Motorroller-Fall (APR und besondere Persönlichkeitsrechte)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Promi P lässt sich für ein Fotoshooting auf einem Motorroller ablichten. Später verwendet der Hersteller H des Motorrads die Bilder unter Nennung des Namens von P für Werbezwecke. Die Zustimmung des P hat H absichtlich nicht eingeholt.
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Einordnung des Falls
Motorroller-Fall (APR und besondere Persönlichkeitsrechte)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass ein besonders geschütztes Rechtsgut verletzt wurde.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. P hat einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verwendung seines Bildes (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 22 KunstUrhG).
Ja, in der Tat!
3. P hat eine Verletzung seines Rechtsguts "Name" erlitten, indem H ihn in der Werbekampagne genannt hat (§ 823 Abs. 1 i.V.m. § 12 BGB).
Nein!
4. H hat in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des P eingegriffen, indem er ihn zu Werbezwecken verwendet hat (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG).
Genau, so ist das!
5. Dieser Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des P ist auch rechtswidrig.
Ja, in der Tat!
6. P kann einen Schaden in Höhe des Geldes geltend machen, welches er bei Abschluss eines Werbevertrags erhalten hätte.
Ja!
7. Sofern P durch die Veröffentlichung des Bildes ein Gewinn entgangen ist, kann er diesen als Schaden verlangen.
Ja, in der Tat!
8. Sofern H durch die Persönlichkeitsverletzung kausal etwas erlangt hat, könnte P diesen „Verletzergewinn“ herausverlangen.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
dC20
24.11.2020, 15:29:31
Vielleicht könnte man in den Sachverhalt noch mit einfließen lassen, dass das Fotoshooting unentgeltlich war?!
Eigentum verpflichtet 🏔️
24.11.2020, 16:56:25
Hallo dC20, welche rechtlichen Auswirkungen hat die Unentgeltlichkeit des Fotoshootings für den Anspruch gegen den Dritten H deiner Meinung nach?
dC20
24.11.2020, 17:29:55
P hat bei Unentgeltlichkeit des Shootings einen Anspruch gegen H. Jedoch, wenn das Fotoshooting vergütet wurde, hätte P gegen H keine Anspruch mehr (§ 22 S. 2 KunstUrhG). Ich war nur etwas irritiert. Aus dem SV ging nicht direkt hervor, ob P für das Fotoshooting vergütet wurde, wovon ich allerdings bei einem Promi ausgehe. Aber die Lösung scheint wohl eher auf eine Unentgeltlichkeit angelegt zu sein.
Mr_Monsense
8.12.2020, 17:27:14
Hallo dC20, es geht aber doch aus dem SV nicht deutlich hervor, dass H das Shooting hat durchführen lassen (und P dann wohl entlohnt hätte). Vielmehr lese jedenfalls ich den Fall so, dass das Shooting von einer Dritten Partei durchgeführt wurde und H die Bilder dann einfach verwendet (was dann auch die Rechte des Dritten verletzen müsste...). Da sich § 22 S. 2 KunstUrhG aber auf S. 1 bezieht, kann seine Regelung nur auf Fälle angewendet werden, in denen der Verwender des Fotos auch der Urheber ist. Was hier ja offenbar nicht zwingend der Fall ist. Berechtigt ist der Einwand wohl dennoch, da eine Information über den Urheber des Fotos hier viel zur Klärung beitragen könnte.
Tr(u)mpeltier junior
8.12.2020, 02:48:52
Liebes Jurafuchs -Team, die Antwort dieses Falles greift mE nach etwas zu kurz. Richtig ist, dass die lizenzanalogie idR das Mittel der Wahl bei klagen im Kontext mit
APRVerletzungen ist. Grund hierfür ist, dass sich dies am leichtesten beziffern und beweisen lässt. Jedenfalls kursorisch könnte man aber darauf hinweisen, dass dies dennoch nur eine von 3 berechnungsmetoden ist. Alternativ kann der Geschädigte nämlich auch kausale Schäden geltend machen (zB weggebrochene Werbeaufträge) bzw den sog Verletzergewinn heraus verlangen. Da dies praktisch mit erheblichen beweisschwierigkeiten einhergeht, bleibt die lizenzanalogie aber natürlich idR das bevorzugte Mittel.
Lukas_Mengestu
9.11.2021, 16:59:53
Vielen Dank, Tr(u)mpeltier junior. Wir haben die Aufgabe insoweit ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Isabell
11.1.2022, 10:38:03
Lukas_Mengestu
13.1.2022, 11:30:45
Hallo Isabell, das Gericht hatte sich im Originalfall überhaupt nicht mit der Verletzung des
APRdurch Gebrauchs des Namens befasst, sondern allein auf das Bildnis abgestellt. In der
Tatlässt sich hier nicht zweifelsfrei sagen, ob die Namensnennung im vorliegenden Fall einen wertenden Inhalt hat, weswegen wir den Hinweistext dahingehend relativiert haben. Dass aber auch die bloße Verwendung des Namens der Meinungsfreiheit unterstehen kann, zeigt der Fall BGH, Urt. v. 5.6.2008 - I ZR 96/07 = GRUR 2008, 1124, wo der (verkürzte) name des Prinzen Ernst August von Hannover für eine satirische Zigarettenwerbung gebraucht wurde. Hier überwog nach Ansicht des BGH sogar die Meinungsfreiheit. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Rick-energie🦦
10.8.2022, 07:58:09
Besteht eine normative Anknüpfung für die Herausgabe des von P erwirtschafteten Gewinns? In den §§ 249ff. fällt es mir schwer, das zu verorten und würde es eher bei §§ 812 I S1. Alt2, 818 I thematisieren, als bei § 823.
Nora Mommsen
16.8.2022, 11:26:29
Hallo Rick-dich, ich vermute du meinst die Heraugabe des von H erwirtschafteten Gewinns? Dies ist im Patent-, Marken-, Geschmacksmusterrecht zum Teil explizit kodifiziert. Ansonsten ist es ständige Rechtsprechung seit dem Reichsgericht, dass die § 687 Abs. 2,
667 BGBrechtsähnlich angewandt werden müssen. Die Schadensberechnung nach dem Verletzergewinn beruhe auf der Erwägung, dass der Verletzer sich so behandeln lassen müsse, als ob er das Patent (oder Bild etc.) lediglich in Geschäftsführung für den Inhaber benutzt hätte. Der BGH hat diese Begründungslinie aufgegriffen und die Herausgabe des Verletzergewinns als Schadensersatz mit einer rechtsähnlichen Anwendung der §§ 687 Abs. 2,
667 BGBbegründet. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
yangbo
21.4.2023, 17:28:03
vielleicht habe ich das überlesen, aber das gibt es dann alternativ, oder? ist ja ohnehin schon ziemlich grenzwertig, was den grundsatz vom bereicherungsverbot angeht…
evanici
11.9.2023, 11:31:08
Wäre es nicht sogar die doppelte Lizenzgebühr? Oder beschränkt sich diese Art von Schadensersatz auf "reine" Urheberrechtsverletzungen?
evanici
11.9.2023, 11:33:14
Ach und § 12 wäre -sofern er tangiert wäre- dann über § 823 I als absolut geschütztes Recht betroffen und nicht als Schutzgesetz i.S.d. II?
Geldhatmanzuhaben
3.8.2024, 10:11:05
Das Namensrecht ist über § 823 l BGB als Ausprägung des
APRgeschützt. § 12 BGB ist als Schutzgesetz über § 823 ll BGB geschützt.
Martin
19.2.2024, 17:28:43
Liebes Jurafuchs-Team, Wird nicht beim Recht am eigenen Bild ausnahmsweise (trotz
APR) die
Rechtswidrigkeit indiziert, da es durch das KUG klar umrissen ist? LG Martin
carlotka
2.9.2024, 13:46:53
Das habe ich mich auch gerade gefragt. Liegt hier nicht bereits die
Rechtswidrigkeit vor, weil keine gem. § 22 KunstUrhG notwendige Einwilligung vorliegt?
Laura
5.11.2024, 10:38:17
Wenn ich das richtig verstanden habe, kann P sowohl über §
823 II BGBi.V.m. § 22 KunstUrhG als auch über § 823 I BGB (Allgemeines Persönlichkeitsrecht als absolutes Recht) Schadensersatz geltend machen. Bestehen die beiden Ansprüche denn nebeneinander? Oder habe ich vielleicht doch etwas falsch verstanden?