Öffentliches Recht

VwGO

Feststellungsklage

Statthaftigkeit Feststellungsklage: Begründung des Rechtsverhältnisses

Statthaftigkeit Feststellungsklage: Begründung des Rechtsverhältnisses

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Auch B ist Altenpfleger und deswegen gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 PflegeKG Mitglied in der Pflegekammer Niedersachsen (Pflichtmitgliedschaft). B hält das Gesetz für verfassungswidrig und meint deswegen, er sei kein Mitglied der Kammer.

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Einordnung des Falls

Statthaftigkeit Feststellungsklage: Begründung des Rechtsverhältnisses

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B möchte klagen. Als statthafte Klageart kommt die allgemeine Feststellungsklage (§ 43 VwGO) in Betracht.

Ja, in der Tat!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (vgl. § 88 VwGO). Die allgemeine Feststellungsklage ist statthaft, wenn das Klagebegehren auf die Feststellung des Bestehens (positive Feststellungsklage) oder Nichtbestehens (negative Feststellungsklage) eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist (§ 43 Abs. 1 Var. 1, Var. 2 VwGO) oder die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts festgestellt werden soll (Nichtigkeitsfeststellungklage, § 43 Abs. 1 Var. 3 VwGO).
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2. In Betracht kommt eine negative Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 Var. 2 VwGO). Dafür müsste es sich bei der Beziehung zwischen B und der Pflegekammer um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis handeln.

Ja!

Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 VwGO ist die rechtliche Beziehung, die sich aus einem hinreichend konkreten Sachverhalt aufgrund einer (diesen Sachverhalt betreffenden) öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergibt. Feststellungsfähig ist nach allgemeiner Auffassung nur ein hinreichend konkretisiertes Rechtsverhältnis. Der Rechtsschutz soll sich nicht auf abstrakte Rechtsfragen bzgl. eines erdachten Sachverhalts erstrecken. B begehrt die Feststellung, dass er kein Mitglied in der Pflegekammer ist, also keine Beziehung zwischen ihm und der Pflegekammer besteht.

3. Rechtsverhältnisse können nur unmittelbar durch Normen begründet werden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 VwGO ist die rechtliche Beziehung, die sich aus einem hinreichend konkreten Sachverhalt aufgrund einer (diesen Sachverhalt betreffenden) öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Ein Rechtsverhältnis kann durch Rechtssatz (Norm), Vertrag oder Verwaltungsakt begründet werden.

4. Zwischen B und der Pflegekammer ist ein Rechtsverhältnis durch einen Verwaltungsakt begründet worden.

Nein, das trifft nicht zu!

Rechtsverhältnisse können auf unterschiedliche Weise begründet werden. Es kann sich aus einem Rechtssatz, einem Vertrag oder einem Verwaltungsakt ergeben. Die Mitgliedschaft in der Pflegekammer ist gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 PflegeKG Folge der Erlaubnis, die genannten Berufe auszuführen. Die Mitgliedschaft erfolgt ohne weitere Einzelfallregelung einer Behörde Kraft Gesetz (= selbstausführendes Gesetz). Die Mitgliedschaft folgt unmittelbar aus einer Norm, nicht aus einem Verwaltungsakt. Wenn das Rechtsverhältnis unmittelbar auf einer Norm beruht, so besteht es nicht, wenn die Norm nichtig ist. Das Verwaltungsgericht kann die Gültigkeit der Norm inzident prüfen.

5. Bei der Frage, ob B Mitglied in der Pflegekammer ist, handelt es sich um die Frage nach dem (Nicht)Bestehen eines Rechtsverhältnisses. Statthaft ist die Feststellungsklage.

Ja!

Um festzustellen, ob ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vorliegt, hilft die Frage, ob zwischen den Beteiligten Rechte und korrespondierende Pflichten bestehen. Als Mitglied der Pflegekammer hat B Pflichten aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Regelung gegenüber der Kammer, z.B. die Pflicht zur Beitragszahlung. Das Bestehen oder Nichtbestehen von Bs Mitgliedschaft ist ein feststellungsfähiges, hinreichend konkretes Rechtsverhältnis. Die Ausführungen zu den subjektiven Rechten musst du nicht unbedingt treffen. Sie helfen aber, die weite Definition des Rechtsverhältnisses zu konkretisieren.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PH

Philipp

3.3.2023, 09:57:39

Handelt es sich bei dem Beg

ehre

n von B nicht um eine verdeckte Normenkontrolle, da er grundsätzlich von der Nichtigkeit des Gesetzes ausgeht? Wie ist das Verhältnis von der

Feststellungsklage

zur konkreten bzw. abstrakten Normenkontrolle in solchen konstellationen?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

3.3.2023, 11:44:05

Hallo Philipp, danke für deine Frage. Die abstrakte Normenkontrolle ist ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in dem nur die Bundesregierung, eine der Landesregierungen oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestages antragsberechtigt sind. Dies scheidet als

statthafte Klageart

daher schon aus. Die

konkrete Normenkontrolle

ist ebenfalls ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, das auf Vorlage eines anderen Gerichts erfolgt. Hat ein Gericht erhebliche Zweifel an der

Verfassungsmäßigkeit

einer Norm und ist diese Norm im konkreten Fall entscheidungsrelevant kann dieses Gericht dem Bundesverfassungsgericht diese Frage zu Entscheidung vorlegen. In einigen Ländern gibt es die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle durch ein OVG von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Vorliegend handelt es sich aber um ein formelles Gesetz, sodass dieses Verfahren ebenfalls ausscheidet. Übrig bleibt also nur die

Feststellungsklage

auf Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses. Dies entspricht ausweislich des Sachverhalts dem Beg

ehre

n des B. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

FABIA

Fabian

23.1.2024, 20:31:54

Müsste das VG in diesem Fall die Frage nach der

Verfassungsmäßigkeit

des Gesetzes gemäß Art 100 dem BverfG vorlegen?

Major Tom(as)

Major Tom(as)

15.11.2024, 07:14:47

Das kommt bei der abstrakten Normenkontrolle nicht darauf an, ob der Kläger die Norm für nichtig hält, sondern das VG selbst müsste dies tun. Falls es sich also der Ansicht des B anschließt, dann ja (die Norm ist schließlich entscheidungserheblich), ansonsten nicht :)


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