"Körperfremde" Teile 2

16. April 2025

8 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Fahrer F transportiert eine dem Spender N frisch entnommene Niere zu K, der die Niere als Organspende erhalten soll. Auf dem Weg nimmt F die Niere aus der Kühlbox, um stattdessen seine Cola zu kühlen. Die Niere verdirbt.

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Einordnung des Falls

"Körperfremde" Teile 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat den Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) erfüllt, wenn er vorsätzlich eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt hat.

Ja!

§ 223 StGB enthält den Grundtatbestand der „Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit“. Rechtsgut ist das körperliche Wohlbefinden einer anderen Person. Dies umfasst den Schutz der körperlichen Integrität und der Gesundheit.
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2. Innere Organe sind grundsätzlich Bestandteile des Körpers einer „anderen Person“ i.S.v. § 223 Abs. 1 StGB.

Genau, so ist das!

Die Körperverletzungsdelikte schützen das körperliche Wohlbefinden einer anderen Person. Geschützt wird die Integrität des menschlichen Körpers. Körperteile und Körperflüssigkeiten werden nach h.M. zum menschlichen Körper gezählt, solange sie nicht dauerhaft von diesem getrennt sind oder wenn sie bereits wieder mit einem menschlichen Körper verbunden werden. Auch innere Organe sind Körperteile in diesem Sinne.

3. Die frisch entnommene Niere ist Bestandteil des Körpers einer „anderen Person“ (§ 223 Abs. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Körperteile und Körperflüssigkeiten werden nach h.M. zum menschlichen Körper gezählt, solange sie nicht dauerhaft von diesem getrennt sind oder wenn sie bereits wieder mit einem menschlichen Körper verbunden werden. Die frisch entnommene Niere ist dauerhaft vom Körper des Spenders N getrennt und auch noch nicht wieder mit dem Körper des Empfängers K verbunden. Sie ist mithin nicht vom Schutz des § 223 Abs. 1 StGB umfasst. In Betracht kommt aber eine Strafbarkeit des T wegen einer Sachbeschädigung § 303 Abs. 1 StGB: Dafür müsste T rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört haben. Durch die Entnahme der Niere als Spenderorgan für einen anderen ist sie zu einer Sache im Rechtssinne geworden. Diese ist für den T fremd, denn er ist nicht der Eigentümer der entfernten Niere. Indem T die Niere aus der Kühlbox nahm und diese daraufhin verdarb, hat er sie zerstört.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SN

Sniter

22.9.2022, 13:37:20

Verstehe ich die Definition richtig? Körperteile sind nicht Teil des Körpers, wenn (a) sie dauerhaft vom Körper getrennt sind oder wenn (b) sie wieder mit einem menschlichen Körper verbunden sind. In meinen Augen macht gerade der zweite Fall (b) keinen Sinn…

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

22.9.2022, 18:55:07

Hallo Sniter, hier liegt ein kleines Missverständnis vor. Körperteile SIND Teil des Körpers, wenn sie a) nur vorübergehend (also nicht dauerhaft) getrennt sind oder b) wenn sie einem anderen Körper wieder eingesetzt sind. Anders würde es in der Tat sonst keinen Sinn ergeben. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

/Q

/qwas

22.1.2024, 09:05:04

Wie könnte der Fahrer hier strafbar sein? Soweit ich weiß, sind abgetrennte Körperteile trotzdem keine Sachen.

Mi. S.

Mi. S.

8.5.2024, 19:27:50

Das würde mich auch interessieren

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

13.9.2024, 17:37:30

Hallo @[/qwas](135153), danke für die gute Nachfrage! IE wird man hier eine Strafbarkeit des Fahrers durchaus annehmen können. Die Frage selbst erklärt ja schon, dass die Niere nach der hM eben kein Bestandteil eines Körpers (mehr bzw noch nicht wieder) ist und deshalb zwar eine Strafbarkeit nach §

223 StGB

ausscheidet. Eine Straftat nach dem TPG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ob die Niere eine Sache und deren Verderbenlassen dementsprechend allerdings Sachbeschädigung war, kann man diskutieren (ausführlich MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl 2021, § 223 Rn 15 ff mwN). Der BGH hat die Sacheigenschaft zumindest für den Fall von Sperma zu

§ 823 BGB

bejaht, wenn der Körperteil dauerhaft entfernt wird, also nach dem Willen desjenigen, von dem er stammt, nicht dazu bestimmt ist, bald wieder seinem Körper zugeführt zu werden (BGH NJW 1994, 127, 128). Das gelte insbesondere auch für entnommene Organe, die ja gerade dem Körper eines anderen (!) zugeführt werden sollen - mit der Folge entsprechender Entschädigungsansprüche, wenn das Organ zB gegen den Willen des Spenders vernichtet wird. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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