Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts (§ 144 BGB) Verlangen nach Auflassung


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V und K schließen einen Kaufvertrag über ein Grundstück vor einem Notar. Dabei befindet sich K in einem Inhaltsirrtum über das Grundstück. Obwohl K dies am nächsten Tag erkennt, verlangt er die Auflassung (§ 925 BGB) des Grundstücks. Eine Woche später möchte K doch anfechten.

Einordnung des Falls

Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts (§ 144 BGB) Verlangen nach Auflassung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Bestätigung eines Rechtsgeschäfts schließt dessen Anfechtbarkeit aus (§ 144 BGB).

Ja, in der Tat!

Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird (§ 144 BGB). Die Bestätigungserklärung muss den Willen des Anfechtungsberechtigten eindeutig zum Ausdruck bringen, das Geschäft trotz Kenntnis der Anfechtbarkeit endgültig als wirksam gelten zu lassen. Die Parteien können ein Interesse hieran haben, wenn der Anfechtungsberechtigte das Geschäft wegen seiner Vorteilhaftigkeit trotz der Anfechtbarkeit gelten lassen will und die Rechtsunsicherheit bis zum Ablauf der Anfechtungsfrist beseitigt werden soll.

2. Indem K die Auflassung verlangt hat, hat er den Kaufvertrag bestätigt (§ 144 BGB).

Ja!

Die Bestätigung ist eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Damit muss bei der Auslegung der wahre Wille des Erklärenden ermittelt werden (§ 133 BGB). Die Bestätigungserklärung muss den Willen des Anfechtungsberechtigten eindeutig zum Ausdruck bringen, das Geschäft trotz Kenntnis der Anfechtbarkeit endgültig als wirksam gelten zu lassen. Mit dem Auflassungsverlangen bringt K zum Ausdruck, dass er weiterhin auf die Erfüllung der vertraglichen Pflichten des V besteht. Damit ist die Erklärung als Bestätigung des Kaufvertrages auszulegen. Unerheblich ist, dass K später seine Meinung ändert.

3. Die Bestätigung muss in der gleichen Form erfolgen wie das anfechtbare Rechtsgeschäft (hier: notarielle Beurkundung).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Bestätigung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form (§ 144 Abs. 2 BGB). Sie ist damit von der Neuvornahme des Rechtsgeschäfts i.S.d. § 141 Abs. 1 BGB zu unterscheiden, die die Einhaltung der Form erfordern würde. Dementsprechend ist auch eine konkludente Bestätigung eines Rechtsgeschäfts möglich. An die konkludente Bestätigung eines Rechtsgeschäfts sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen, da Teilnehmer am Rechtsverkehr in der Regel nicht auf Gestaltungsrechte (über deren Ausübung sie einseitig entscheiden können) verzichten.

4. K kann den Kaufvertrag wegen Inhaltsirrtums anfechten (§ 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde (Inhaltsirrtum). K befand sich in einem Inhaltsirrtum. Allerdings hat K den Kaufvertrag wirksam bestätigt. Damit ist die Anfechtung des Rechtsgeschäfts ausgeschlossen (§ 144 Abs. 1 BGB).

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S.

s.t.

3.9.2021, 17:38:27

Wieso geht man hier nicht von der Unverzüglichkeit der Anfechtungserklärung aus ? ... durch die Bestätigung mit dem Wissen darüber liegt keine unverzügliche Erklärung vor..

KATE

Kate

17.11.2021, 13:47:14

Würde sagen, es ist gar nicht nötig über die nicht fristgerechte Erklärung zu gehen, denn das Anfechtungsrecht ist aufgrund der Bestätigung an sich schon ausgeschlossen. Eine Erklärung wäre also gar nicht möglich gewesen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.11.2021, 10:38:01

Hallo ihr beiden, ihr habt beide in gewisser Weise recht. Schwerpunkt der Aufgabe ist die Behandlung des Ausschlusses der Anfechtung durch Bestätigung. Insoweit wird zu diesem Prüfungspunkt hineingezoomt und die übrigen Punkte nicht weiter behandelt. Sofern in einer Klausur die übrigen Punkte gänzlich unproblematisch sind, kann es sich auch hier anbieten, direkt unter Berufung auf die Bestätigung die Anfechtung auszuschließen oder die übrigen Punkte lediglich ganz kurz anzuschneiden. Folgt man dagegen den üblichen Prüfungsschemata, so wäre man zuvor schon zu dem Punkt der fristgemäßen Anfechtung gelangt. Unverzüglich heißt zwar nicht sofort. Insoweit darf man sich auch etwas Zeit lassen, um sich zB Rechtsrat einzuholen. Eine Woche dürfte hier indes definitiv nicht mehr unverzüglich sein, sodass die Anfechtung nicht nur wegen der Bestätigung ausgeschlossen ist, sondern ZUSÄTZLICH schon daran scheitert, dass die Voraussetzungen der wirksamen Anfechtung nicht vorliegen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SW

Swiss

6.11.2023, 22:40:23

Die nicht empfangsbedürftige Willenserklärung an sich, hier die Bestätigung, erzielt noch keine Rechtsfolge. Erst durch ihre Abgabe wird sie wirksam. Rechtsfolge ist dann der Verzicht auf das Anfechtungsrecht. Damit ist 144 I BGB ein einseitiges Rechtsgeschäft bestehend aus einer nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung?

SI

silasowicz

8.8.2023, 09:57:11

Reicht das bloße Verlangen folglich aus oder muss die Auflassung vollzogen sein?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.8.2023, 18:32:07

Hallo silasowicz, anders als bei der Heilung eines Formmangels (vgl. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB) bedarf es hier nicht zwingend der Vornahme der Auflassung. Bereits die Aufforderung zur Aufnahme stellte eine konkludente, einseitige Willenserklärung dar, durch die K zum Ausdruck bringt, am Vertrag festzuhalten. Dies genügt als Bestätigung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

16.9.2023, 17:39:47

Warum ist die Bestätigungserklärung nicht empfangsbedürftig? Bei Verträgen hat doch der andere Teil ein mitunter großes Interesse daran zu erfahren, ob er weiterhin mit einer Anfechtungserklärung rechnen muss.

SW

Swiss

7.11.2023, 13:19:40

handelt es sich bei 144 Abs. 1 um ein Rechtsgeschäft, das einseitig begründet wird durch die Abgabe einer nicht empfangsbedürftige Willenserklärung?  

LELEE

Leo Lee

11.11.2023, 20:51:11

Hallo Swiss, in der Tat handelt es sich bei § 144 I BGB um ein einseitiges Rechtsgeschäft, das in Gestalt einer Willenserklärung ergeht. Streitig ist hierbei (jedoch nicht unbedingt klausurrelevant), ob § 144 BGB empfangsbedürftig ist oder nicht. Nach der wohl h.M. + gesetzgeberischem Willen ist § 144 eine NICHT empfangsbedürftige Erklärung (also muss es der andere Teil nicht wahrgenommen haben) :). Hierzu kann ich vertiefend den MüKo-BGB 9. Auflage, Busche § 144 Rn. 4 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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