§ 604 Abs. 2 S. 2 BGB

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Nachbarin A leiht ihrem Nachbarn B eine Leiter, damit B seine Regenrinne säubern kann. Nachdem zwei Wochen verstrichen sind und B die Regenrinne hätte putzen können, verlangt A die Leiter zurück. B erwidert, er sei krank gewesen und benötige die Leiter deshalb noch.

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Einordnung des Falls

§ 604 Abs. 2 S. 2 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A kann die Leiter nach § 604 Abs. 1 BGB von B zurückverlangen.

Nein!

Gemäß § 604 Abs. 1 BGB ist der Entleiher verpflichtet, die geliehene Sache nach dem Ablauf der für die Leihe bestimmten Zeit zurückzugeben. A und B haben sich nicht auf eine bestimmte Zeit geeinigt, sodass A keine Rückgabe nach § 604 Abs. 1 BGB fordern kann.
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2. A kann die Leiter nach § 604 Abs. 2 S. 1 BGB von B zurückverlangen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Gemäß § 604 Abs. 2 S. 1 BGB kann Rückgabe gefordert werden, nachdem der Entleiher den sich aus dem Zweck der Leihe ergebenden Gebrauch gemacht hat. A und B haben sich geeinigt, dass die Leiter zum Zweck des Saubermachens der Regenrinne verliehen wird. Da B von der Leiter zu diesem Zweck aber noch keinen Gebrauch gemacht hat, kann A keine Rückgabe nach § 604 Abs. 2 S. 1 BGB fordern.

3. A kann die Leiter nach § 604 Abs. 2 S. 2 BGB zurückverlangen.

Ja, in der Tat!

Gemäß § 604 Abs. 2 S. 2 BGB kann der Verleiher die Sache auch zurückverlangen, wenn so viel Zeit verstrichen ist, dass der Entleiher von der Sache zweckgemäß Gebrauch hätte machen können. Dies ist objektiv zu bestimmen. Zudem setzt § 604 Abs. 2 S. 2 BGB eine Kündigung des Verleihers heraus, die aber regelmäßig konkludent im Herausgabeverlangen liegen wird. B hätte die Leiter objektiv bereits zweckgemäß zur Säuberung der Regenrinne nutzen können. Dass er subjektiv dazu nicht in der Lage war, spielt keine Rolle. In dem Herausgabeverlangen der A liegt konkludent eine Kündigungserklärung des Leihverhältnisses. A kann die Leiter daher nach § 604 Abs. 2 S. 2 BGB zurückverlangen.

4. Andere Ansprüche, mit denen A die Leiter zurückverlangen kann, kommen nicht in Betracht.

Nein!

Nachdem man vertragliche Rückgabeansprüche geprüft hat, müssen stets dingliche und bereicherungsrechtliche Herausgabeansprüche geprüft werden. A könnte die Leiter auch nach § 985 BGB und nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB zurückfordern.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MDL

mdln.k

12.9.2024, 08:10:55

Inwiefern fällt hier der Rechtsgrund nachträglich weg? Endet mit § 604 II 2 auch automatisch das Leihverhältnis? Kann man dann trotzdem noch SchE-Ansprüche aus dem Leihverhältnis geltend machen?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

21.9.2024, 09:48:13

Hallo @[mdln.k](158797), Rechtsgrund für ein Behaltendürfen des "etwas" durch B war hier der Leihvertrag. Der bestand unstreitig zunächst, ist aber durch das Rückgabeverlangen der A nach § 604 II 2 BGB und die darin zu sehende Kündigung später (ohne Rückwirkung, also nachträglich) weggefallen. Mit einem entsprechenden Rückgabeverlangen endet nicht automatisch das Leihverhältnis, wohl aber mit der darin typischerweise gleichzeitig zu sehenden Kündigung (MüKoBGB/Häublein, 9. Aufl 2023, § 604 Rn 4). Und natürlich kann man grds auch aus beendeten Schuldverhältnissen noch SchE-Ansprüche geltend machen. Sonst könnte ja eine Partei einem drohenden Schadensersatzanspruch nach eingetretenem Schaden zB allein dadurch entgehen, dass sie einfach das Vertragsverhältnis kündigt oder sonst wie beendet. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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