§ 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB: Fahruntüchtigkeit aufgrund körperlicher Mängel
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Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T leidet unter einer bei Polizeieinsätzen auftretenden Panikstörung (Herzrasen, Händezittern, dringendes Fluchtbedürfnis). Als er in eine Kontrolle gerät, erleidet er eine Panikattacke und fährt davon. Dabei verliert er die Kontrolle und kollidiert mit einem Haus (Sachschaden: €5.000).
Einordnung des Falls
§ 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB: Fahruntüchtigkeit aufgrund körperlicher Mängel
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat ein Fahrzeug im Straßenverkehr trotz rauschmittelbedingter Fahruntüchtigkeit geführt (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
2. T war aufgrund eines „körperlichen Mangels“ fahruntüchtig (§ 315c Abs. 1 Nr. 1b Var. 2 StGB).
Ja!
3. Es bestand eine „konkrete Gefahr für fremde Sachen von bedeutendem Wert“ (§ 315c Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
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Vulpes
5.8.2020, 15:33:16
Inwiefern kann eine seelische Anomalie ein körperlicher Mangel sein? Der Vergleich zwischen Epilepsie und Panikattacken ist auch sehr, sehr weit hergeholt, finde ich. Kann mir jmd erklären, warum die Panikattacken nicht unter einen geistigen Mängel subsumiert wird?
GingerCharme
6.11.2020, 03:36:51
Ich war auch überrascht und habe auch wenig bis gar nichts dazu gefunden ohne Kommentar und online. Von dem was ich gefunden habe, würde ich mutmaßen, dass es medizinisch sehr geringe für uns Laien kaum unterscheidbare Unterschiede gibt. Und zwar: eine Panikattacke wird durch ein Ereignis oder einen Umstand ausgelöst und wirkt dann körperlich-physisch. Der Körper befindet sich im Ausnahmezustand. Bei einem geistigen Mangel habe man es zu tun, wenn jemand Medikamente nimmt, die seine Reaktion deutlich senken - der Körper ist im Normalzustand, nur der Geist ist "geschwächt". Jedenfalls ist das meine Vermutung - glaube in der Klausur wird aber niemand böse sein, wenn man diese mMn medizinische Fachfrage nicht perfekt wiedergibt.
GingerCharme
6.11.2020, 03:38:06
*Mit einem geistigen Mangel habe man es ...
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Fahrradfischlein
10.11.2020, 14:02:02
Danke GingerCharme, klingt plausibel!
jomolino
26.10.2021, 14:45:08
Ich würde darauf abstellen, dass sich die Panikstörung hier ja körperlich mit allerlei Symptomen manifestiert hat — es liegt somit gerade nicht nur ein seelischer Mangel vor.
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Sambadi
18.4.2022, 12:54:33
Wie ist es eigentlich wenn der Fahrer ein akuten Anfall z.B auf der Autobahn bekommt z.B. Beim Überholen und daher garnicht in der Lage ist, rechtzeitig bzw. ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden, auf den Standstreifen zu fahren und es in Folge dessen oder gerade während er versucht rechts ranzufahren zu einem Unfall kommt? Der TB wäre ja eröffnet aber irgendwie erscheint es mir falsch den Fahrer zu bestrafen in so einem Fall. Er hat sich ja gerade versucht richtig zu verhalten und hat nicht trotz seelischen/geistigen Mangels am Verkehr teilgenommen.
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Sambadi
18.4.2022, 12:56:28
Also zumindest nicht im direkten Sinne. Weil alles was er versuchen würde zu machen um sich aus der Verkehrssituation zu entfernen, würde wohl oder übel andere Verkehrsteilnehmer gefährden
![Lukas_Mengestu](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__x133cq1so0il85q8i03wkixhy.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Lukas_Mengestu
20.4.2022, 09:33:42
Hallo Sambadi, hier käme es darauf an, ob der Fahrer von seinem Anfallsleiden wusste. Hat er erstmalig einen solchen Anfall, so fehlt es an einem entsprechenden Vorsatz und der (subjektive) Tatbestand wäre nicht erfüllt. Ist dem Fahrer sein Leiden indes bekannt und ist dies nicht durch Medikamente behandelbar, so hätte er von vorneherein nicht am Straßenverkehr teilnehmen dürfen. Dass er in der konkreten Situation dann noch versucht konkrete Schäden von anderen abzuwenden ist insofern nicht maßgeblich. Insbesondere muss es für die Strafbarkeit nach § 315c Abs. 1 StGB gerade nicht zu einem tatsächlichen Schadenseintritt kommen. Vielmehr genügt die konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen bzw. von Sachen von bedeutendem Wert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Mattb898
8.1.2024, 16:06:35
Im MüKo zum StGB wird eine Panikstörung mit der Gefahr von Panikattacken als geistiger Mangel und nicht als körperlicher Mangel eingeordnet (Pegel in MüKo zum StGB, § 315c Rn. 36, 4. Aufl. 2022). Diese Argumentation finde ich weit aus überzeugender, da eine Panikattacke ihren Ausgangspunkt im geistig-seelischen Bereich und gerade nicht im körperlichen Bereich hat. Der BGH spricht in dem Urteil ja selbst von einer krankhaften "seelischen" Störung. Ob es sich um einen geistigen oder körperlichen Mangel handelt, hat er jedenfalls nicht klargestellt.
![CR7](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__dywyyccdlqqvmidbwslki.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
CR7
29.4.2024, 22:12:14
Stimmt, habe eben auch nachgeschaut, überzeugt mich auch mehr. Ein körperlicher Mangel ist der Fundstelle nach etwa eine Sehstörung, Nachtblindheit, Gehörstörungen, Lähmungen und Versteifungen, auch Bluthochdruck, Migräne, Heuschnupfen etc. Was mich echt überrascht hat, dass nach dem MüKo auch der "Kater" drunter fällt; ich frage mich hier, wie man das nachweisen möchte, dass sich die durch den Kater entstehende Gefahr realisiert