Strafrecht

BT 5: Verkehrsdelikte

Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c StGB

§ 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB: Fahruntüchtigkeit aufgrund körperlicher Mängel

§ 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB: Fahruntüchtigkeit aufgrund körperlicher Mängel

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T leidet unter einer bei Polizeieinsätzen auftretenden Panikstörung (Herzrasen, Händezittern, dringendes Fluchtbedürfnis). Als er in eine Kontrolle gerät, erleidet er eine Panikattacke und fährt davon. Dabei verliert er die Kontrolle und kollidiert mit einem Haus (Sachschaden: €5.000).

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Einordnung des Falls

§ 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB: Fahruntüchtigkeit aufgrund körperlicher Mängel

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat ein Fahrzeug im Straßenverkehr trotz rauschmittelbedingter Fahruntüchtigkeit geführt (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

T hat seinen Pkw unter Beherrschung der dafür erforderlichen technischen Funktionen bewegt, mithin ein Fahrzeug geführt. Dies geschah auch im öffentlichen Verkehrsraum und damit im Straßenverkehr. Da T aber weder alkoholische Getränke noch andere berauschende Mittel genossen hat, befand er sich nicht in einem Zustand rauschbedingter Fahruntüchtigkeit315c Abs. 1 Nr. 1a StGB).
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2. T war aufgrund eines „geistigen oder körperlichen Mangels“ fahruntüchtig (§ 315c Abs. 1 Nr. 1b Var. 2 StGB).

Ja!

Fahruntüchtigkeit nach § 315c Abs. 1 Nr. 1b Var. 2 StGB liegt vor, wenn die Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers infolge des Mangels soweit herabgesetzt ist, dass er nicht mehr fähig ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, und zwar auch bei plötzlichem Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern. Unerheblich ist, ob der Mangel dauerhafter oder nur vorübergehender Natur ist. Auch epileptische Anfallsleiden und der an sich nicht pathologische Zustand einer Übermüdung unterfallen der Vorschrift. Insoweit kann nichts anderes bei Panikattacken als vorübergehender seelischer Anomalie gelten. Daher war T infolge eines Mangels fahruntüchtig. Der BGH verzichtet in seiner Entscheidung auf die genaue Einordnung als körperlicher oder geistiger Mangel, weil es darauf im Ergebnis nicht ankommt. Ihr solltet Euch in der Klausur insoweit aber festlegen. Ein geistiger Mangel dürfte hier ohne sonstige Anhaltspunkte näher liegen, weil die Panikstörung eher eine geistig-seelische als eine körperliche Ursache haben dürfte.

3. Es bestand eine „konkrete Gefahr für fremde Sachen von bedeutendem Wert“ (§ 315c Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Fremde Sache von bedeutendem Wert ist jede täterfremde Sache, die einen bedeutenden Verkehrswert hat, der mindestens in dieser Höhe durch die Tat verringert worden ist oder verringert zu werden drohte. Während in der Lit. die Wertuntergrenze teilweise bei €1.000 oder €1.300 gezogen wird, nehmen Rspr. und h.L. einen bedeutenden Wert ab €750 an. Der eingetretene Sachschaden (€5.000) am für T fremden Haus zeigt, dass ein taugliches Gefährdungsobjekt als Zwischenstadium in konkrete Gefahr geraten war. Da sich hierin das von der Fahruntüchtigkeit ausgehende Risiko realisiert hat, liegt auch der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Vulpes

Vulpes

5.8.2020, 15:33:16

Inwiefern kann eine seelische Anomalie ein körperlicher Mangel sein? Der Vergleich zwischen Epilepsie und Panikattacken ist auch sehr, sehr weit hergeholt, finde ich. Kann mir jmd erklären, warum die Panikattacken nicht unter einen geistigen Mängel subsumiert wird?

GI

GingerCharme

6.11.2020, 03:36:51

Ich war auch überrascht und habe auch wenig bis gar nichts dazu gefunden ohne Kommentar und online. Von dem was ich gefunden habe, würde ich mutmaßen, dass es medizinisch sehr geringe für uns Laien kaum unterscheidbare Unterschiede gibt. Und zwar: eine Panikattacke wird durch ein Ereignis oder einen Umstand ausgelöst und wirkt dann körperlich-physisch. Der Körper befindet sich im Ausnahmezustand. Bei einem geistigen Mangel habe man es zu tun, wenn jemand Medikamente nimmt, die seine Reaktion deutlich senken - der Körper ist im Normalzustand, nur der Geist ist "geschwächt". Jedenfalls ist das meine Vermutung - glaube in der Klausur wird aber niemand böse sein, wenn man diese mMn medizinische Fachfrage nicht perfekt wiedergibt.

GI

GingerCharme

6.11.2020, 03:38:06

*Mit einem geistigen Mangel habe man es ...

Fahrradfischlein

Fahrradfischlein

10.11.2020, 14:02:02

Danke GingerCharme, klingt plausibel!

JO

jomolino

26.10.2021, 14:45:08

Ich würde darauf abstellen, dass sich die Panikstörung hier ja körperlich mit allerlei Symptomen manifestiert hat — es liegt somit gerade nicht nur ein seelischer Mangel vor.

Sambadi

Sambadi

18.4.2022, 12:54:33

Wie ist es eigentlich wenn der Fahrer ein akuten Anfall z.B auf der Autobahn bekommt z.B. Beim Überholen und daher garnicht in der Lage ist, rechtzeitig bzw. ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden, auf den Standstreifen zu fahren und es in Folge dessen oder gerade während er versucht rechts ranzufahren zu einem Unfall kommt? Der TB wäre ja eröffnet aber irgendwie erscheint es mir falsch den Fahrer zu bestrafen in so einem Fall. Er hat sich ja gerade versucht richtig zu verhalten und hat nicht trotz seelischen/geistigen Mangels am Verkehr teilgenommen.

Sambadi

Sambadi

18.4.2022, 12:56:28

Also zumindest nicht im direkten Sinne. Weil alles was er versuchen würde zu machen um sich aus der Verkehrssituation zu entfernen, würde wohl oder übel andere Verkehrsteilnehmer gefährden

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.4.2022, 09:33:42

Hallo Sambadi, hier käme es darauf an, ob der Fahrer von seinem Anfallsleiden wusste. Hat er erstmalig einen solchen Anfall, so fehlt es an einem entsprechenden

Vorsatz

und der (subjektive) Tatbestand wäre nicht erfüllt. Ist dem Fahrer sein Leiden indes bekannt und ist dies nicht durch Medikamente behandelbar, so hätte er von vorneherein nicht am Straßenverkehr teilnehmen dürfen. Dass er in der konkreten Situation dann noch versucht konkrete Schäden von anderen abzuwenden ist insofern nicht maßgeblich. Insbesondere muss es für die Strafbarkeit nach §

315c

Abs. 1 StGB gerade nicht zu einem tatsächlichen Schadenseintritt kommen. Vielmehr genügt die konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen bzw. von Sachen von bedeutendem Wert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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