Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Diebstahl (§ 242 StGB)
Implantate (2) | mit Körper verbunden / Herzschrittmacher
Implantate (2) | mit Körper verbunden / Herzschrittmacher
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Arzt T entwendet den entnommenen Herzschrittmacher dem bereits toten Patienten O. Danach deckt er seinen Körper zu, damit Erbin E nicht sieht, dass dieser geöffnet wurde.
Diesen Fall lösen 63,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Implantate (2) | mit Körper verbunden / Herzschrittmacher
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Frage, wann Implantate bzw. Hilfsmittel als eigentumsfähige Sachen und wann als Teil des Körpers anzusehen sind, ist unumstritten.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ein Teil der Literatur differenziert bei Implantaten danach, ob die Implantate als Ersatz eines Körperteils oder bloß zur Unterstützung dienen.
Ja, in der Tat!
3. Stellt man auf die dauerhafte Verbindung ab (h.M), hatte der Herzschrittmacher nach der Implementierung in den Körper des O Sachqualität und verblieb in dessen Eigentum.
Nein!
4. Der Herzschrittmacher hatte entsprechend der h.M. nach Os Tod seine Sachqualität wiedererlangt.
Genau, so ist das!
5. Der Herzschrittmacher war nach der h.M. für T fremd.
Nein, das trifft nicht zu!
6. Differenziert man bei der Sachqualität von dauerhaften Implantaten nach der Wirkweise (a.A.), so war der Herzschrittmacher auch nach Einsetzung in den Körper des O eine Sache und damit eigentumsfähig.
Ja!
7. Differenziert man bei der Sachqualität von dauerhaften Implantaten nach der Wirkweise (a.A.), so wird die Sache jedenfalls durch Os Tod herrenlos.
Nein, das ist nicht der Fall!
8. Differenziert man bei der Sachqualität von Implantaten nach der Wirkweise (a.A.), so war der Herzschrittmacher für T fremd (§ 242 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
ANY
15.12.2021, 18:30:01
Im Abschnitt zur vorsätzlichen KV wird die Differenzierung zwischen Substitutiv- und Supportiv-Implantaten lediglich als Mindermeinung dargestellt. Wieso wird dieser Fall nun doch nach dieser Ansicht gelöst?
Lukas_Mengestu
16.12.2021, 16:06:01
Danke für den Hinweis, ANY. Das war in der Tat noch nicht ganz kongruent. Wir haben hier die Aufgaben insoweit überarbeitet, um noch deutlicher zu machen, zu welchen Lösungen die beiden Lösungswege kommen. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team
gelöscht
12.2.2022, 16:42:34
Die Meinung, die zu dem Schluss kommt, dass der Herzschrittmacher zunächst herrenlos wird, erschließt sich mir noch nicht ganz: Hat das also damit zu tun, dass Leichen keine Aneignungsqualität haben und somit der HSM noch „
wesentlicher Bestandteil“ der Leiche ist? Habt ihr für die entsprechende Vorüberlegung eine Fundstelle bzw. genauere Begründung?
Lukas_Mengestu
14.2.2022, 17:12:14
Hallo sethhering, herrenlos ist eine Sache, die nicht im Eigentum einer Person steht. Die Herrenlosigkeit ist unabhängig davon zu betrachten, dass Leichen nach h.M. nicht aneignungsfähig sind. Denn auch Zahngold, das bei der Verbrennung der Leichen übrig bleibt ist nach h.M. zunächst herrenlos. Dies ergibt sich ganz einfach daraus, dass mit dem Tod desjenigen, in den das Implantat eingebaut wird, die Sachqualität "neu auflebt". Zu diesem Zeitpunkt ist der Träger des Implantats bereits verstorben, scheidet also als Eigentümer aus. Einen neuen Eigentümer gibt es dagegen erst dann, wenn dieser sich die Sache aneignet. Ein automatischer Eigentumsübergang auf die Erben scheidet aus, da der Erblasser ja selbst niemals Eigentümer des Implantats/Zahngoldes war. Es war vielmehr Teil seines Körpers und hat nach der h.M. erst nach dessen Tod wieder Sachqualität erlangt. Die entsprechenden Fundstellen, findest Du am Ende der Falllösung (um alle zu sehen, musst Du die Quellen aufklappen). Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team
DDoubleYou
19.12.2023, 00:51:03
Vielen Dank für die Ausführung! Inwieweit steht § 958 II BGB der Aneignung des Täters entgegen? Haben die Erben ein Aneignungsrecht? Wie ich das sehe, hätte der Täter zwar mit
Zueignungsabsichtgehandelt, allerdings fliegt man schon im objektiven Tatbestand bei der Fremdheit der Sache raus, da § 857 BGB nicht anwendbar ist? Vielen Dank!
Benji
28.7.2022, 15:15:00
Weshalb wird § 857 BGB im Strafrecht nicht berücksichtigt?
Lukas_Mengestu
28.7.2022, 19:50:17
Hallo BenBo, der Hinweis bezieht sich darauf, dass es beim Diebstahl nicht um den Bruch des Besitzes, sondern den Bruch des "Gewahrsams" geht. Auch wenn "Besitz" und "Gewahrsam" in vielen Fällen deckungsgleich sind, so dürfen sie keinesfalls synonym verwendet werden! Der Erbe hat deshalb nach dem Tod des Erblassers zivilrechtlich gesehen Erbenbesitz (§ 857 BGB), strafrechtlich fehlt es ihm aber am Gewahrsam. Auch der umgekehrte Fall ist möglich. So ist der
Besitzdiener(§
855 BGB) zivilrechtlich gesehen kein Besitzer, dafür aber regelmäßig Gewahrsamsinhaber iSd StGB. Ist es jetzt verständlich? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Edward Hopper
27.10.2022, 22:05:21
Muss man sowas wissen? Echt hart
Lukas_Mengestu
28.10.2022, 09:46:15
Hallo Edward, da gerade die Grenzfälle für Prüfungsämter interessant sind, gehört dies in der Tat zu dem Stoff, den man beherrschen sollte. Jedenfalls die Entwendung von Zahngold lief auch schon im (2.) Examen (zB Grommes, Original-Examensklausur: "Alchemie im 21. Jahrhundert", JA 2017, 772). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Collateralis
15.2.2023, 10:57:14
Aber ist ein Herzschrittmacher nicht eigentlich doch ein Substitutivimplantat, weil es ein defektes Körperteil, nämlich den Sinusknoten ersetzt?
Cosmonaut
3.2.2024, 14:33:07
„Der Sinusknoten ist eine muskuläre, makroskopisch schlecht abgrenzbare (!), etwa 3 mm dicke und 10 mm lange Struktur von kommaförmiger Gestalt.“ - Die Gewebestruktur auf die du dich beziehst würde mE bereits nicht das Merkmal „Körperteil“ im Verständnis des BGH erfüllen, dazu analog: Während ungetrennte Körperteile und -substanzen keine Sachen sind, werden sie mit der Trennung vom Körper zu Sachen, an denen indessen Persönlichkeitsrechte fortbestehen. (MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB § 823 Rn. 223)
Jacob
8.11.2022, 08:28:57
Ist nach der a.A. der Wirkweise hier eine Unterschlagung verwirklicht?
juramen
20.12.2022, 00:01:07
Bei der Frage, ob der Herzschrittmacher nach der h.M. Fremd ist, sagt die erste Aussage zunächst, es wäre so und dann in der Erläuterung, dem wäre doch nicht so… Was stimmt denn nun?
Lukas_Mengestu
21.12.2022, 12:44:12
Hallo juramen, könntest Du mir noch einmal auf die Sprünge helfen. Gefragt ist danach, ob nach h.M. der Herzschrittmacher fremd ist. Die einzugebende Antwort lautet: Nein! In der Erläuterung heißt es sodann, dass dies nicht der Fall sei, da der Herzschrittmacher nach h.M. herrenlos sei. Einen Fehler kann ich hier gerade nicht erkennen, aber vielleicht stehe ich auch einfach auf dem Schlauch. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
juramen
27.12.2022, 23:49:37
Hallo Lukas, danke für deine Antwort, ich habe es mir später nochmals angesehen und in der grünen Kasten mit “die Aussage war richtig, die Antwort stimmt nicht” hatte ich zunächst gedacht die Aussage war richtig, hätte sich auf die Frage darüber bezogen, die ja nicht richtig war… hat sich insofern geklärt, vielen Dank.
Fiona
29.4.2023, 14:06:41
Wie würde ich in der Klausur den Streit lösen? Auf den fehlenden Gewahrsam von E verweisen und Streitentscheid entfallen lassen?
Carl Wagner
29.4.2023, 16:05:33
Hallo, Fiona! Das ist eine Einzelfallfrage: Wenn eine Klausur einen solchen Sachverhalt schildert, wo von einem toten Menschen "gestohlen" wird, wird es dem Klausurersteller auf die damit zusammehängenden Problematiken ankommen. (1) Daher liegt es nahe, die Sachqualität zu problematisieren. Hier kannst du zunächst die Sachqualität verneinen als der Mensch noch gelebt hat (Herzschrittmacher wird eingesetzt). Argument ist der Rechtsgedanke aus §
93 BGBund §
947 BGB: Der Herzschrittmacher verliert seine eigenständige Bedeutung und wird Teil des Ganzen (=des menschlichen Körpers) (Kretschmer, JA 2015, 105, 107). Der menschliche Körper ist aber keine Sache und damit ist die Sachqualität verloren. Stirbt der Mensch, hat der Leichnam Sachqualität und damit auch der Herzschrittmacher. Allerdings konnte er mangels vorheriger Sachqualität nicht auf die Erben bei Erbfall übergehen. Daher ist er herrenlos bis sich die Erben ihn angeeignet haben. (2) Willst du der aA folgen, dann entscheidest du dich bei der Sachqualität für diese und lehnst dann den Diebstahl beim fehlenden Gewahrsam ab. (3) Ich würde dir eher davon abraten, diese Problematik zu "umgehen", indem man sich sofort auf den fehlenden Gewahrsam stürzt. Der Klausurersteller wird in aller Regel Ausführungen dazu mit Punkten belohnen. (Einzelfall! Wenn du nur noch wenig Zeit hast oder die Klausur erkennbar andere Problematiken als Schwerpunkt hat, dann musst du im Wege der Schwerpunktsetzung das ganze kürzer fassen!). Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team
Lea
6.7.2023, 11:39:33
Ich habe eine Frage. Bei einem Fall im Teil Strafrecht BT 1 ("In einsamer Gegend überfällt T den hochbegabten Senior O. Mit Hilfe eines Elektroschockers zerstört er bewusst den Herzschrittmacher von O") wurde gesagt, dass ein Herzschrittmacher lediglich den Herzmuskel in der Rhythmusgebung unterstützt und supportiv ist. Begründet wurde das damit, dass das Herz ja auch weiterhin die Blutversorgung übernimmt. Da wurde die Sacheigenschaft des Herzschrittmachers dann angenommen. Wieso ist das Ergebnis hier in dem Fall anders?
Lea
6.7.2023, 11:42:18
Hat sich erledigt. Ich hab grade erst die Ausführungen danach gelesen.
Diaa
7.10.2023, 09:29:33
Unter der 4 oder 5 Frage steht, dass der Körper mit dem Tod zu einer Sache wird. Aber das stimmt nicht so ganz, denn der Körper bzw der Leichnam wird erst zu einer Sache, wenn es z.B. in Museum aufgestellt wird oder irgendeiner Einrichtung zur Forschung gehört, dann erlangt der Leichnam die Sacheigenschaft, oder?
Timurso
7.10.2023, 09:51:13
Nein, das stimmt so nicht. Sacheigenschaft erlangt der Leichnam mit den Tod. Das mit dem Museum/der Einrichtung wird an einer anderen Stelle relevant, nämlich beim Eigentum. Nur in diesen Fällen ist der Leichnam eigentumsfähig, ansonsten herrenlos.
Leo Lee
8.10.2023, 10:24:35
Hallo Diaa und Timurso, wie Timurso zutreffend erwähnt hat, ist zwischen dem TBM der Sache und Fremdheit zu unterscheiden. Obwohl es Stimmen in der Literatur gibt, die die Sacheigenschaft von Leichen ablehnen wollen, ist nach ganz h.M. auch die Leiche eine Sache (körperlich und kann tats. fortgeschafft werden). Umstrittener ist hingegen die Eigentumsfähigkeit hieran. Hierzu kann ich die Lektüre von Rengier BT I 22. Auflage, § 2 Rn. 17 ff. empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Skra8
10.1.2024, 11:39:11
Liebes JuraFuchs-Team, in der Frage: "Der Herzschrittmacher war nach der hM. für T fremd", ist ein falscher Paragraphenverweis gegeben. Hier wird im Hinblick auf die fremde Sache nicht auf § 242 Abs. 1 StGB verwiesen, sondern auf Leistung nach Treu und Glauben gemäß § 242 Abs. 1 BGB. Löscht gerne den Thread, nach der Korrektur. Gruß