Keine Dereliktion bei in die Altpapiertonne geworfenen Skizzen eines weltberühmten Künstlers


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G, ein bekannter Künstler, entsorgt vier Skizzen, die seinem kritischen Blick nicht standhalten. Der gescheiterte Künstler K (ein großer Bewunderer des G) nimmt sie an sich. Er denkt, die Skizzen würden G nicht mehr gehören, weil er sie entsorgt hat.

Einordnung des Falls

Keine Dereliktion bei in die Altpapiertonne geworfenen Skizzen eines weltberühmten Künstlers

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Skizzen standen ursprünglich im Eigentum des G.

Ja, in der Tat!

Vorliegend stellte G durch Verarbeitung (§ 950 BGB) von Graphit und Papier eine neue bewegliche Sache her, was durch die neue Bezeichnung (Skizze) belegt wird. Dass das Zeichnen eine Verarbeitung nach § 950 BGB darstellt vermutet § 950 Abs. 1 S. 2 BGB zudem unwiderleglich. Es ist davon auszugehen, dass G originäres Eigentum kraft Gesetzes erwarb, da der Wert der Verarbeitung bei einem prominenten Maler in aller Regel nicht wesentlich geringer ist als der der Ausgangsstoffe. Selbst wenn man dies verneinte, wäre G weiterhin Eigentümer, da er auch Eigentümer der Ausgangsstoffe war.

2. G hat das Eigentum an den vier Skizzen aufgegeben, indem er sie entsorgt hat (§ 959 BGB, Dereliktion).

Nein!

Eine Eigentumsaufgabe (Dereliktion) nach § 959 BGB setzt voraus, dass der Eigentümer in der Absicht des Eigentumsverzichts den Besitz der Sache aufgibt. Auf diese Absicht kann in der Bereitstellung von Altpapier in der Regel nicht geschlossen werden. Dem Eigentümer ist es in der Regel nicht „egal“, was mit dem Papier passiert, er gibt seinen Besitz- und Eigentumswillen keineswegs bedingungslos auf. Insbesondere hat G hier ein - auch objektiv nachvollziehbares - Interesse, dass die nach seiner künstlerischen Empfindung unbrauchbaren Skizzen nur in die Hände desjenigen geraten, der sie auch vernichtet. Deshalb scheidet eine Eigentumsaufgabe aus.

3. K denkt, die Skizzen würden durch das Verbringen ins Altpapier niemandem mehr gehören. Deshalb entfällt sein Vorsatz bezüglich der Fremdheit.

Genau, so ist das!

K könnte sich über das objektive, normativ geprägte Tatbestandsmerkmal der "Fremdheit" irren, was nach § 16 StGB den Vorsatz entfallen ließe. Dabei kommt es für K nicht auf eine genaue rechtliche Subsumtion an. Vielmehr ist für einen Vorsatz nach der Parallelwertung in der Laiensphäre ausreichend, dass sich der Täter darüber bewusst ist, dass die Sache einem anderen "gehört". Hier ist K der Annahme unterlegen dass die Bilder niemandem mehr gehören, weswegen er laienhaft, aber wertungsmäßig nachvollziehbar davon ausging, dass diese herrenlos seien. K hatte keinen Vorsatz. Er bleibt straflos.

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