Zivilrecht

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Ablehnung der Mängelbeseitigung durch Mieter – Minderung und Zurückbehaltungsrecht

Ablehnung der Mängelbeseitigung durch Mieter – Minderung und Zurückbehaltungsrecht

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M wohnt bei V zur Miete (€500 /Monat). Mängelbedingt mindert er ab Juli 2020 die Miete (zu Recht) um €50 und hält weitere €200 zurück. M streitet mit V vor Gericht um die Minderung. Im April 2021 lehnt M die angebotene Mängelbeseitigung als „Beweisvernichtung“ ab. Im Juni kündigt V fristlos.

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Einordnung des Falls

Ablehnung der Mängelbeseitigung durch Mieter – Minderung und Zurückbehaltungsrecht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V verlangt Räumung und Herausgabe der Wohnung. Als Anspruchsgrundlage kommt § 546 Abs. 1 BGB in Betracht.

Genau, so ist das!

Diese vertragliche Anspruchsgrundlage ist, wenn die Beendigung eines Mietverhältnisses infrage steht, stets vorrangig zu prüfen. Daneben sind zwar weitere Ansprüche denkbar, etwa aus § 985 BGB und § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB. Der Anspruch aus § 546 Abs. 1 BGB weist aber die Besonderheit auf, dass er grundsätzlich unabhängig vom Besitz des Mieters besteht und zusätzlich auf die Entfernung von Einrichtungen gerichtet ist (Weidenkaff, in: Palandt, 80.A. 2021, § 546 RdNr. 4ff.). Voraussetzung für den Anspruch ist, dass (1) ein wirksames Mietverhältnis bestand, das (2) mittlerweile beendet ist.
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2. Die fristlose Kündigung könnte den Mietvertrag beendet haben. Rechtsgrundlage für die Kündigung ist § 314 Abs. 1 S. 1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Für die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund ist bei Mietverträgen § 543 BGB lex specialis. Vorliegend handelt es sich ferner um Wohnraummiete, sodass gemäß § 549 Abs. 1 BGB für die Kündigung ergänzend § 569 BGB gilt.

3. V stützt die Kündigung offenbar auf die ausgebliebenen Mietzahlungen des M. Als Rechtsgrundlage hierfür kommt § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB in Betracht.

Ja!

Gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB liegt ein wichtiger Grund im Sinne des Abs. 1 S. 1 vor, wenn der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

4. Für den Schuldnerverzug ist stets eine Mahnung erforderlich.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs sind in § 286 BGB geregelt. Danach erfordert der Verzug des Schuldners: (1) Nichtleistung (2) auf eine fällige Forderung (Abs. 1), (3) Mahnung nach Eintritt der Fälligkeit oder Entbehrlichkeit der Mahnung (Abs. 2) und (4) Vertretenmüssen des Schuldners (Abs. 4). Als ungeschriebene Voraussetzung erfordert der Verzug weiter, dass (5) der Anspruch auch durchsetzbar, also insbesondere einredefrei, ist (Grüneberg, in: Palandt, 80.A. 2021, § 286 RdNr. 9ff.).

5. Der Anspruch auf Mietzahlung wird regelmäßig zum dritten Werktag des jeweiligen Monats fällig. Verzug kann deshalb auch ohne Mahnung eintreten.

Ja, in der Tat!

Gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist die Mahnung entbehrlich, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. M hat von V Wohnraum gemietet. Gemäß §§ 549 Abs. 1, 556b Abs. 1 BGB wird bei Wohnraummiete die Mietzahlung spätestens zum dritten Werktag desjenigen Zeitabschnitts fällig, nach dem die Miete bemessen ist. Die Miete ist vorliegend monatsweise bemessen, sodass sie jeweils zum dritten Werktag jedes Monats fällig wird. Sie ist also im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB kalendermäßig bestimmt, weshalb Verzug regelmäßig auch ohne Mahnung eintreten kann.

6. M hat jedoch ab Juli 2020 einen Teil der Miete gemäß § 320 BGB zurückgehalten, sodass die Mietforderungen zunächst nicht durchsetzbar waren.

Ja!

Gemäß § 320 Abs. 1 S. 1 BGB darf bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner seine Leistung verweigern, solange der Gläubiger seine Gegenleistung noch nicht erbracht hat. M war gemäß § 535 Abs. 2 BGB zur Mietzahlung verpflichtet. Als Gegenleistung musste V die Mietsache M überlassen und sie in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand erhalten, also insbesondere Mängel beseitigen (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Folglich durfte M bis zur Mängelbeseitigung die Miete bzw. einen angemessenen Teil davon (§ 320 Abs. 2 BGB) zurückhalten.

7. Das Leistungsverweigerungsrecht des M bestand auch noch im Zeitpunkt der Kündigung, da M die Mängelbeseitigung wegen „Beweisvereitelungsgefahr“ verweigern durfte.

Nein, das ist nicht der Fall!

BGH: Auf das Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB könne sich der Schuldner nicht berufen, wenn er seinerseits den Empfang der Gegenleistung ungerechtfertigt verweigere. (RdNr. 40) BGH: „Beweisvereitelungen“ seien durch die angebotene Mängelbeseitigung nicht zu befürchten gewesen. Vielmehr seien die Mängel auch im Falle ihrer Beseitigung etwa durch zuvor angefertigte Lichtbilder oder durch das Zeugnis der mit der Mängelbeseitigung befassten Handwerker beweisbar (RdNr. 52). Das Leistungsverweigerungsrecht des M sei deshalb mit der Erklärung, die Mängelbeseitigung nicht dulden zu wollen, entfallen (RdNr. 53).

8. M befand sich deshalb seit der Ablehnung der Mängelbeseitigung hinsichtlich der gesamten einbehaltenen Miete in Schuldnerverzug.

Ja, in der Tat!

BGH: Mit dem Wegfall der Einrede seien alle einbehaltenen Beträge sofort zur Zahlung fällig geworden und M deshalb insoweit in Verzug geraten (RdNr. 18, 41, 53). Achtung: Mit einer etwaigen Mahnung hat sich der BGH nicht weiter befasst. Er geht wohl davon aus, dass mit dem Annahmeverzug des M hinsichtlich der Mängelbeseitigung automatisch Schuldnerverzug hinsichtlich der Gegenleistung (Mietzahlung) eintritt; oder er hält trotz der zwischenzeitlich bestehenden, verzugshemmenden Einrede aus § 320 BGB weiterhin § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB für anwendbar. In der Literatur wird teilweise beides abgelehnt und deshalb bestritten, dass M vorliegend überhaupt in Verzug geraten ist (dazu Streyl, NJW 2019, 2312).

9. Die fristlose Kündigung der V ist wirksam. Sie kann deshalb gemäß § 546 Abs. 1 BGB Räumung und Herausgabe der Wohnung von M verlangen.

Ja!

Die Kündigung ist wirksam, wenn zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung ein wichtiger Grund gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB vorlag. Ende Mai hatte M bereits 11 Monate lang je €200 Miete, also insgesamt €2200, nunmehr unberechtigt einbehalten und befand sich mit der Zahlung in Verzug. Dieser Betrag erreicht die Miete für zwei Monate (€1000) und erstreckt sich auf einen Zeitraum über mehr als zwei Termine. V hat das Mietverhältnis damit wirksam gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB gekündigt und kann nun Räumung sowie Herausgabe der Wohnung verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

27.10.2021, 08:23:37

Aus dem Sachverhalt geht mE nicht klar hervor, wie viel M genau einbehält. Man könnte die Angaben auch so verstehen, dass M monatlich nur 50€ Minderung geltend macht und die zusätzlichen 200€ nur einmalig im Juli zurückhält (aus weichem Grund auch immer). Jedenfalls bedeuten 50€ "und ... weitere" 200€ eine Summe von 250€, sodass ich nicht auf die monatlich 200€ aus der letzten Antwort gekommen wäre ;)

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

27.10.2021, 08:27:43

Und dann noch eine Verständnisfrage: Nach Ansicht des BGH ist eine Minderung iHv 50€ monatlich eingetreten, dh was M darüber hinaus einbehalten hat, war unberechtigt. In Verzug gekommen ist M nach BGH aber trotzdem mit dem gesamten einbehaltenen Betrag?

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

27.10.2021, 08:35:05

Ach so Moment, ich glaube jetzt habe ich verstanden wie es gemeint war xD die 50€ monatlich hat M nicht gezahlt wegen Minderung, zusätzlich hat er monatlich 200€ einbehalten wegen 320 I, und nur wegen letzterem Anteil tritt dann Verzug ein, richtig? Iwie war Ich verwirrt, auch wegen des "gesamten einbehaltenen Betrages" Sry für das Selbstgespräch 😂

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

27.10.2021, 11:41:39

Genau so war es gemeint :-). Und das "Selbstgespräch" hilft sicher noch anderen Nutzer:innen beim Verständnis. Es war also keineswegs umsonst. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LI

lisi99

28.8.2022, 21:09:52

Mir ging es aber genauso. Falls es möglich ist noch einen Zusatz „zusätzlich behält er monatlich“ 200€ ein, wäre das hilfreich. Ich habe den SV dadurch erst am Ende verstanden. LG

Blackpanther

Blackpanther

25.3.2022, 15:46:23

Ist M durch die Ablehnung der Mängelbeseitigung in Gläubigerverzug gekommen und hat dadurch sein ZBR verloren? Oder kann man dir Weigerung der Mängelbeseitigung dogmatisch auch anders begründen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.3.2022, 15:25:33

Hallo Blackpanther, die Frage, in welchem Umfang und für welchen Zeitraum dem Mieter ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht (bzw. wann er es verliert), knüpft der BGH an §§ 320 Abs. 2, 242 BGB an. Es sei dabei immer eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Im vorliegenden Fall hat er ein Verweigerungsrecht abgelehnt, da zur Beweissicherung andere Möglichkeiten in Betracht gekommen wären als die Aufrechterhaltung des mangelhaften Zustandes (zB Anfertigung von Lichtbildern; Zeugenaussage der Handwerker). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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