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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M will eine Wohnung kündigen, die er von V gemietet hat. Die Kündigung muss bis zum 31.3. erfolgen. Am Mittag des 31.3. trifft M den V nicht an. Er übergibt die Kündigung dem vierjährigen Sohn S des V, der im Garten spielt. S verbuddelt die Kündigung im Sandkasten.

Einordnung des Falls

Erklärungsbote (Kleinkind)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S ist Erklärungsbote des M.

Ja!

Wird eine Willenserklärung einer Person übergeben, die zur Entgegennahme weder bestellt noch nach der Verkehrsanschauung als bestellt und geeignet anzusehen ist (kleines Kind, Handwerker, Nachbar), so ist diese Person als Erklärungsbote des Erklärenden einzustufen. Die Übermittlung erfolgt in diesem Fall auf Risiko des Erklärenden.Der Merksatz lautet: "Ist das Kindlein noch so klein, kann es doch schon Bote sein!"

2. S ist Empfangsbote seines Vaters V.

Nein, das ist nicht der Fall!

Empfangsbote ist, wer vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt worden oder nach der Verkehrsanschauung als bestellt und geeignet anzusehen ist (z.B. Ehegatten, auch außerhalb der gemeinsamen Wohnung sowie andere geeignete Familienmitglieder). Kleine Kinder wie der vierjährige S dürften weder ausdrücklich von den Eltern noch von der Verkehrsanschauung als ermächtigt zur Entgegennahme von Willenserklärungen gelten. S ist nicht als Empfangsbote anzusehen.

3. Die Kündigung ist wirksam geworden.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Erklärung über einen Erklärungsboten des Erklärenden geht nur bei tatsächlicher Übermittlung an den Empfänger zu. Da S die Erklärung nicht übermittelt hat, ist diese V nicht zugegangen und infolgedessen nicht wirksam geworden (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB).

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Ultima_ratio

Ultima_ratio

22.11.2019, 21:56:00

In der Antwort steht, dass Eltern ihre (Klein-)Kinder nicht zu Empfangsboten erklären dürfen. Dies steht entgegen der Fausutformel "Und ist das Kind auch noch so klein, kann es dennoch Bote sein". Was stimmt denn nun?

ALE

Alex1.Sem

29.11.2019, 14:40:55

Bis 7 Jahren ist das Kind Geschäftsunfähig ab 7-18 Jahren schwebend geschäftsfähig

ErdbärIn

ErdbärIn

7.12.2019, 11:05:47

Ich bin mir nicht sicher, aber Bote meint ja nicht zwingend Empfangsbote sondern eben auch

Erklärungsbote

, was der kleine Junge in dem Fall ist.

GRAF

Graf.Para

17.12.2019, 21:12:03

Vielleicht wird es so klarer: Es verhält sich ähnlich wie bei der Beweislastumkehr. Wählt der Erklärende einen Dritten als “menschlichen Briefkasten“, der durch seine Eigenart (z.B. Kleinkind) als Übermittler nach objektiver Verkehrssitte und normalen Umständen erkennbar ungeeignet sein könnte, wird der dieser Empfänger zum Boten der Nachricht des Erklärenden. Der Gesetzgeber möchte im Sinne des Rechtsverkehrschutzes die Verantwortung der eventuell falsch oder gar nicht übermittelten Erklärung nicht auf den Empfänger übertragen wissen. Ansonsten wäre der Empfänger ja auf Gedeih und Verderben auf die Empfangsboten-Auswahl des Erklärenden angewiesen. Das kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, oder?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.3.2021, 16:30:39

Hallo ultima_ratio, vielen Dank für Deine Rückfrage. Der Antworttext spricht davon, dass davon auszugehen ist, dass die Eltern ihr Kleinkind nicht als Empfangsboten ausgewählt haben „dürften“. Das bedeutet nicht, dass dies unzulässig wäre. Insoweit hast Du Recht, dass Kinder unabhängig ihres Alters als Boten eingesetzt werden können (sowohl auf Seiten des Empfängers, als auch auf Seiten des Erklärenden). Auf die Vorschriften zur Geschäftsfähigkeit kommt es dabei nicht an, sodass auch Geschäftsunfähige als Boten (auf beiden Seiten) fungieren können. Um als Empfangsbote zu fungieren, bedarf es aber einer entsprechenden Empfangsermächtigung.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.3.2021, 16:30:57

Wenn der Empfänger das Kind indes nicht explizit ermächtigt hat, so kommt es darauf an, ob man eine solche Ermächtigung nach der Verkehrssitte annehmen kann (unproblematisch zB bei erwachsenen Familienangehörigen). Dies setzt aber u.a. voraus, dass der Empfangsbote (hier das Kleinkind) aufgrund seiner Reife und Fähigkeiten dazu im Stande ist, die verkörperte Willenserklärung weiterzugeben. Insbesondere bei Kleinkindern, die überhaupt nicht mit der Bedeutung von Schriftstücken vertraut sind, wird man eine solche Stellung nicht annehmen können. Das spricht dagegen, in diesen Fällen von einem Zugang auszugehen. Vielmehr ist hier das Risiko des Verlustes – wie Graf.Para richtig ausgeführt hat – dem Erklärenden aufzubürden. Beste Grüße Lukas (für das Jurafuchs Team)

Jurakatze1987

Jurakatze1987

4.12.2019, 20:54:13

Das ist sehr widersprüchlich. Empfangsbote nein, Erklärungbote ja, muss aber nicht die Erklärung an Vater abgeben, denn der Zugang liegt im Risiko des Adressaten. Dann, April, April, Zugang besteht nicht, da kein Zugang. Wenn es das Risiko des V ist, muss der Brief zugegangen sein.

ErdbärIn

ErdbärIn

7.12.2019, 11:11:13

Ich glaube, da hast du etwas missverstanden. S ist

Erklärungsbote

für M. Nicht Empfangsbote des V (weil nach der Verkehrsanschauung ein 4 Jähriger gerade kein Empfangsbote sein kann). D.h. M trägt das Risiko, wenn S (als von M selbstgewählter

Erklärungsbote

) die Kündigung nicht weiter reicht. Inwiefern findest du es unlogisch? Vielleicht kannst du nochmal erläutern, was du meinst.

Marilena

Marilena

5.3.2020, 16:32:29

Schön erklärt Erdbär, vielen Dank Dir!

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

18.3.2020, 12:00:50

Wie wäre es, wenn der Empfänger ein Kleinkind/Säugling als Empfangsbote bestimmt (ohne dass der Erklärende davon etwas weiß), der Erklärende dann dem Kind die Erklärung übergibt, diese dann aber aGrd. des Verschuldens des Kindes abhanden kommt?🤔

GEL

gelöscht

27.3.2020, 06:15:35

Ich denke, dass dann aufgrund der fehlenden Geschäftsfähigkeit der Zugang nicht fingiert würde. Aufgrund der fehlenden Reife wäre ein Verschulden, dass dem Empfänger normalerweise zuzurechnen wäre, nicht zurechenbar. Ich vermag mir das jedenfalls nicht vorzustellen 🤔

MAW

MaW

2.9.2020, 15:47:43

Könnte man nicht sagen, dass der Erklärende, wenn er von der Empfangsboteneigenschaft des Kindes nichts weiß, das Kind - wie auch im obigen Fall - als seinen

Erklärungsbote

n einsetzt und dies die Empfangsboteneigenschaft quasi "überschreibt". Letztlich nimmt der Erklärende bewusst das Risiko auf sich, das Kind einzusetzen.

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

2.9.2020, 16:12:51

@MaW, das klingt nachvollziehbar! Oft wird ja nach der Verkehrsauffassung entschieden und die familiäre Absprache zw. dem Empfänger und seinem Kind dürfte wohl kaum nach außen ersichtlich sein. Andererseits weiß aber auch der Empfänger, dass er, wenn er ein Kleinkind als Empfangsbote einsetzt, dass er womöglich etwas gründlicher nachfragen sollte, ob nicht doch etwa ein Brief für ihn angekommen ist. M. a. W. nimmt auch er ein größeres Risiko auf sich, den Brief nicht zu erhalten....

Simon

Simon

15.9.2020, 22:07:09

Hier ließe sich wohl gut in beide Richtungen argumentieren. M.E. wäre das Kind (K) wohl eher Empfangsbote, denn der Vater geht sehenden Auges das Risiko ein, dass ihn die Erklärung nicht erreicht, wenn er sein Kind zur Entgegennahme von WE ermächtigt. Daher geht der Verlust der WE durch K zu seinen Lasten. Dass K geschäftsunfähig ist, halte ich für unbeachtlich, da K hier keines Schutzes bedarf (negative Folgen ergeben sich ja allein für den Vater). Außerdem: aus der Sicht eines obj Dritten wurde K als Empfangsbote eingesetzt.

Pilea

Pilea

2.9.2023, 18:22:58

Ist die Erklärung abgegeben und geht bloß nicht zu oder scheitert es schon an der Abgabe? Mir war für ein gutes Verständnis die letzte Begründung einen Tick zu kurz.

Paulah

Paulah

8.9.2023, 17:18:47

Ich denke, sie ist abgegeben. Nach der Definition einer Abgabe muss die Willenserklärung so in Richtung des Empfängers in den Verkehr gebracht werden, dass mit dem Zugang zu rechnen ist. Davon kann man auch bei einem vierjährigen Kind zunächst erst mal ausgehen, auch wenn das Risiko des Zugangs beim Absender liegt.

JudgeFudge

JudgeFudge

17.9.2023, 20:07:51

Würde ich anders sehen. Bei einem vierjährigen ist wohl unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und Treu und Glauben eher davon auszugehen, dass die Erklärung nicht gewissenhaft an den Empfänger übermittelt wird. Ich würde es bereits an der Abgabe scheitern lassen, aber sicherlich beides vertretbar!

Nora Mommsen

Nora Mommsen

28.9.2023, 19:03:44

Hallo in die Runde, eine Erklärung, die mittels eines

Erklärungsbote

n übermittelt wird, ist durch Weitergabe an den

Erklärungsbote

n abgegeben. Denn Abgabe setzt die willentliche Entäußerung in den Rechtsverkehr zur Kenntnisnahme des Empfängers voraus. Der Zugang ist beim

Erklärungsbote

n dann im Risikobereich des Erklärenden. Daher scheitert es hier am Zugang. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Laly

Laly

9.2.2024, 20:38:51

Eine Eselsbrücke die ich dazu mal in einer AG gelernt hatte: Ist das Kindchen noch so klein, Bote kann es sein :)

LELEE

Leo Lee

10.2.2024, 13:43:48

Hallo Laly, vielen Dank für diesen sehr tollen Merksatz! Wir fanden ihn so toll, dass wir diesen nunmehr als Vertiefungshinweis ergänzt haben :)! Wir möchten uns bei dir vielmals dafür bedanken, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren und freuen und auf weitere Hinweise für Verbesserungswürdigkeiten :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Laly

Laly

10.2.2024, 13:46:39

Hallo Leo, das freut mich! Hoffentlich bringt der Satz anderen auch so viel wie mir. 😊 Liebe Grüße

AR

Artimes

18.4.2024, 17:16:53

Wie grenzen sich Empfangsbote/

Erklärungsbote

allgemein ab? Kann man sagen, dass wenn die Voraussetzungen für einen Empfangsboten verneint werden die Hilfsperson folglich ein

Erklärungsbote

ist?

Dogu

Dogu

5.7.2024, 12:53:26

Ja, würde ich so sehen.

Erklärungsbote

ist ein Restposten für alle sonstigen Fälle.


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