Konkurrenzverhältnisse

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

T bekommt von ihrem Arzt ein starkes Schmerzmittel verschrieben. Da sie die Sucht gepackt hat, tauscht sie die 1 auf dem ärztlichen Rezept durch eine 2 aus, um die doppelte Menge zu erhalten. Dieses Rezept legt sie dann bei der Apotheke vor.

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Einordnung des Falls

Konkurrenzverhältnisse

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T auf dem ärztlichen Rezept die 1 durch eine 2 austauscht und dieses bei der Apotheke vorlegt, hat er alle Varianten der Urkundenfälschung verwirklicht (§ 267 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Eine Urkunde ist unecht, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der aus ihr als Aussteller hervorgeht (hM., Geistigkeitstheorie). Unter Verfälschung ist jede nachträgliche Veränderung des gedanklichen Inhalts einer echten Urkunde zu verstehen. Eine unechte oder verfälschte Urkunde wird gebraucht, wenn sie demjenigen, der durch sie getäuscht werden soll, so zugänglich gemacht wird, dass dieser die Möglichkeit hat, die Urkunde wahrzunehmen.Das ärztliche Rezept ist eine echte Urkunde, dessen ursprünglichen Beweisinhalt T nachträglich verändert hat. Gleichzeitig hat T eine unechte Urkunde hergestellt, da der Arzt unverändert als Aussteller erscheint, jedoch nicht mehr hinter dem neuen Rezept steht. T hat das verfälschte Rezept darüber hinaus der Apotheke zugänglich gemacht, mithin gebraucht.
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2. Da hier verschiedene Tatbestandsvarianten einschlägig sind, muss deren Konkurrenzverhältnis geklärt werden.

Ja, in der Tat!

Die Herstellung einer unechten Urkunde ist typische Folge der Verfälschungshandlung. Wenn ursprünglich eine echte vorhandene Urkunde bestand, dann tritt die Herstellungsvariante (Var. 1) hinter der Verfälschungsvariante (Var. 2) zurück. Das Verhältnis der ersten beiden Varianten zum Gebrauchen bestimmt sich nach der Tätervorstellung zum Zeitpunkt des Herstellens/Verfälschens: Hat der Täter im Zeitpunkt des Herstellens oder Verfälschens bereits ganz bestimmte Vorstellungen über die spätere Verwendung der Urkunde, so liegt nur eine einheitliche Urkundenfälschung vor. Wenn der Täter beim Herstellen/Verfälschen noch keine bestimmte Verwendung ins Auge gefasst hat, dann ist Tatmehrheit (Realkonkurrenz) anzunehmen.

3. Da T das Rezept sowohl gefälscht als auch gebraucht hat, liegen zwei Urkundenfälschungen vor, die zueinander in Tatmehrheit (Realkonkurrenz) stehen.

Nein!

Das Verhältnis der ersten beiden Varianten zum Gebrauchen bestimmt sich nach der Tätervorstellung zum Zeitpunkt des Herstellens/Verfälschens: Hat der Täter im Zeitpunkt des Herstellens oder Verfälschens bereits ganz bestimmte Vorstellungen über die spätere Verwendung der Urkunde, so liegt nur eine einheitliche Urkundenfälschung vor. Die Herstellung des unechten Rezeptes wird von der Verfälschung konsumiert, tritt also dahinter zurück. Sinn und Zweck der Fälschung war von vornherein schon, dass T die verfälschte Urkunde bei der Apotheke einreicht, um eine größere Menge des Medikaments zu erhalten. Damit hatte T schon ganz bestimme Vorstellungen über die Verwendung, sodass hier von einer einheitlichen Urkundenfälschung auszugehen ist. Der BGH sieht in einem solchen Fall den Verfälschungsakt als vollendete Straftat an, die durch den konkreten Gebrauch beendet wird.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BE

Bioshock Energy

26.4.2024, 14:49:33

Hallo, irgendwie geht mir gerade nicht in den Kopf rein wieso hier ein Verfälschen vorliegt. Fälschung ist jede nachträgliche Veränderung des gedanklichen Inhalts. Durch die nachträgliche Veränderung muss der Anschein erweckt werden, dass der Aussteller die Erklärung von Anfang an in der jetzt vorliegenden Form abgegeben habe. Die Zeichnungen bei Jurafuchs gehören mit zum Sachverhalt. Wie kann hier bei irgendjemanden der Anschein erweckt werden, dass die nachträglich veränderte Gedankenerklärung die ursprüngliche Erklärung des ursprünglichen Ausstellers ist. Ich meine die Dame hat die eins rot durchgestrichen und eine rote zwei drüber gemalt und die Schrift auf dem Ursprungsrezept ist auch noch schwarz. Mit dem herstellen der Urkunde bin ich fein, aber hier kann doch nicht ernsthaft eine Verfälschung vorliegen oder??? Das würde die Definition absolut hinfällig machen. LG

TI

Timurso

27.4.2024, 09:58:24

Da bin ich bei dir. Es würde allenfalls 274 in Betracht kommen, allerdings gehört die Urkunde vorliegend wohl alleine der Täterin, weshalb auch der wegfällt.

L.G

L.Goldstyn

2.8.2024, 18:18:12

Interessante Überlegung! Wäre aus meiner Sicht auf jeden Fall gut vertretbar, hier angesichts der Zeichnung ein Verfälschen abzulehnen. Meine Vermutung: Da der Sachverhalt von „austauschen“, nicht von „durchstreichen“ spricht, ist wohl beim Anfertigen der Zeichnung ein Fehler passiert.


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