"Körperfremde" Teile 2

31. Mai 2025

10 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Fahrer F transportiert eine dem Spender N frisch entnommene Niere zu K, der die Niere als Organspende erhalten soll. Auf dem Weg nimmt F die Niere aus der Kühlbox, um stattdessen seine Cola zu kühlen. Die Niere verdirbt.

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Einordnung des Falls

"Körperfremde" Teile 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat den Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) erfüllt, wenn er vorsätzlich eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt hat.

Ja!

§ 223 StGB enthält den Grundtatbestand der „Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit“. Rechtsgut ist das körperliche Wohlbefinden einer anderen Person. Dies umfasst den Schutz der körperlichen Integrität und der Gesundheit.
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2. Innere Organe sind grundsätzlich Bestandteile des Körpers einer „anderen Person“ i.S.v. § 223 Abs. 1 StGB.

Genau, so ist das!

Die Körperverletzungsdelikte schützen das körperliche Wohlbefinden einer anderen Person. Geschützt wird die Integrität des menschlichen Körpers. Körperteile und Körperflüssigkeiten werden nach h.M. zum menschlichen Körper gezählt, solange sie nicht dauerhaft von diesem getrennt sind oder wenn sie bereits wieder mit einem menschlichen Körper verbunden werden. Auch innere Organe sind Körperteile in diesem Sinne.

3. Die frisch entnommene Niere ist Bestandteil des Körpers einer „anderen Person“ (§ 223 Abs. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Körperteile und Körperflüssigkeiten werden nach h.M. zum menschlichen Körper gezählt, solange sie nicht dauerhaft von diesem getrennt sind oder wenn sie bereits wieder mit einem menschlichen Körper verbunden werden. Die frisch entnommene Niere ist dauerhaft vom Körper des Spenders N getrennt und auch noch nicht wieder mit dem Körper des Empfängers K verbunden. Sie ist mithin nicht vom Schutz des § 223 Abs. 1 StGB umfasst. In Betracht kommt aber eine Strafbarkeit des T wegen einer Sachbeschädigung § 303 Abs. 1 StGB: Dafür müsste T rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört haben. Durch die Entnahme der Niere als Spenderorgan für einen anderen ist sie zu einer Sache im Rechtssinne geworden. Diese ist für den T fremd, denn er ist nicht der Eigentümer der entfernten Niere. Indem T die Niere aus der Kühlbox nahm und diese daraufhin verdarb, hat er sie zerstört.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SN

Sniter

22.9.2022, 13:37:20

Verstehe ich die Definition richtig? Körperteile sind nicht Teil des Körpers, wenn (a) sie dauerhaft vom Körper getrennt sind oder wenn (b) sie wieder mit einem menschlichen Körper verbunden sind. In meinen Augen macht gerade der zweite Fall (b) keinen Sinn…

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

22.9.2022, 18:55:07

Hallo Sniter, hier liegt ein kleines Missverständnis vor. Körperteile SIND Teil des Körpers, wenn sie a) nur vorübergehend (also nicht dauerhaft) getrennt sind oder b) wenn sie einem anderen Körper wieder eingesetzt sind. Anders würde es in der Tat sonst keinen Sinn ergeben. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

/Q

/qwas

22.1.2024, 09:05:04

Wie könnte der Fahrer hier strafbar sein? Soweit ich weiß, sind abgetrennte Körperteile trotzdem keine Sachen.

Mi. S.

Mi. S.

8.5.2024, 19:27:50

Das würde mich auch interessieren

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

13.9.2024, 17:37:30

Hallo @[/qwas](135153), danke für die gute Nachfrage! IE wird man hier eine Strafbarkeit des Fahrers durchaus annehmen können. Die Frage selbst erklärt ja schon, dass die Niere nach der hM eben kein Bestandteil eines Körpers (mehr bzw noch nicht wieder) ist und deshalb zwar eine Strafbarkeit nach § 223 StGB ausscheidet. Eine Straftat nach dem TPG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ob die Niere eine Sache und deren Verderbenlassen dementsprechend allerdings Sach

beschädigung

war, kann man diskutieren (ausführlich MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl 2021, § 223 Rn 15 ff mwN). Der BGH hat die Sacheigenschaft zumindest für den Fall von Sperma zu §

823 BGB

bejaht, wenn der Körperteil dauerhaft entfernt wird, also nach dem Willen desjenigen, von dem er stammt, nicht dazu bestimmt ist, bald wieder seinem Körper zugeführt zu werden (BGH NJW 1994, 127, 128). Das gelte insbesondere auch für entnommene Organe, die ja gerade dem Körper eines anderen (!) zugeführt werden sollen - mit der Folge entsprechender Entschädigungsansprüche, wenn das Organ zB gegen den Willen des Spenders vernichtet wird. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Charles "Chuck" McGill

Charles "Chuck" McGill

23.4.2025, 12:32:37

Wenn die Person, für die das Organ gedacht war, jetzt weiter an der Dialyse hängen muss, kommt dann nicht eine KV wegen abgebrochener Rettungshandlung in Betracht? Also nicht, weil der Täter das Organ als solches zerstört hat, sondern weil er aktiv verhindert hat, dass sich der Leidenszustand des Opfers (Organempfängers) verbessert. Das Opfer ist an der Gesundheit geschädigt, die Handlung des Täters ist quasi Kausal und objektiv zurechenbar. Klar könnte man sagen, das Opfer war schon an der Gesundheit geschädigt, vom mir aus nehmen wir daher an, dass sich der Gesundheitszustand des Opfers mangels Organ weiter verschlechtert hat. Entspricht dass dann nicht dem Fall, in dem der Täter verhindert, dass ein anderer das Opfer rettet? Solange Kausalität und objektive Zurechenbarkeit bestehen, dürfte es doch kein Problem sein, dass der rettende

Kausalverlauf

eigentlich den Täter selbst vorausgesetzt hat.

Major Tom(as)

Major Tom(as)

28.4.2025, 14:37:20

Ich finde, das hört sich eigentlich gut an! Man müsste natürlich wissen, wie hoch nun die "Rettungswahrscheinlichkeit" durch die Niere gewesen wäre (der unterbrochene

Kausalverlauf

hätte ja mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur "Rettung" führen müssen) und es ist mWn doch so, dass Spender-Organe uU vom Körper abgestoßen werden. Aber im Grunde finde ich das hier nen mega guten Gedanken - für diese Fallgruppe des Abbruchs

fremd

er Rettungsbemühungen hatte ich persönlich auch als Beispiel immer die Zerstörung eines lebenswichtigen Medikaments gelernt - und der Fall liegt hier ja doch sehr ähnlich. Also würde mich eine Antwort von Jurafuchs auch sehr interessieren :)


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