Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Anfechtung der Willenserklärung
Anfechtungsgegner bei irrtümlicher Dereliktion
Anfechtungsgegner bei irrtümlicher Dereliktion
2. April 2025
21 Kommentare
4,8 ★ (40.379 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A möchte ein altes Gemälde loswerden. Er geht davon aus, dass es wertlos sei und stellt es vor seinem Haus auf die Straße, falls es jemand haben möchte. B kommt vorbei und nimmt das Gemälde mit. Es stellt sich heraus, dass es sich bei dem Gemälde um einen echten Picasso handelt.
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Einordnung des Falls
Anfechtungsgegner bei irrtümlicher Dereliktion
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Eigentumsaufgabe ist ein bloßer Realakt (§ 959 BGB).
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. A hat das Eigentum an dem Gemälde aufgegeben (§ 959 BGB), indem er es vor sein Haus gestellt hat.
Genau, so ist das!
3. A unterlag bei Abgabe der Willenserklärung einem Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB), der ihn zur Anfechtung seiner Eigentumsaufgabe berechtigt.
Ja, in der Tat!
4. A muss die Anfechtungserklärung an B adressieren, weil zwischen A und B ein Vertrag zustande gekommen ist (§ 143 Abs. 2 BGB).
Nein!
5. A muss die Anfechtungserklärung an B adressieren, weil B aus dem Rechtsgeschäft unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat (§ 143 Abs. 4 BGB).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Xyzzaxy
6.1.2020, 19:16:52
Bei der ersten Antwort fehlen an einer Stelle Klammer zu und Leerzeichen (Nach dem Wort "
Derelektion", wenn ich mich recht entsinne)

Christian Leupold-Wendling
14.1.2020, 16:27:02
Danke, haben wir korrigiert.
Reus04
5.5.2023, 10:41:38
Er irrt sich doch über den Wert des Bildes. Das berechtigt doch gerade nicht zur Anfechtung gem. 119 II. Oder sehe ich das falsch?
se.si.sc
5.5.2023, 11:41:08
Du hast insofern vollkommen Recht, als dass der Wert alleine keine zur Anfechtung nach § 119 II BGB berechtigende Eigenschaft ist. Beruht der Wert allerdings wiederum auf einer Fehleinschätzung eines wertbildenden Faktors, wie hier zB der Urheberschaft des Gemäldes, so liegt jedenfalls nach der Rspr nicht nur ein Irrtum über den Wert vor, sondern gleichzeitig ein Irrtum über eine
verkehrswesentliche EigenschaftiSd § 119 II BGB vor (BGH NJW 1988, 2597, 2598 f; MüKo-BGB, § 119 Rn 143). Ich gebe dir aber Recht, dass der Fall insoweit nicht ganz eindeutig gestrickt ist, weil der Wert des Bildes im Vordergrund zu stehen scheint und nicht klar ist, ob sich A überhaupt Gedanken über den Urheber des Bilds gemacht hat.

Carl Wagner
5.5.2023, 16:09:50
Vielen Dank für deine Frage, Reus04 und für deine Antwort se.si.sc! Ich will nur noch eine kleine Sache zum Verständnis des Irren über den 'Wert' oder über '
wertbildende Faktoren' ergänzen: Beim Irren über einen wertbildenden Faktor, irrt man auch immer über den Wert selbst. Würde man dann immer darauf abstellen, dass - auch - über den Wert geirrt wurde, würde letztlich diese Unterscheidung (
wertbildende Faktorenund Wert selbst) zwecklos. Dann wäre jedes Irren über den wertbildenden Faktor, ein Irren über den Wert. Deutlich wird die Unterscheidung, wenn man den Fall abwandelt: Hätte A gewusst, dass es ein Picasso ist, aber trotzdem gedacht, dass das Gemälde wertlos sei (zB wegen mangelnder Allgemeinbildung), dann hätte er nur über den Wert geirrt. Dann wäre eine Anfechtung wegen
Eigenschaftsirrtumgem. § 119 II BGB nicht mehr möglich gewesen. Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team
onlyjura
27.9.2023, 12:12:07
Wieso profitiert B den unmittelbar von der Aufgabe des Eigentums? Rechtsfolge des §
959 BGBist doch, dass die Sache
herrenloswird. B erwirbt erst mit dem In-Eigenb
esitz-Nehmen der
herrenlosen Sache Eigentum nach §958 I BGB. Wenn niemand die Sache in B
esitz nehmen will, bleibt sie eben
herrenlos. Mir fehlt da dann aber die geforderte Unmittelbarkeit iSv §143 IV 1 BGB.


Nora Mommsen
28.9.2023, 15:41:17
Hallo ihr beiden, Paulah hat richtig dargestellt, dass B nur profitieren konnte, weil A zuvor das Eigentum aufgegeben hatte. Wäre dem nicht so gewesen, hätte er erstens durch die Inb
esitznahme kein Recht an der Sache erwerben können und sich im Zweifel sogar strafbar gemacht. Ich denke da an den Fall entsorgter Skizzen eines Künstlers, die im Müll gefunden und an sich genommen wurden. Da diese für den Abfallbetriebt bestimmt waren, bestand nicht nur noch Eigentum sondern Gewahrsam und der Mitnehmende hat sich wegen Diebstahls strafbar gemacht. Auch wenn dies natürlich die strafrechtliche Seite betrifft, macht es nochmal deutlich, wie wichtig es ist, ob tatsächlich das Eigentum aufgegeben wurde. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Alexander14
13.3.2024, 21:07:03
Die Möglichkeit das Eigentum zu erwerben ist hier also der unmittelbare, rechtliche Vorteil?
Alexander14
25.3.2024, 19:19:25
Ich finde die Fragestellung unpräzise. Er hat das Eigentum nicht aufgegeben, indem er das Gemälde bloß an die Straße gestellt hat. Erforderlich ist auch der Wille zur Eigentumsaufgabe.
Leo Lee
29.3.2024, 06:40:01
Hallo Alexander14, vielen Dank für dein Feedback! In der Tat könnte man zunächst meinen, dass der A sein Eigentum nicht aufgegeben habe, da kein „expliziter“ Wille vorlag. Beachte allerdings, dass der Eigentumsaufgabewille als nicht empfangsbedürftige Willenserklärung lediglich den natürlichen Willen (also Erkennbarkeit aus dem obj.
Empfängerhorizontnicht nötig) gem. 133 BGB benötigt. D.h., dass hier lt. Sachverhalt der Wille des A insofern gegeben ist, als er das Gemälde „loswerden“ möchte und es vor seinem Haus auf die Straße stellt, falls jemand haben möchte. Mithin entspricht es seinem natürlichen (wirklichen) Willen, sich dauerhaft dieses Werkes zu entledigen. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Busche § 133 Rn. 31 und Oechsler § 959 Rn. 3 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Antonia
7.9.2024, 13:12:51
Ist die
Dereliktionalso ein reines Verfügungsgeschäft? Es fehlt komplett an einem vorherigen
Verpflichtungsgeschäft?
Timurso
8.9.2024, 10:45:19
Johanna
11.12.2024, 13:22:46
Im Sachverhalt heisst es: E hält das Bild für wertlos und stellt es deshalb an die Strasse. in der Klausur würde ich das eher als Hinweis auf einen unbeachtlichen
Motivirrtumwerten. Für einen
Eigenschaftsirrtumwürde ich eher eine Aussage wie „Er hält das Bild für eine wertlose Arbeit eines vergessenen Kleinkünstlers“ etc. Warum kommt es im Sachverhalt erst auf den Wert und dann auf den Name des Künstlers an? Mir ist bewusst, dass es sich auf den Wert des Bildes auswirkt, wenn Picasso es gemalt hat. es geht mir eher um die richtige Einordnung der Hinweise im Sachverhalt.
Laura
27.2.2025, 11:10:00
Die Frage wurde in einem anderen Thread schon beantwortet