Strafrecht

BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.

Mord, § 211 StGB

§ 28 StGB bei tatbezogenen Mordmerkmalen (2. Gruppe)

§ 28 StGB bei tatbezogenen Mordmerkmalen (2. Gruppe)

22. November 2024

4,7(20.397 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A stiftet den T an, den O heimtückisch zu erschlagen. T tötet den O daraufhin, ohne jedoch heimtückisch zu handeln.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

§ 28 StGB bei tatbezogenen Mordmerkmalen (2. Gruppe)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T den O tötete, hat er sich wegen Totschlags strafbar gemacht (§ 212 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

T hat vorsätzlich einen anderen Menschen getötet und mithin § 212 Abs. 1 StGB erfüllt.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Indem A den T zur Tat anstiftete, hat er sich wegen Anstiftung zum Totschlag (§§ 212 Abs. 1, 26 StGB) strafbar gemacht.

Ja!

Anstiftung (§ 26 StGB) setzt (1) eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat, (2) eine taugliche Teilnehmerhandlung (Bestimmen zur Haupttat) und (3) den "doppelten Teilnehmervorsatz" (bezüglich der Haupttat und dem Bestimmen) voraus sowie (4) rechtswidriges und schuldhaftes Handeln des Anstifters. Im Totschlag des T an O ist die vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat zu sehen. Zudem hat A zumindest mitursächlich den Tatentschluss bei T hervorgerufen und T so zur Tat bestimmt. Auch vom Vorliegen des "doppelten Teilnehmervorsatzes" bei A ist auszugehen.

3. A hat sich auch wegen Anstiftung zur heimtückischen Tötung (§§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1, 26 StGB) strafbar gemacht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Hier kommt der Grundsatz der limitierten Akzessorietät zum Ausdruck. Dieser besagt, dass die Strafbarkeit des Teilnehmers von dem Vorliegen der Haupttat abhängt. Diese Abhängigkeit ist jedoch insoweit limitiert, als dass der Haupttäter nicht schuldhaft handeln muss. Es fehlt bereits an der vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat des T in Gestalt eines heimtückischen Mordes. Somit kann auch der Anstifter A nicht wegen Anstiftung zum Mord bestraft werden.

4. A hat sich "nur" der Anstiftung zum Totschlag (§§ 212 Abs. 1, 26 StGB) strafbar gemacht.

Nein, das trifft nicht zu!

Auch die bloß versuchte Anstiftung ist strafbar, sofern es sich bei der Haupttat um ein Verbrechen handelt (§ 30 Abs. 1 StGB) und die Voraussetzungen des Versuchs vorliegen. Aufgrund des Grundsatzes der limitierten Akzessorietät liegt zunächst lediglich bezüglich des Totschlages eine vollendete Anstiftung vor. Beim Mord handelt es sich indes um ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB). A hatte bezüglich der Anstiftung Tatentschluss und hat auch unmittelbar hierzu angesetzt. Aus diesem Grund hat sich A neben der vollendeten Anstiftung zum Totschlag auch der versuchten Anstiftung zum Mord (§§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Gr. 2 Var. 1, 30 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

15.1.2022, 12:48:53

Ich bin mir nicht ganz sicher, aber mehr Sinn würde die Frage machen, ob man T die Heimtücke zurechnen kann, oder? Bei 28-Konstellationen habe ich immer Knoten im Kopf 😅

VIC

Victor

15.1.2022, 19:28:51

§

28 StGB

kommt hier theoretisch für beide Beteiligten in Betracht. Eine Prüfung macht jedoch nur im Hinblick auf A Sinn, da er ja eine heimtückische Begehung wünscht. Bei T ist das Merkmal ja offensichtlich nicht erfüllt.

Isabell

Isabell

16.1.2022, 14:19:42

Wenn doch das Merkmal in A schon vorliegt, muss ich ihm doch nichts zurechnen 🤔

VIC

Victor

16.1.2022, 20:01:35

§

28 StGB

rechnet nicht fremde Merkmale zu. Vielmehr wird kann ein Täter „nur“ einen Totschlag der Teilnehmer aber einen „Mord“ begangen haben. Die

Tathandlung

wird zugerechnet. Aber nicht ein fremdes persönliches Merkmal. Das muss beim jeweiligen Beteiligten vorliegen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.1.2022, 16:18:36

Hallo ihr beiden, wir haben die Aufgabe hier noch einmal überarbeitet und klargestellt, dass es nicht um eine Zurechnung geht. Vielmehr ist die Heimtücke des A im Rahmen der versuchten Anstiftung zu berücksichtigen. Die vollendete Anstiftung ist aufgrund der limitierten Akzessorietät dagegen begrenzt auf den Totschlag. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BLU

blu

5.6.2024, 12:49:29

Wieso denn eine

versuchte Anstiftung

?

BLU

blu

5.6.2024, 12:53:01

A hat sich • A verwirklicht selbst das Mordmerkmal der

Habgier

➔ deshalb ggf. Durchbrechung der Akzessorietät in Form einer

Tatbestandsverschiebung

nach § 28 II StGB „hin zu“ à Anstiftung zum Mord und folgt man der h.L dann hat er sich strafbar gemacht wegen Anstiftung zum Mord, da er ja selbst ein MM verwirklich und sich die

Tatbestandsverschiebung

in diesem Fall zuungunsten des A auswirkt

Skra8

Skra8

10.6.2024, 15:42:14

Hi zusammen, vielleicht ist bei mir hier ein Denkfehler vorhanden, aber ist die Frage nach § 28 Abs. 1 und 2 StGB in diesem Kontext nicht verfehlt? Zunächst ist im vorliegenden Fall keine

Habgier

gegeben, wie eben dargestellt, sondern es geht um das Mordmerkmal der Heimtücke im Rahmen des § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB. Meines Verständnisses nach stellt § 28 Abs. 1 und 2 StGB auf „

besondere persönliche Merkmale

“ ab und entfaltet die Rechtswirkung entsprechend nur auf täterbezogene Mordmerkmale der ersten und dritten Gruppe.(MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl. 2020, StGB § 28 Rn. 42; Schönke/Schröder/Heine/Weißer, 30. Aufl. 2019, StGB § 28 Rn. 15) Wenn solche Mordmerkmale der zweiten Gruppe, also tatbezogene Mordmerkmale, gegeben sind, erfolgt bei Kenntnis des Teilnehmers eine Zurechnung über §§ 26, 27 StGB.(MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl. 2020, StGB § 28 Rn. 43) Entsprechend ist der Fall vom JuraFuchs-Team ziemlich gut gestellt, um gerade den Unterschied aufzuzeigen, wann §

28 StGB

greift und wann auf die Regelungen der §§ 26, 27 StGB zurückgegriffen werden muss. Korrigiert mich gerne, wenn ich vollkommen auf dem Holzweg bin! Liebe Grüße

Larissa3

Larissa3

30.9.2022, 19:17:37

Wie ist dann das Konkurrenzverhältnis von §§ 212, 26 und §§ 211, 30 I?

IS

IsiRider

15.1.2023, 13:08:32

Ich glaube, sie bleiben nebeneinander bestehen, sonst würde dem Handlungsunwert von 211, 30 nicht Rechnung getragen.

Cosmonaut

Cosmonaut

17.1.2024, 12:30:15

Mich würde auch die Konkurrenzfrage interessieren: Wegen Handlungseinheit Idealkonkurrenz (Tateinheit, § 52) und kein Fall der

Gesetzeskonkurrenz

, da verschiedener Unrechtsgehalt?

Natze

Natze

23.8.2024, 11:54:13

Wurde denn nicht der

Vorsatz

verbraucht bzgl der vollendeten

Anstiftung zum Totschlag

?

AME

Amelie7

30.10.2024, 13:18:14

Müsste nach der Literaturansicht nicht eine Anstiftung zum Mord vorliegen? Oder wieso ist dies hier nicht so?

LELEE

Leo Lee

3.11.2024, 10:59:18

Hallo Amelie7, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat ist der Streit um 28 I und II kein einfacher, weil hier sehr viele Varianten vorkommen können. Wichtig ist zunächst, dass du dir merkst, dass sich die Literaturansicht nur den Hintermann (hier A) anschaut. Und genau in dieser Person muss ein Mordmerkmal vorliegen. Allerdings wird es immer so sein, dass der Hintermann lediglich subjektive Mordmerkmale (1. und 3. Gruppe) erfüllen wird, da die 2. Gruppe tatbezogene Merkmale sind. Bei der Heimtücke ist es so, dass man nicht "heimtückisch", sondern wenn schon nur ZUR Heimtücke anstiften kann. Insofern würde nach Literaturansicht A keine Mordmerkmale aufweisen (keine Angaben im SV), weshalb sie wegen

Anstiftung zum Totschlag

zu bestrafen ist. Interessant ist hierbei, dass der BGH gem. 28 I die A sehr wohl wegen Anstiftung zum Mord bestrafen würde. Denn der BGH bestraft den Hintermann - SOWEIT ER UM DAS MM BEIM VORDERMANN WEIß!! - in Abhängigkeit zum Vordermann, mildert aber. D.h. also: 1. BGH bestraft nach 28 I die A wegen Anstiftung zum Mord + Milderung, weil sie um die Heimtücke wusste und hierzu auch anstiftete 2. Literatur bestraft nach 28 II die A "nur" wegen

Anstiftung zum Totschlag

, weil A eben keine MMe aufweist :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen