Zivilrecht

Deliktsrecht

ProdHaftG

Produkthaftung bei „Ausreißern“

Produkthaftung bei „Ausreißern“

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Omi O kauft bei Verkäufer V einen neuen E-Scooter des Herstellers H. Bei der ersten Fahrt bricht die Achse am Vorderrad. O stürzt und bricht sich den kleinen Finger. Ursache für den Achsenbruch sind kleine Risse im Material, die aber bei keinem anderen Scooter dieser Serie des H aufgetreten sind. Einen solchen "Ausreißer" konnte H auch trotz Anwendung der zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen und Befundsicherung nicht verhindern.

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Einordnung des Falls

Produkthaftung bei „Ausreißern“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei Ausreißern liegt nach dem ProdHaftG schon kein Produktfehler (§ 3 ProdHaftG) vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es – im Zeitpunkt des Inverkehrbringens – nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden kann (legaldefiniert in § 3 ProdHaftG). Ein Produktfehler liegt grundsätzlich auch dann vor, wenn es sich um einen unvermeidbaren Ausreißer handelt. Denn die individuelle Vermeidbarkeit ist – anders als bei § 823 Abs. 1 BGB – für die Gefährdungshaftung unerheblich. Es fehlt nur dann an einem Produktfehler, wenn der Verbraucher die jeweilige Restgefahr erwarten muss, weil es völlige Gefahrlosigkeit nicht geben kann. Mit Materialrissen, die zu einem Achsenbruch führen, muss ein Verbraucher nicht rechnen, sodass der Scooter einen Produktfehler hat.
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2. H kann sich damit entlasten, dass der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik beim Inverkehrbringen des Produkts nicht erkennbar war (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG).

Nein, das trifft nicht zu!

Der Entlastungstatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG setzt voraus, dass es sich um ein Produkt handelt, das nach den historischen Sicherheitserwartungen als fehlerhaft zu beurteilen war, wobei der Fehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt des Inverkehrbringens lediglich nicht erkannt werden konnte. BGH: Solche Entwicklungsrisiken seien nur Gefahren, die von der Konstruktion eines Produkts ausgehen, aber nach dem neuesten Stand der Technik nicht zu vermeiden waren. Dagegen werde der "Ausreißer-Einwand" hiervon nicht umfasst. Da der Ausreißer-Einwand nicht vom Entlastungstatbestand erfasst ist, kann sich H damit nicht entlasten.
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