Drohung mit Unterlassen

16. Januar 2025

4,8(4.269 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T installiert auf O’s Computer einen Virus, der alle Daten verschlüsselt. Beim Starten des Computers wird O eine Meldung eingeblendet, dass die Dateien erst bei Überweisung von 100 € auf ein Konto wieder nutzbar würden. O überweist. Eine Entschlüsselung der Daten erfolgt im Nachgang nicht, da T unentdeckt bleiben möchte.

Diesen Fall lösen 65,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Drohung mit Unterlassen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei einer Drohung mit einem Unterlassen kommt es nach dem BGH auf eine Garantenstellung des Täters an.

Nein!

Eine Garantenstellung ist bei einem Unterlassen nach dem BGH nicht erforderlich. Vielmehr kommt es bei einem Unterlassen nach dem BGH nur darauf an, dass von dem Betroffenen nicht erwartet werden kann, der Bedrohung in besonnener Selbstbehauptung standzuhalten.Teile der Literatur verlangen dagegen, dass eine Garantenstellung bestehen muss (Garantenpflichttheorie) oder eine Rechtspflicht zum Handeln (allgemeine Pflichttheorie). Dagegen spricht, dass das Gesetz allein an die die Wirkung auf das Opfer anknüpft, nicht dagegen an den Pflichtenkreis des Täters.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. T hat O mit einem empfindlichen Übel gedroht

Genau, so ist das!

Vorliegend würde ein besonnener Mensch grundsätzlich einen vergleichsweise geringen Betrag von nur €100 leisten, um die Möglichkeit zu haben wieder Zugriff auf persönliche und berufliche Dateien zu erhalten. Gerade bei einer Drohung mit einem Unterlassen musst Du allerdings auf Ebene der Rechtswidrigkeit sorgfältig prüfen, inwiefern die Drohung auch „verwerflich“ ist. Daran kann es insbesondere fehlen, wenn dem Opfer lediglich weitere Handlungsspielräume eröffnet werden (Stichwort: Drohung mit dem Unterlassen rechtmäßiger Handlung). Vorliegend ergibt sich die Verwerflichkeit bereits daraus, dass schon das Zugang Verschaffen zu Os Computer rechtswidrig war (vgl. § 202a StGB).
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Querky

Querky

7.5.2024, 14:25:08

was meint man mit der Aussage: dem Opfer könnten weitere Handlungsspielräume eröffnet werden?

Major Tom(as)

Major Tom(as)

21.11.2024, 11:59:51

Hey Querky, Dabei geht es um Fälle, in dem keine bestehenden Rechtsgüter in Gefahr sind, sondern die Rechtsposition des Opfers verbessert würde (hier: "weitere Handlungsspielräume eröffnet würden"). MaW wird "die Autonomie seiner Entschlüsse jedoch nicht in strafwürdiger Weise angetastet". Bsp.: "Ich als Personalchefin werde mich nur dann für dich als Bewerberin auf die Stelle einsetzen, wenn du mir 10.000€ bezahlst".

Drohung

(+), weil ansonsten die Jobchancen schlecht aussehen ("Einfluss auf ein

empfindliches Übel

"), aber Rechtswidrigkeit (-), ich muss mich nicht für dich als Bewerberin einsetzen. (Man kann aber in meinem Fall mit Roxin auch schon die

Drohung

ablehnen) Ein etwas "düstereres" Beispiel gibt es bei "BGH, Beschluß vom 13-01-1983 - 1 StR 737/81": Unterlassen der Anzeige eines Diebstahls (rechtlich nicht geboten), wenn die Ertappte mit dem Täter schläft. Damit ist die Autonomie der Entschlüsse der "Diebin" nicht in strafwürdiger Weise angetastet (sie kann alternativ ihren Diebstahl zugeben/ die Anzeige zulassen), sie hat nun nur eine (wenn auch nicht besonders attraktive) "weitere Handlungsmöglichkeit" , um die Strafverfolgung abzuwenden. --> In anderen, ähnlichen "Anzeigefällen" wurde

§ 253 StGB

allerdings bejaht, dementsprechend ist sich der BGH da anscheinend selbst "unsicher". Vielleicht hilft dir das ja (trotzdem) :)

AM

Api M.

23.10.2024, 12:15:44

Kommt hier durch die Installation des Virus keine Garantenstellung aus Ingerenz in Betracht? Ich verstehe nicht, weshalb die Rspr. auf das Merkmal der Garantenstellung

verzicht

et.

LELEE

Leo Lee

16.11.2024, 09:37:06

Hallo Api M., vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat könnte man hier auf den ersten Blick meinen, es liege ein Fall der Ingerenz vor. Beachte allerdings, dass die

Drohung

eine "neue" Handlung und damit eine komplett andere "Tat" ist. Denn eine Unterlassen aufgrund Ingerenz durch Installation des Virus wäre dann einschlägig, wenn wir etwa die Auswirkungen des Virus - weil der Täter es unterlässt, das Virus zurückzuziehen - diskutieren würden. Hier geht es aber um eine "neue" Handlung, und zwar um die

Drohung

, die zwar auch, aber nicht unmittelbar aufgrund "Nichtzurückziehens" des Virus passiert. Vielmehr ist das Virus hier ein Mittel, das gerade erforderlich ist, um das endgültige Ziel zu erreichen. Und innerhalb der

Drohung

fordert der BGH keine Garantenstellung. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Sander § 263 Rn. 10 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

MAG

Magnum

11.12.2024, 18:36:43

@[Leo Lee](213375) Danke schon mal für die Antwort. Eine Nachfrage hätte ich: Für Ingerenz müsste dann das Übel, zu dessen Behebung der Täter verpflichtet wäre, direkt aus dem Virus resultieren? Und weil das Übel nur Bezug auf den Virus nimmt, ist Ingerenz nicht einschlägig? Bedeutet das, dass eine Handlungspflicht aus Ingerenz immer nur diejenigen Handlungen umfasst, die unmittelbaren Folgen der "Ingerenz-begründenden" Handlung sind?

WB

WB

19.11.2024, 11:52:31

Weshalb bedarf es in dieser Konstellation keiner weiteren Erläuterung, dass T unentdeckt bleiben möchte. Er vermittelt ja gerade nicht, dass er Einfluss auf das Übel hat. Ist dies bei Unterlassenskonstellationen nicht erforderlich?


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen