔥1312🔥
19.5.2021, 21:30:01
Ist denn die Frage, ob ein Haus vkm Teufel besessen ist eine Tatsache, die dem Beweis zugänglich ist? Hat das Gericht dazu irgendetwas gesagt? Ich hätte jetzt (ohne abergläubisch zu sein) gesagt, dass das keine dem Beweis zugängliche Tatsache ist.
Real Thomas Fischer Fake 🐳
20.5.2021, 11:32:56
Grundsätzlich würde ich dir zustimmen. Ein dem Beweis zugänglicher Zustand der Vergangenheit oder Gegenwart würde hier meines Erachtens jedoch in der vorgeblichen Überzeugung der T zu sehen sein (innere Tatsache). Wird in der Falllösung aber anders dargestellt 🤔
🔥1312🔥
20.5.2021, 12:25:54
Ah danke, ja auf die Überzeugung der T als innere Tatsache abzustellen erscheint mir auch schlüssig.
Lukas_Mengestu
20.5.2021, 12:36:22
Vielen Dank euch beiden, dass ist ein sehr guter Punkt! In der Tat muss eine Tatsache grundsätzlich dem Beweis zugänglich sein. Die Existenz des Teufels ist insofern natürlich recht schwer zu beweisen oder zu widerlegen :D. Die Rechtsprechung und herrschende Auffassung hebt die Einschränkung der Beweisbarkeit aber teilweise auf, indem sie es in solchen Fällen genügen lässt, dass der Täter dem Opfer den Eindruck der Existenz des fraglichen Sachverhalt vermittelt bzw. versucht zu vermitteln. So sei u.a. das Vorspiegeln übersinnlicher Fährigkeiten betrugsrelevant (vgl. BGH, Urt. v. 4.11.1955 - 5 SR 421/55, NJW 1956, 313; Urt. v. 30.04.1987 - 4 StR 79/87, BeckRS 1987, 31099396; MüKo-StGB/Hefendehl, 3. A. 2019, § 263 Rn. 81 ff.; BeckOK StGB/v. Heintschel-Heinegg, 49. Ed. 1.11.2020, § 263 Rn. 3). Dies wird zwar teilweise mit dem Argument kritisiert, dass nicht gleichzeitig auf die Perspektive eines objektiven Beobachters und die beliebige Perspektive eines (ggfs. leichtgläubigen oder gar abergläubischen)Opfers abgestellt werden könne (NK-StGB/Kindhäuser, 5. A. 2017, § 263 Rn. 77). Die Rechtsprechung hat sich bislang allerdings noch nicht gegenteilig geäußert, sondern grds. an der Aufweichung des Tatsachenbegriffs festgehalten (vgl. AG Gießen, Urt. v. 12.06.2014 - 507 Cs 402 Js 6824/11, BeckRS 2014, 14746, welche die Vorspiegelung von Wunderheilfähigkeiten als Tatsache ansah, es dann aber an einem entsprechenden
Vorsatzscheitern ließ, da der Wunderheiler selbst an seine Fähigkeiten glaubte). In solchen Fällen kann man also auch in der Klausur den Begriff der "Tatsache" recht großzügig anwenden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Philipp
25.7.2022, 13:56:22
Ist die Kausalität in der Klausur immer zu erwähnen oder nur in problematische Fällen ? 🧐 LG Philipp
Lukas_Mengestu
27.7.2022, 18:37:16
Hallo Philipp, pauschal lässt sich dies nur schwer beantworten. Grundsätzlich zieht sich die Kausalität aber wie ein roter Faden durch die Betrugsprüfung. Die Täuschung muss kausal für den Irrtum sein. Der Irrtum wiederum muss Grund für die Vermögensverfügung sein. Der eingetretene Schaden muss wiederum auf der Vermögensverfügung beruhen. Ist dies aber gänzlich unproblematisch, so genügt es, dies jeweils kurz festzustellen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Mi. S.
6.6.2024, 07:31:19
An welcher Stelle in der Klausurprüfung würde ich anführen, dass die Leichtgläubigkeit des O den Irrtum Möglicherweise ausschließt? Die Argumente werden bei beiden Fragen angeführt.
Tinki
15.10.2024, 18:19:48
Einmal geht es darum, ob eine Täuschung schon wg. Leichtgläubigkeit ausscheiden muss, und dann nochmal darum, ob ein Irrtum wg. Leichtgläubigkeit ausscheidet. Ich denke, man muss es in einem Satz bei beiden Prüfungspunkten ansprechen.
Lord Denning
6.7.2024, 12:55:47
Hier liegt doch am Ende aber keine Tatsache vor.
Leo Lee
7.7.2024, 12:00:07
Hallo Lord Denning, vielen Dank für die sehr gute Anmerkung! In der Tat könnte man meinen, dass das, was der T hier behauptet, keine Tatsache sei (weil übernatürlicher Quatsch). Beachte allerdings, dass Tatsache lediglich verlangt, dass ein Vorgang oder Zustand der Vergangenheit oder Gegenwart NACHWEISBAR ist. Und dass ein Haus besessen ist, ist – aus der Sicht eines verständigen Dritten – nachweisbar, denn sowas gibt es nicht (also zumindest in der Realität). Deshalb lässt es die Rechtsprechung auch genügen, wenn die Existenz eines fraglichen Sachverhalts behauptet wird. Hierzu zählen auch das Vorspiegeln „übersinnlicher“ Fähigkeiten oder Tatsachen (insb. in der Okkult-Szene)! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Hefendehl § 263 Rn. 104 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Lord Denning
7.7.2024, 12:02:03
Super, vielen Dank :) 🙏🏼
Patrick4219
29.7.2024, 11:16:11
Wo wird hier denn die Grenze gezogen? Wäre es dann auch Betrug, wenn eine anerkannte Konfession für die Beichte Eintritt nimmt. Täuschung wäre dann, die Existenz der Sünde sowie die Möglichkeit diese zu erlassen?🤔
MaxRaspody
3.8.2024, 14:26:15
Wie will man beweisen, dass das Haus nicht vom Teufel besessen ist? Der Teufel ist ein unsichtbares Wesen, dass sein Unwesen im verborgenen treibt. Er kommt des nachts, wenn alle schlafen und macht ganz schlechte Träume an die sich beim Erwachen aber keiner mehr erinnern kann. Er bringt Unglück und verteufelt einem das Leben, aber er lässt sich niemals erwischen. Oder haben Sie den Teufel jemals gesehen? Das ist so wie mit Gott oder Orks/Elfen, die sich hinter Steinen verstecken sollen. Ob es sie gibt oder nicht, ist dem Beweis nicht zugänglich, weil es sich um übernatürliche Wesen handelt. Man kann es glauben oder eben nicht. Aber Tatsachen würde ich darin nicht sehen.