Streupflicht (Pflicht zur Handlung aus Verkehrssicherungspflichten)


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A läuft im Winter um 10:00 Uhr auf dem Gehsteig vor dem Grundstück der E entlang. Auf dem Gehsteig hat sich in der Nacht Glatteis gebildet, weil E nicht gestreut hat. A rutscht daraufhin aus und bricht sich ein Bein.

Einordnung des Falls

Streupflicht (Pflicht zur Handlung aus Verkehrssicherungspflichten)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E hat den Körper und die Gesundheit des A durch Unterlassen verletzt.

Genau, so ist das!

Eine Verletzungshandlung kann jedes Tun, Dulden oder Unterlassen sein, das durch beherrschbares menschliches Verhalten gesteuert werden kann. Aktives Tun liegt vor, wenn jemand eine Gefahr für ein fremdes Rechtsgut begründet oder erhöht. Ein Unterlassen liegt vor, wenn eine bestehende Gefahr, ohne sie durch ein Tun zu erhöhen, nicht abgewendet wird. Die Abgrenzung erfolgt - wie im Strafrecht - nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit. E hat nicht aktiv dazu beigetragen, dass der Gehsteig glatt ist. Sie hat jedoch die bestehende Gefahr durch das Eis auch nicht verringert. Damit liegt ein Unterlassen vor.

2. Ein Unterlassen ist nur rechtlich relevant, wenn eine Pflicht bestand, tätig zu werden.

Ja, in der Tat!

Es besteht keine allgemeine Rechtspflicht, Dritte vor Gefahren zu schützen. Die Schädigung durch Unterlassen bildet damit eine Ausnahme. Notwendig ist, dass den Schädiger die Pflicht zum Handeln traf. Diese kann sich aus Verkehrssicherungspflichten oder einer Garantenstellung ergeben.

3. E trifft eine Verkehrssicherungspflicht zur Streuung des Gehsteigs vor ihrem Haus.

Ja!

Verkehrssicherungspflicht bedeutet: Wer eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, muss die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter treffen. Dem Verpflichteten muss die Gefahrenquelle zugerechnet werden und er muss die Möglichkeit haben, die Gefahr zu beherrschen. Der Gehsteig vor dem eigenen Grundstück gehört zum Verantwortungsbereich eines jeden Grundstückseigentümers. Der Eigentümer muss die erforderlichen und ihm zumutbaren Vorkehrungen treffen, um Dritte vor Gefahren zu schützen. Bei Winterglätte muss der Gehsteig zu den üblichen Verkehrszeiten von Eis befreit werden. E trifft als Grundstückseigentümerin die Verkehrssicherungspflicht, den Gehsteig vor ihrem Haus zu streuen.

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Isabell

Isabell

27.7.2020, 08:14:31

Hier fehlt die Angabe der Uhrzeit, wann es zum Sturz gekommen ist. Ohne lässt sich gar nicht feststellen, ob er sich in den verkehrsüblichen Zeiten ereignet hat. Und "nicht gestreut hat" ist extrem ungenau. Zumal das Streuen mit Salz meines Wissens nach für Privatpersonen auf öffentlich zugänglichen Wegen verboten ist.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

29.7.2020, 22:43:35

Hallo Isabell, danke für den Hinweis, wir haben die Uhrzeit ergänzt! Gestreut werden kann, außer mit Salz übrigens auch mit Splitt oä. wodurch die Bodenhaftung verbessert wird.

IUS

iustus

30.1.2021, 15:57:44

Salz ist erlaubt, Streuen mit Asche ist verboten.

Isabell

Isabell

15.3.2021, 07:38:53

Guten Morgen iustus, In NRW ist das Streuen mit Salz für Privatpersonen grundsätzlich verboten.

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

18.2.2021, 07:48:38

Mag sein, dass ich nur auf dem Schlauch stehe 😅 aber irgendwie finde ich die Zeitverhältnisse im Fall verwirrend 🤔 Im SV steht 10:00 Uhr, nach dem Bild mit Mond und schwarzem Himmel müsste damit 22 Uhr abends/nachts gemeint sein. Was bedeutet es dann, dass sich "in der Nacht" Eis gebildet hat? In der Nacht des vorherigen Tages? Oder ist vor 22 Uhr schon Nacht (für mein Gefühl eher Abend)? Und fällt 22 Uhr dann unter die üblichen Verkehrszeiten der letzten Frage? Da wäre eine

Konkretisierung

und Subsumtion in der Erklärung schön :)

Marilena

Marilena

18.2.2021, 08:04:37

Hallo TeamRahad, danke für den wertvollen Hinweis! Das ist tatsächlich mehrdeutig. Ich glaube, die Uhrzeit (es soll 10 Uhr morgens gemeint sein) wurde erst nachträglich im Sachverhalt ergänzt. Die Illustration passt aber natürlich nicht mehr dazu. Wir lassen sie ändern. Danke Dir für die Mithilfe und liebe Grüße für das Jurafuchs-Team, Marilena

CI

Cillar

20.2.2023, 12:20:18

Muss ja ein künstlerisches Meisterwerk werden, wenn an dem Bild schon 2 Jahre gearbeitet wird 😅.

MER

Merida

6.6.2023, 12:58:53

Vielleicht knacken wir auch noch die 3 Jahre mit dem passenden Bild 😅👌🏻

SCH

Schwanzanwaltschaft

8.2.2024, 12:39:51

Moin Moin, gibt es eine Norm aus der sich ergibt, dass das Streuen vor dem eigenen Grunstück zum Verantwortungsbereich des Eigentümers gehört.

LELEE

Leo Lee

10.2.2024, 17:32:38

Hallo Schwanzanwaltschaft, vielen Dank für diese sehr gute Frage! Du hast zunächst mal völlig Recht: Die Verkehrspflicht an sich ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Vielmehr ist dieses Konzept eine Schöpfung der (Rechtsprechungs)Praxis. So „erfand“ das Reichsgericht im Jahre 1902 diese Pflicht mit dem Satz: „ein jeder für die Beschädigung durch seine Sachen insoweit aufkommen solle, als er dieselbe bei billiger Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen hätte verhüten können“ (interessanterweise bezog sich gerade diese erste Entscheidung ebenfalls auf öffentliche Wege!). Somit lautet die Antwort auf deine Frage: Verkehrssicherungspflichten sind eine Erfindung der Rechtsprechung, die von der Verletzungshandlung herrührt (dort, weil nicht aktiv etwas getan wird, sondern eine „sichere Lage“ nicht geschaffen wird). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Wagner § 823 Rn. 482 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

AY

aylin.

11.4.2024, 00:46:04

Hätte man ein Unterlassen des Hausbewohners auch annehmen müssen, wenn der Nachbar gegen 4/5 Uhr ausgerutscht wäre? Bis 10 Uhr hätte man ein streuen von Salz ohne weiteres zumuten können, aber wenn der Nachbar schon gegen 4/5 Uhr das Haus verlässt, müsste dieser ja mitten in der Nacht seiner eigentlichen Pflicht nachkommen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

11.4.2024, 11:02:09

Hallo aylin, der Umfang der Verkehrssicherungspflichten ist immer im Einzelfall zu ermitteln. Die Schneeräum- und Streupflicht gilt üblicherweise aber werktags tatsächlich erst ab 7 Uhr bzw. an Wochenend- und Feiertagen ab 8 Uhr. Eine Pflicht bereits vorher zu streuen besteht dann nicht und entsprechend liegt dann auch kein pflichtwidriges Unterlassen vor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JES

Jessica

5.6.2024, 13:59:34

Ist die Verkehrssicherungspflicht nicht grundsätzlich dasselbe wie die Überwachergarantenstellung in grün?

dario.b

dario.b

11.6.2024, 20:30:31

Würde ich so sagen ja


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