Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Formfreiheit und Grenzen

Formzwang des § 311b Abs. 1 BGB bei Nebenabreden

Formzwang des § 311b Abs. 1 BGB bei Nebenabreden

13. Februar 2025

9 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V verkauft an K in notarieller Urkunde ein Grundstück. Mündlich vereinbaren V und K, ohne dies zu beurkunden, eine Grundstücksfläche von 1.000 m² (Nebenabrede). V überträgt K das Eigentum am Grundstück (Auflassung und Eintragung, §§ 873, 925 BGB).

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Einordnung des Falls

Formzwang des § 311b Abs. 1 BGB bei Nebenabreden

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Nebenabrede über die Größe des Grundstücks ist formnichtig (§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Sinn und Zweck des gesetzlichen Formzwangs ist neben einem Schutz vor Übereilung beider Parteien auch die Beweissicherung. Beweissicherung durch notariellen Formzwang wird nur gewährleistet, wenn der gesamte Vertrag - einschließlich aller Nebenabreden - beurkundet ist. Sofern eine Nebenabrede, wie hier die Größe des Grundstücks, nicht beurkundet ist, ist diese nach §§ 311b Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 BGB nichtig.
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2. Der Kaufvertrag ist insgesamt formnichtig, weil die Vereinbarung über die Grundstücksfläche nicht beurkundet ist (§§ 139, 311b Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 BGB).

Nein!

Grundstückskaufverträge müssen einschließlich aller Nebenabreden notariell beurkundet werden (§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB). Wenn eine Abrede nicht beurkundet wurde, so ist der Vertrag im Zweifel gesamtnichtig (§ 139 BGB). Die Parteien wollen in der Regel jedoch keinen Vertrag schließen, der wegen Nichtbeurkundung von Nebenabreden nichtig ist. Zumal sie sich nicht darauf verlassen können, dass die an sich mögliche Heilung des Formmangels eintritt (§ 311b Abs. 1 S. 2 BGB). Auf eine Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Nebenabreden kommt es daher nicht an.

3. Die formnichtige Nebenabrede wurde durch Auflassung und Eintragung des K im Grundbuch geheilt (§ 311b Abs. 1 S. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Die Heilung eines formnichtige Grundstückkaufvertrages (§ 311b Abs. 1 S. 2 BGB) erfolgt dadurch, dass die Parteien die Auflassung erklären und die Eintragung des neuen Eigentümers ins Grundbuch erfolgt (§§ 873, 925 BGB). Die Heilung bezieht sich auf den gesamten Vertrag und damit auch auf die Nebenabreden. Auflassung und Eintragung des K ins Grundbuch sind erfolgt. Somit ist die Vereinbarung über die Größe des Grundstücks geheilt und damit wirksam.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MAR

Marlie

6.2.2023, 16:22:17

Habe ich es richtig verstanden, dass bei allen Formvorschriften die Nebenabreden mit vom

Formzwang

erfasst sind? Außerdem frage ich mich noch, ob eine formbedürftige Nebenabrede, bei welcher die nicht gewahrte Form geheilt worden ist, einen

Sachmangel

begründen könnte? Also z.B., wenn das Grundstück in dem Fall statt der vereinbarten 1000m2 nur 600m2 hat?

FL

Florian

9.2.2025, 19:59:36

Ich würde da ehrlich gesagt kein Problem sehen und darin ganz normal einen

Sachmangel

subsumieren, da dann ja ein wirksamer KV (auch diesbezüglich) geschlossen wurde und ein

Sachmangel

bestehen würde (vermutlich wegen Abweichung von Beschaffenheitsvereinbarung).

RAP

Raphaeljura

26.6.2023, 11:41:33

Wenn man dadurch den Notarzwang aushebeln kann, dann birgt das ja grundsätzlich die Möglichkeit diese Gebühren zu sparen. Dann könnte das ja jeder so anwenden?

Dogu

Dogu

2.11.2023, 09:23:58

Meine Gedanken als sachenrechtlicher Laie dazu: Dann hast Du aber bis zur Eigentumsübertragung keinen Anspruch. Für den Käufer sehr unschön, da der Verkäufer in einer solchen Konstellation Vorkasse verlangen dürfte und eine

Vormerkung

ist ohne verbindlichen Anspruch ja nicht zulässig. D.h. Du bist das Geld los, und trägst die Unsicherheit, dass das Grundstück am Ende noch an jemand anderen übertragen wird oder die Vorauszahlung perdu ist. Also ich würde mich als Käufer darauf nicht einlassen.

TO

TomBombadil

26.12.2023, 15:45:26

Wenn ich recht erinnere, gibt es Fragen nach der Formnichtigkeit, die ablehnend zu beantworten sind, weil die Formnichtigkeit geheilt wurde, in anderen Aufgaben (auch hier) ist zunächst festzustellen, dass die (Neben-)Abrede formnichtig ist, nur um anschließend auf eine mögliche Heilung einzugehen. Ich würde mir hier mehr Einheitlichkeit wünschen. Konkrete Aufgaben kann ich leider nicht benennen. Ich hoffe, mein Gedächtnis täuscht mich hier nicht.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

23.9.2024, 11:51:14

Hallo @[TomBombadil](23400), vielen Dank für Deinen Hinweis, das wollen wir natürlich gerne einheitlich handhaben. Leider wird es mit so einem pauschalen Hinweis schwierig, diejenige Aufgabe zu finden, auf die Du dich beziehst, weil wir selbst über die Suchfunktion wegen der mittlerweile erheblichen Zahl unserer Aufgaben und Fälle viele Ergebnisse kriegen. Deine Anfrage ist leider schon einige Zeit her, aber falls Du oder jemand anderes zufällig (noch einmal) über dasselbe Problem gestolpert ist, lasst es uns gerne wissen - idealerweise, indem Ihr uns die konkrete Aufgabe nennt. Am einfachsten geht das, indem Ihr den Link zur Aufgabe in Euren Post einfügt (Symbol mit dem Quadrat und dem nach rechts oben herausgehenden Pfeil über der Aufgabe anklicken ("Teilen"-Symbol), im sich dann öffnenden Menü ganz rechts auf die beiden überlappenden Quadrate, dann habt Ihr den Link in der Zwischenablage und könnt ihn zB mit Strg+v einfügen). Nach meiner nur groben Recherche habe ich auf den ersten Blick nichts gefunden, das ich für korrekturbedürftig halte. Evtl meintest Du diesen Fall hier zur

Handschenkung

: https://applink.jurafuchs.de/kbjSpgcF7Mb. Dort erfolgt der Vollzug aber gerade im gleichen Zeitpunkt wie die Vereinbarung der Schenkung. Dementsprechend gibt es keinen vorhergehenden Schenkungsvertrag, der geheilt werden könnte, und der Formzweck des Übereilungsschutzes greift hier ebenfalls nicht. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

BEN

benjaminmeister

21.11.2024, 09:46:17

@[Sebastian Schmitt](263562) wäre nicht der vorliegende Fall schon anpassungsbedürftig? Ich bin jetzt nämlich auch wieder drauf reingefallen und würde die erste Frage mit nein (Ist DIE Nebenabrede formnichtig?) beantworten, weil ja zum Ende des Sachverhalts Heilung eintritt und nicht ersichtlich ist, dass sich die Frage auf einen Zeitpunkt vor Auflassung bezieht. Entweder müsste man hier die erste Frage anpassen ("War die Nebenabrede zunächst formnichtig?") oder den Sachverhalt um die Auflassung kürzen und bei Frage drei dann danach fragen, ob die Nebenabrede geheilt wird, wenn jetzt noch die Auflassung erfolgt.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

24.11.2024, 12:02:23

Hallo @[benjaminmeister](216712), ja, der Punkt steht deswegen ohnehin schon auf der Liste für unsere nächste interne Runde. Wir brauchen für solche und ähnliche Fälle definitiv ein einheitliches Konzept, wie wir danach fragen, zB durch ein "grundsätzlich nichtig" oder "im Ergebnis nichtig" oder ähnliches. Das wird sich also hoffentlich demnächst klären. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

AN

Antonia

18.11.2024, 05:23:30

Was sind Nebenabreden? Sind das alle Vereinbarungen die nicht unter die essentialia negotii fallen?


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