Motorroller-Fall (APR und besondere Persönlichkeitsrechte)


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Klassisches Klausurproblem

Promi P lässt sich für ein Fotoshooting auf einem Motorroller ablichten. Später verwendet der Hersteller H des Motorrads die Bilder unter Nennung des Namens von P für Werbezwecke. Die Zustimmung des P hat H absichtlich nicht eingeholt.

Einordnung des Falls

Motorroller-Fall (APR und besondere Persönlichkeitsrechte)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass ein besonders geschütztes Rechtsgut verletzt wurde.

Genau, so ist das!

Ein Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass ein absolut geschütztes Recht eines anderen verletzt wurde. Absolute Rechte sind solche, die gegenüber jedermann gelten, also nicht nur relativ zwischen den Parteien (lat. inter partes). Geschützt werden das Leben, der Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder das Eigentum eines anderen sowie sonstige absolute Rechte (sog. Rahmenrechte). Nicht geschützt ist insbesondere das bloße Vermögen oder Gewinnchancen. Hier unterscheidet sich das Deliktsrecht vom vertraglichen Schadensersatzrecht.

2. P hat einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verwendung seines Bildes (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 22 KunstUrhG).

Ja, in der Tat!

§ 823 Abs. 2 BGB setzt ein Schutzgesetz voraus. Ein Schutzgesetz ist jede materielle Rechtsnorm, die nicht allein den Schutz der Allgemeinheit bezweckt, sondern gerade darauf gerichtet ist, den einzelnen oder einen bestimmten Personenkreis vor Verletzungen zu bewahren. Durch § 22 KunstUrhG soll sichergestellt werden, dass jeder darüber entscheiden darf, welche Bilder von seiner Person im Umlauf sind. Es schützt somit ein besonderes Persönlichkeitsrecht. Mit der Verwendung des Bildes ohne die Einwilligung des P wurde es auch verletzt. Dies geschah auch rechtswidrig und vorsätzlich.

3. P hat eine Verletzung seines Rechtsguts "Name" erlitten, indem H ihn in der Werbekampagne genannt hat (§ 823 Abs. 1 i.V.m. § 12 BGB).

Nein!

Der von § 12 BGB geschützte Namensgebrauch ist von der bloßen Namensnennung abzugrenzen. Ein Namensgebrauch liegt nur vor, wenn das bestimmte Produkt dem Namen zugeordnet wird und dadurch im Verkehr eine Verwechslung droht (Zuordnungsverwirrung). Eine solche Verwechslung droht hier nicht. Den Namen des P in Verbindung mit einer Sachaussage zu verwenden, führt nicht dazu, dass der Motorroller mit seinem Namen assoziiert wird. Es kam lediglich auf die Persönlichkeit des P als Werbemittel an, die gesetzt wurde. Anders würde es sich darstellen, wenn H einen Motorroller zum Beispiel als "P-Edition" veröffentlichen würde.

4. H hat in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des P eingegriffen, indem er ihn zu Werbezwecken verwendet hat (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG).

Genau, so ist das!

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt als negative Ausschlussfunktion das Recht "in Ruhe gelassen zu werden" und in positiver Hinsicht die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Handlungsfreiheit. Die Intensität des Eingriffs in das APR kann in die (1) Sozialsphäre, (2) Privatsphäre und (3) Intimsphäre unterteilt werden. Je intensiver der Eingriff, desto schwerer ist er zu rechtfertigen. Hier hat H ohne Zustimmung des P zu einer kommerziellen Nutzung Informationen aus dessen persönlichen Bereich (Name und Bild) weitergegeben. Dadurch hat er auch wirtschaftliche Interessen des P verletzt. Damit ist der Schutzbereich des APR tangiert.

5. Dieser Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des P ist auch rechtswidrig.

Ja, in der Tat!

Grundsätzlich wird die Rechtswidrigkeit indiziert. Aufgrund des flexiblen Tatbestandes muss bei einer Verletzung des APR die Rechtswidrigkeit allerdings durch eine Güter- und Interessenabwägung festgestellt werden. Als Gegenrecht des H kommt die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) in Betracht. Zwar kann die öffentliche Erwähnung einer Person oder eine öffentliche Aussage dem Schutz der Meinungsfreiheit unterliegen, sofern sie einen meinungsbildenden, wertenden Inhalt hat. Dabei muss es aber grundsätzlich der persönlichen Entscheidung eines jeden überlassen bleiben, ob er diese auch zu Werbezwecken einsetzen will. Daher kann das Interesse des H nicht das Interesse des P überwiegen.

6. P kann einen Schaden in Höhe des Geldes geltend machen, welches er bei Abschluss eines Werbevertrags erhalten hätte.

Ja!

Ein Schaden ist jede unfreiwillige Vermögenseinbuße, die auf der Rechtsgutsverletzung beruht. Die Ersatzfähigkeit des Schadens richtet sich nach den §§ 249ff. BGB. Niemand soll durch den Eingriff in vermögenswerte Rechte besser gestellt werden, als er im Falle einer durch den Rechtsinhaber ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis gestanden hätte. Daher wird der Schade in seiner Höhe auf das Entgelt beziffert, welches der Abgebildete normalerweise für die Verwendung der Bilder hätte verlangen können (Lizenzanalogie). Somit kann P von H denjenigen Betrag verlangen, der ihm normalerweise für Werbezwecke gezahlt werden würde.

7. Sofern P durch die Veröffentlichung des Bildes ein Gewinn entgangen ist, kann er diesen als Schaden verlangen.

Ja, in der Tat!

Der Geschädigte einer Persönlichkeitsverletzung kann als Schaden auch den konkreten Vermögensschaden in Form eines entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) geltend machen.Sofern P durch die Veröffentlichung anderweitig eine kausale Gewinneinbuße erlitten hat (z.B. durch einen geplatzten Werbevertrag), kann er diesen entgangenen Gewinn statt der abstrakten Lizenzgebühr als Schaden geltend machen.In der Regel wird es indes schwierig sein, eine kausale Gewinneinbuße nachzuweisen.

8. Sofern H durch die Persönlichkeitsverletzung kausal etwas erlangt hat, könnte P diesen „Verletzergewinn“ herausverlangen.

Ja!

Neben der Kompensation des entgangenen Gewinns (konkreter Schaden) und der Lizenzanalogie (abstrakter Schaden) steht dem Verletzen bei Persönlichkeitsverletzungen auch noch die Möglichkeiten offen, den Gewinn, den der Schädigen erlangt hat, herauszuverlangen (Grundsatz der dreifachen Schadensberechnung).Sofern P nachweisen kann, dass H durch die Verwendung des Bildes einen kausalen Vermögensvorteil erlangt hat, könnte er diesen von H herausverlangen.Die dreifache Schadensberechnung ist im Urheberrecht auch explizit kodifiziert (§ 97 Abs. 2 UrhG).

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