Produkthaftung bei „Ausreißern“
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Omi O kauft bei Verkäufer V einen neuen E-Scooter des Herstellers H. Bei der ersten Fahrt bricht die Achse am Vorderrad. O stürzt und bricht sich den kleinen Finger. Ursache für den Achsenbruch sind kleine Risse im Material, die aber bei keinem anderen Scooter dieser Serie des H aufgetreten sind. Einen solchen "Ausreißer" konnte H auch trotz Anwendung der zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen und Befundsicherung nicht verhindern.
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Einordnung des Falls
Produkthaftung bei „Ausreißern“
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bei Ausreißern liegt nach dem ProdHaftG schon kein Produktfehler (§ 3 ProdHaftG) vor.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. H kann sich damit entlasten, dass der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik beim Inverkehrbringen des Produkts nicht erkennbar war (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG).
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
jurafuchsles
16.8.2022, 16:27:45
Ich dachte, dass sich der Hersteller bei einem solchen Ausreiser exkulpieren kann, wenn er alle zumutbaren und möglichen Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung eines solchen Fehlers geschaffen hat?
Lukas_Mengestu
17.8.2022, 14:23:52
Hallo jurafuchsles, ich glaube, hier vermischt Du zwei verschiedene Ansprüche, die terminologisch leider ähnlich klingen, aber deutliche Unterschiede aufweisen. Die Haftung des Herstellers, der mit dem Endkunden schuldrechtlich nicht verbunden ist, resultiert entweder aus dem Produkthaftungsgesetz. Der Produkhaftungsanspruch ist verschuldensunabhängig. Eine Exkulpation ist hier also nicht möglich, da es auf das Verschulden des Herstellers überhaupt nicht ankommt. Dafür bestehen hier Haftungsbegrenzungen (vgl. §§ 10, 11 ProdHaftG). Neben dieser verschuldensunabhängigen Produkthaftung, gibt es auch die verschuldensabhängige Produzentenhaftung aus § 823 Abs. 1 BGB. Der Hersteller haftet hier uU für Konstruktions-/Fabrikations-/Instruktionsfehler bzw. eine Verletzung der Produktbeobachtungspflicht. Die Produzentenhaftung setzt allerdings ebenfalls ein Verschulden voraus. Handelt es sich -wie hier- um eine Fabrikationsfehler, der trotz aller zumutbaren Vorkehrungen unvermeidbar war, so liegt ein Ausreißer vor, für den der Hersteller nicht einzustehen hat (vgl. Sprau, in: Grüneberg, BGB, 81.A. 2021, § 823 RdNr. 176). Hierauf bezieht sich auch der erste Hinweistext. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Lukas_Mengestu
17.8.2022, 14:23:52
Hallo jurafuchsles, ich glaube, hier vermischt Du zwei verschiedene Ansprüche, die terminologisch leider ähnlich klingen, aber deutliche Unterschiede aufweisen. Die Haftung des Herstellers, der mit dem Endkunden schuldrechtlich nicht verbunden ist, resultiert entweder aus dem Produkthaftungsgesetz. Der Produkhaftungsanspruch ist verschuldensunabhängig. Eine Exkulpation ist hier also nicht möglich, da es auf das Verschulden des Herstellers überhaupt nicht ankommt. Dafür bestehen hier Haftungsbegrenzungen (vgl. §§ 10, 11 ProdHaftG). Neben dieser verschuldensunabhängigen Produkthaftung, gibt es auch die verschuldensabhängige Produzentenhaftung aus § 823 Abs. 1 BGB. Der Hersteller haftet hier uU für Konstruktions-/Fabrikations-/Instruktionsfehler bzw. eine Verletzung der Produktbeobachtungspflicht. Die Produzentenhaftung setzt allerdings ebenfalls ein Verschulden voraus. Handelt es sich -wie hier- um eine Fabrikationsfehler, der trotz aller zumutbaren Vorkehrungen unvermeidbar war, so liegt ein Ausreißer vor, für den der Hersteller nicht einzustehen hat (vgl. Sprau, in: Grüneberg, BGB, 81.A. 2021, § 823 RdNr. 176). Hierauf bezieht sich auch der erste Hinweistext. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
CR7
6.7.2023, 12:33:14
Was meinst du mit „allerdings ebenfalls ein Verschulden voraus“? Das ProdHaftG ist verschuldensunabhängig, welcher Anspruch setzt dann ebenfalls ein Verschulden voraus? :D
lexspecialia
14.3.2024, 15:27:36
Die Produzentenhaftung nach §823 I BGB wird ein Verschulden vorausgesetzt Dagegen bei einer produkthaftung nach §1 ProdHaftG wird kein Verschulden vorausgesetzt