Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten
Rücknahme eines begünstigenden VAs: Vertrauensschutz wegen Verbrauchs der Leistung
Rücknahme eines begünstigenden VAs: Vertrauensschutz wegen Verbrauchs der Leistung
19. Mai 2025
29 Kommentare
4,8 ★ (37.552 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Maler M erhält einen Bescheid über eine Künstlerförderung. Der Bescheid wurde aus Versehen an M und nicht an den eigentlich Berechtigten N gerichtet, was M nicht wissen konnte. Die Behörde will den rechtswidrigen Bescheid zurücknehmen. M hat das Geld bereits für Pinsel ausgegeben.
Diesen Fall lösen 84,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Rücknahme eines begünstigenden VAs: Vertrauensschutz wegen Verbrauchs der Leistung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts ist - im Vergleich zur Rücknahme eines belastenden Verwaltungsakts - nur eingeschränkt möglich.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Förderbescheid ist ein begünstigender Verwaltungsakt.
Ja, in der Tat!
3. M's Interesse am Fortbestand der Begünstigung steht dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts gegenüber.
Ja!
4. Die Zulässigkeit der Rücknahme von M's Förderbescheid richtet sich nach § 48 Abs. 3 VwVfG.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Ist Ms Vertrauen in den Bestand des Förderbescheids bereits deshalb schutzwürdig, weil er die dadurch gewährte Künstlerförderung bereits für neue Pinsel ausgegeben hat (§ 48 Abs. 2 VwVfG)?
Nein, das trifft nicht zu!
6. Der Förderbescheid darf somit nicht zurückgenommen werden, wenn M auf dessen Bestand vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist (§ 48 Abs. 2 VwVfG).
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Vojtech
29.10.2021, 01:02:33
Im Rahmen der Subsumption würde ich noch hinzufügen, dass das Vertrauen v.a. wegen der fehlenden Kenntnis des M um die Verwechselung der Adressaten schutzwürdig ist. Dafür spricht ja auch der Wortlaut (“in der Regel”), der gerade sagt, dass das Verbrauchen der fin. Mittel die Schutzwürdigkeit lediglich indiziert.

Lukas_Mengestu
31.10.2021, 10:23:35
Danke Vojtech, in der Tat schließt die Kenntnis/fahrlässige Unkenntnis der
Rechtswidrigkeitdes Verwaltungsaktes (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 VwVfG) die Vermutugswirkung aus. Wir haben das insofern entsprechend in der Subsumtion ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
kim.
5.1.2025, 18:16:17
Wir kommen hier zum Ergebnis, dass die Leistung nicht verbraucht wurde, da die Pinsel noch im Vermögen des Künstlers sind. Bedeutet das, dass die
Behördedann im Falle einer Rücknahme die Pinsel anstelle der
Geldleistung herausverlangen könnte/müsste? Gilt die Leistung als verbraucht, sobald die Pinsel genutzt wurden und damit nicht mehr markttauglich sind?
BenRie
25.1.2025, 16:09:49
Würde ich so sehen: gebrauchte Pinsel haben nach der Verkehrsanschauung nur noch einen sehr begrenzten Wert, sodass hier kein Vermögenszuwachs mehr bestehen würde.
Birdnerd
9.2.2025, 11:15:54
Genau die selbe Frage stellt sich mir auch. Wäre toll, wenn sich hier noch ein Moderator zu äußern würde. :-)
Amelie7
11.2.2025, 12:48:26
Kann man hier auch an
Luxusaufwendungendenken, wenn M die Pinsel sich sonst nicht geleistet hätte? Ich finde das Ergebnis sonst etwas unbillig

Sebastian Schmitt
28.4.2025, 12:15:15
Hallo @[kim.](232692), hallo @[Birdnerd](272564), was die
Behördeherausverlangen kann, sagt uns letztlich das ZivilR, denn § 49a I 1, II 1 VwVfG verweist auf
§ 818 BGB. Die Pinsel gäbe es höchstens als "Surrogat" iSd § 818 1 BGB. Nach recht hM sind
rechtsgeschäftliche Surrogate, wie hier die gekauften Pinsel, allerdings nicht erfasst. Es bleibt daher dabei, dass unser M hier grds das
Geldzurückzahlen muss - was ja auch sinnvoll ist, denn was soll die
Behördeschon mit den Pinseln? Wenn die Pinsel schon benutzt worden sind und ein entsprechender Wertverlust eingetreten ist, kann man insoweit in der Tat einen "Verbrauch" iSd § 48 II 2 VwVfG annehmen @[BenRie](256893).
Luxusaufwendungenwerden zum Teil schon unter § 48 II Nr 3 VwVfG fallen und gerade deswegen stattfinden, weil man das
Geldschnell "verjubeln" will, @[Amelie7](262107). Falls nicht, sagt uns § 48 II 2 VwVfG ja nur "in der Regel", Ausnahmen sind also möglich. Nach Schoch/Schneider/Schoch, VerwR, Werkstand 5. EL Juli 2024, §
48 VwVfGRn 155 sollen darunter auch "unvernünftige Aufwendungen" fallen können, zB aus Spekulationsgeschäften. Er mahnt aber auch zur Vorsicht, weil die Entscheidung, was "vernünftig" ist, nicht einfach die
Behördefällen soll. Allein die Tatsache, dass M sich die Pinsel "sonst nicht geleistet hätte, wie Du sagst, wird dafür kaum reichen - denn die staatliche Zuwendung soll ja gerade auch Ausgaben ermöglichen, für die sonst kein
Geldda wäre. Für Extremfälle hat die
Behördeaber über § 48 II 2 VwVfG sicher ein Korrektiv zur Hand. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Sebastian Schmitt
28.4.2025, 12:25:34
Hallo @[kim.](232692), hallo @[Birdnerd](272564), was die
Behördeherausverlangen kann, sagt uns letztlich das ZivilR, denn § 49a I 1, II 1 VwVfG verweist auf
§ 818 BGB. Die Pinsel gäbe es höchstens als "Surrogat" iSd § 818 1 BGB. Nach recht hM sind
rechtsgeschäftliche Surrogate, wie hier die gekauften Pinsel, allerdings nicht erfasst. Es bleibt daher dabei, dass unser M hier grds das
Geldals wirtschaftlichen Wert zurückzahlen muss, um den er bereichert ist - was ja auch sinnvoll ist, denn was soll die
Behördeschon mit den Pinseln? Wenn die Pinsel schon benutzt worden sind und ein entsprechender Wertverlust eingetreten ist, kann man insoweit (!) in der Tat einen "Verbrauch" iSd § 48 II 2 VwVfG annehmen @[BenRie](256893).
Luxusaufwendungenwerden zum Teil schon unter § 48 II 3 VwVfG fallen und gerade deswegen stattfinden, weil man das
Geldgezielt "verjubeln" will, @[Amelie7](262107). Falls nicht, sagt uns § 48 II 2 VwVfG ja nur "in der Regel", Ausnahmen sind also möglich. Nach Schoch/Schneider/Schoch, VerwR, Werkstand 5. EL Juli 2024, §
48 VwVfGRn 155 sollen darunter auch "unvernünftige Aufwendungen" fallen können, zB Spekulationsgeschäfte. Er mahnt aber auch zur Vorsicht, weil die Entscheidung, was "vernünftig" ist, nicht einfach die
Behördefällen soll. Allein die Tatsache, dass M sich die Pinsel "sonst nicht geleistet hätte", wie Du sagst, wird dafür kaum reichen - denn die staatliche Zuwendung soll ja gerade auch Ausgaben ermöglichen, für die sonst kein
Geldda wäre. Für Extremfälle hat die
Behördeaber über § 48 II 2 VwVfG sicher ein Korrektiv zur Hand. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team