Nur der Täter handelt habgierig
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T bringt seine Mutter M um, da er frühzeitig erben möchte. Sein Cousin C leistet ihm dabei Hilfe, ohne selbst materielle Vorteile zu erstreben. C weiß aber, dass T aus Gewinnstreben handelt.
Einordnung des Falls
Nur der Täter handelt habgierig
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat die M aus "Habgier" (§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 3 StGB) getötet.
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Ja, in der Tat!
2. Nach der Literaturmeinung hat sich C wegen Beihilfe zum Totschlag (§§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
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Ja!
3. Auch nach der Rechtsprechung hat sich C wegen Beihilfe zum Totschlag (§§ 212 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
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Nein, das ist nicht der Fall!
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Nadine
8.6.2022, 15:16:46
Soweit ich weiß, nimmt der BGH doch gerade keine Doppelmilderung über §§ 27 II, 28 I StGB vor, sondern mildert auch beim Gehilfen nur einmalig über § 28 I StGB oder?
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Nora Mommsen
1.7.2022, 11:23:37
Hallo Nadine, der BGH kommt durch die Prämisse der Unanwendbarkeit des § 28 Abs. 2 StGB bei den Tötungsdelikten zu der Situation in der die Strafe doppelt zu mindern ist, nach § 27 Abs. 2 S. 2 StGB sowie § 28 Abs. 2 StGB. Dies führt allerdings zu einem Wertungwiderspruch im Verhältnis zur Strafe am Totschlag führt, die dann höher wäre als die zur Teilnahme am Mord. Daher nimmt die Rechtsprechung eine Sperrwirkung der Mindeststrafe aus Teilnahme am Totschlag an. Es wird also doppelt gemindert, aber nur bis zu dieser "Mindeststrafe". Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
IsiRider
15.1.2023, 14:29:18
Eine zusammenfassende Gegenüberstellung der Anwendung von 28 I und II durch BGH und Lit würde mir in diesem Kapitel helfen. So verwirrt es mich nach wie vor.
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Lukas_Mengestu
18.1.2023, 15:25:03
Vielen Dank für die Anregung, Isirider! Das nehmen wir gerne noch mit auf. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Diaa
27.8.2023, 09:04:47
Verstehe ich das richtig:? 1. § 28 I gilt dem BGH zufolge nur für die 1 und 3 Gruppe des § 211 2. § 28 II gilt laut BGH nicht für die 1 und 3 Gruppe
TubaTheo
31.8.2023, 13:54:03
Genau so ist es. Die Rechtsprechung sieht den Mord nicht als Qualifikation, sondern als eigenständiges Delikt, weshalb die Mordmerkmale strafbegründende (Wortlaut des § 28 I) und keine strafschärfenden Merkmale (Wortlaut des § 28 II) sind.
Leo Lee
9.9.2023, 11:17:39
1894 Hallo Diaa und TubaTheo, wie TubaTheo richtigerweise angemerkt hat, gilt nur § 28 I StGB lt. BGH (weil täterbezogen und strafbegründend) für die erste und dritte Gruppe. Hierzu kann ich die Lektüre von Rengier BT II 21. Auflage, § 5 Rn. 4 ff. empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
TubaTheo
31.8.2023, 14:00:58
Ist es nicht so, dass ein Mörder nach der Ansicht der Rechtsprechung trotzdem auch einen Totschlag begangen hat? D.h., dass jeder Mörder auch gleichzeitig Totschläger ist und die § 212 und § 211 in Tateinheit stehen. Denn, wenn das so ist, ist doch nach der Ansicht der Rechtsprechung jeder Anstifter zum Mord auch gleichzeitig Anstifter zum Totschlag und damit die letzte Frage nicht vollständig korrekt. Ich hoffe, meine Gedanken sind nachvollziehbar. Falls ich falsch liege, freue ich mich über jegliche Korrektur :)
Leo Lee
3.9.2023, 20:09:29
Hallo TubaTheo, nach der Rechtsprechung stehen u.a. aufgrund des Wortlauts von § 212 StGB („ohne Mörder zu sein“) Totschlag und Mord im Exklusivitätsverhältnis zueinander. D.h., wenn Mord vorliegt, ist Totschlag ausgeschlossen und andersrum. Deshalb können die beiden Taten (nach der Rspr.) nie zusammen vorliegen und mithin auch nicht in Tateinheit. Beachte allerdings, dass die Rechtsprechung „zwischendurch“ auch einräumt, dass der Unrechtsgehalt des 212 in 211 enthalten ist (also gibt die Rechtsprechung über paar Ecken der Literatur irgendwie Recht). Die Grundhaltung jedoch ist nach wie vor, dass Totschlag und Mord sich ggs. ausschließen. Hierzu kann ich die Lektüre von Rengier BT II, 23. Auflage, § 4 Rn. 1 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
![Cosmonaut](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__glu55464bls58d3db9wz10u5n.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Cosmonaut
17.1.2024, 13:02:18
Hallo, mich verwirrt die Formulierung in der „Vertiefung“ etwas. Vielleicht böte es sich angesichts der Komplexität des Themas an, in diesem Vertiefungshinweis zwecks Präzisierung / Klarstellung zu ergänzen, dass nur derjenige Anstifter zum Mord milder bestraft würde als der Anstifter zum Totschlag, der selbst kein Mordmerkmal verwirklicht (soweit ich das richtig verstehe). mE also etwa: Dies zeigt einen weiteren Wertungswiderspruch der Rspr. auf: Die Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB führt dazu, dass jener Anstifter, der selbst kein Mordmerkmal verwirklicht (!), jedoch an einem Mord des Haupttäters beteiligt ist und dies weiß, geringer bestraft würde, als jener Anstifter, der - weiterhin ohne eigenes Mordmerkmal - den Haupttäter zu einem Totschlag anstiftet.