Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Abgabe und Zugang von Willenserklärungen

Dem Erklärenden nicht bekannte Schwerhörigkeit des Empfängers

Dem Erklärenden nicht bekannte Schwerhörigkeit des Empfängers

7. Juli 2025

26 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K bestellt bei V telefonisch 200 t Weizen. V ist, was K nicht weiß, schwerhörig. V versteht "100 t" und sagt der Lieferung zu.

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Einordnung des Falls

Dem Erklärenden nicht bekannte Schwerhörigkeit des Empfängers

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das telefonische Angebot des K ist eine Willenserklärung unter Abwesenden. Es wird wirksam mit Zugang (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB).

Nein!

Fernmündliche WE erfolgen an sich unter (körperlich) Abwesenden. Nach § 147 Abs. 1 BGB liegt jedoch auch bei einem telefonisch übermittelten Antrag ein Angebot unter Anwesenden vor. Ein solches setzt nicht notwendig physische Präsenz der Beteiligten voraus. Es reicht aus, wenn trotz räumlicher Trennung eine unmittelbar sinnliche Wahrnehmung stattfindet und die Möglichkeit besteht, dass die Abgabe der Willenserklärung mit ihrer Kenntnisnahme unmittelbar zusammenfällt.Demnach ist K’s Angebot eine Willenserklärung unter „Anwesenden“.
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2. Als Willenserklärung unter Anwesenden wird das telefonische Angebot des K wirksam mit Zugang nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB analog.

Genau, so ist das!

Empfangsbedürftige Willenserklärungen werden, wenn sie in Abwesenheit des Empfängers abgegeben werden, mit Zugang wirksam (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Für das Wirksamwerden unter Anwesenden enthält das Gesetz keine Regelung. In analoger Anwendung des § 130 BGB ist auch hier der Zugang maßgeblich. Eine nicht verkörperte Willenserklärung wird wirksam mit Zugang, wenn (1) der Empfänger sie wahrgenommen hat (= akustisch richtig verstanden hat) oder (2) wenn der Erklärende nach den erkennbaren Umständen keinen Zweifel daran haben konnte, dass der Empfänger sie wahrgenommen hat (h.M., sog. eingeschränkte Vernehmungstheorie).

3. Das Angebot des K auf Abschluss eines Kaufvertrags über 200t Weizen ist nach h.M. wirksam geworden.

Ja, in der Tat!

Eine nicht verkörperte Willenserklärung geht nach der h.M. (eingeschränkte Vernehmungstheorie) zu, wenn (1) der Empfänger sie wahrgenommen (= akustisch richtig verstanden) hat oder (2) der Erklärende nach den erkennbaren Umständen keinen Zweifel daran haben konnte, dass der Empfänger sie wahrgenommen hat. Es wäre unbillig, dem Erklärenden etwa das Übermittlungsrisiko aufzubürden, das sich aus einer unerkannten Schwerhörigkeit des Vertragspartners ergibt.Hier hat V das Angebot infolge seiner Schwerhörigkeit nicht wahrgenommen. Für K war die Schwerhörigkeit jedoch nicht erkennbar. Er durfte zweifelsfrei davon ausgehen, dass V ihn zutreffend versteht. Ks Angebot ist V zugegangen.

4. V und K haben einen Kaufvertrag über 200t Weizen geschlossen.

Ja!

Voraussetzung für einen Kaufvertrag sind zwei übereinstimmende Willenserklärungen. Angebot und Annahme (§§ 145 ff. BGB).V hat das Angebot des K angenommen, indem er der Lieferung zugesagt hat.V kann seine Willenserklärung aber u.U. wegen Inhaltsirrtums (§ 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB) anfechten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MsFox

MsFox

3.11.2020, 22:06:02

Die Annahmeeeklärung des Vs ist doch ebenso eine empfangsbedürftige Willenserklärung.

Handlungswille

und Erklärungsbewusstsein sind wohl da, aber der Geschäftswille - also die konkrete Rechtsfolge wäre doch hier der Verkauf von 100 t aus Sicht des Vs. Oder etwa nicht?

MVSEVM

MVSEVM

5.11.2020, 09:59:30

Eine WE ohne Geschäftswillen ist zum Schutz des unwissend n Erklärungsempfängers (K) trotzdem wirksam. Es wäre auch widersprüchlich den K auf Ebene des Zugangs seines Angebots zu schützen, indem das fehlende Wissen über die Schwerhörigkeit unschädlich für den Zugang ist, um ihm dann diesen Schutz auf der Ebene der Annahmeerklärung des V wieder abzusprechen.

🦊²

🦊²

15.11.2023, 17:08:53

hi, fällt das "verhören" nicht eher in die Kategorie Vertippen, verschreiben und stellt somit einen Erklarungsirrtum dar? Liebe Grüße

Bubbles

Bubbles

16.11.2023, 12:37:56

Meines Verständnisses nach fällt das Verhören hier in den Bereich der Willensbildung und nicht der Willensäußerung. Beim

Erklärungsirrtum

wählt der Erklärende ja ein nicht gewolltes Erklärungszeichen im Rahmen der Willensäußerung. Hier erklärt V jedoch bloß die Zustimmung und wollte dies auch tun. Er irrt aber über die Bedeutung seiner Zustimmung, da sie sich auf 200t und nicht auf 100t bezieht, sodass es sich um einen

Inhaltsirrtum

handelt.

LELEE

Leo Lee

18.11.2023, 19:50:19

Hallo Fuchs^2, wie Bubbles zutreffend anmerkt, ist das Verhören keine Erklärung an sich, sondern eher ein Vorfeldphänomen, was zur Willensbildung beiträgt. Wenn man nun das Verhören ebenfalls als

Erklärungsirrtum

auffasst, kann das Problem bestehen, dass man die Grenze zum

Inhaltsirrtum

verwischt. Denn gerade weil sich der V verhört hat, weiß er zwar dass er was sagt, jedoch nicht, was er DAMIT sagt (

Inhaltsirrtum

) :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

🦊²

🦊²

19.11.2023, 11:15:13

Danke Danke! :)

LELEE

Leo Lee

19.11.2023, 11:16:18

Klar, gerne :)

FL

Florian

1.2.2024, 23:29:13

Der pauschale Hinweis, es sei unbillig dem Erklärenden das Risiko eines schwerhörigen Empfängers aufzubürden, überzeugt mich nicht. Aus welcher Norm spricht diese Wertung? Ganz im Gegenteil bürgt das Gesetz dem Erklärenden doch sogar auch das Risiko eines

unerkannt geisteskrank

en und daher geschäftsunfähigen oder minderjährigen Geschäftspartner auf. Die sich ergebenden Nachteile/Schäden lassen sich auch auf andere Weise gerecht zuweisen.

LELEE

Leo Lee

3.2.2024, 19:55:35

Hallo Florian, vielen Dank für diese sehr gute Frage! In der Tat ist deine Ansicht auch sehr gut vertretbar; die Sache ist nämlich – wenngleich mit einer fast schon überragenden h.M. – streitig. Richtig ist, dass bei einem Geschäftsunfähigen Geschäftspartner der Erklärender das Risiko trägt. Dies ist die Lösung des Konflikts zw. dem VERKEHRSSCHUTZ vs. Minderjährigen/Geisteskrankenschutz zugunsten der letzteren Personen. Bei dieser Konstellation entscheidet sich allerdings die h.M. zugunsten des Verkehrsschutzes. Denn gerade wenn man mit einer Person sich persönlich/telefonisch unterhält, verläuft das Gespräch flüchtig (klar, Gespräche werden nicht schriftlich fixiert). Deshalb ist hier auch der Erklärende schutzwürdig bzw. sogar schutzwürdiger, denn er kann eben nicht erkennen ohne Anhaltspunkte, ob sein Gegenüber schwerhörig ist oder nicht. In diesem Fall kann also der Erklärende erstmal darauf vertrauen, dass ein „Normalfall“ vorliegt und sein Partner seine Worte schon richtig verstehen wird. Wenn er jedoch erkennt, dass sein Partner schwerhörig ist (er sieht etwa sein Hörgerät), so kann er nicht mehr darauf vertrauen. Aber auch umgekehrt gilt dies: Wenn der Adressat – etwa am Telefon – ganz normal ein Gespräch führt, ohne auf seine Schwerhörigkeit hinzuweisen, dann ist er auch „selbst

schuld

“; er hätte schließlich vorab auf seine Schwerhörigkeit hinweisen können. Summa summarum: Es ist immer eine Abwägung zw. dem Verkehrsschutz und dem Schutz desjenigen, der „belastet“ wird. Beim Geschäftsunfähigen/Minderjährigen sagt die h.M., dass sie schutzwürdiger sind als der Verkehr. Bei diesem Fall wiederum begünstigt die h.M. erstmal den Verkehr. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Einsele § 130 Rn. 28 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

BL

Blotgrim

2.8.2024, 09:54:49

Ich würde auch sagen, dass die Konstellation Minderjähriger/Geisteskranker und Schwerhöriger nicht komplett gleich sind. Insbesondere ein Geisteskranker wird oft nicht daran denken dass er geisteskrank ist und kann deswegen nicht darauf hinweisen. Ähnlich ist es beim Minderjährigen der sich seiner Unerfahrenheit nicht bewusst sein wird. Gleichzeitig ist insbesondere die Minderjährigkeit für den Erklärenden gut erkennbar. Beim Schwerhörigen ist das anders, dieser hat die mentale Kapazität zu erfassen dass er schwerhörig ist und das dies von anderen nicht zu erkennen ist (oder zumindest schwer), daher kann man ihm die Verantwortung auflasten, andere darauf hinzuweisen.

LUCA

Luca

23.10.2024, 12:00:36

Das Wort fernmündlich beschreibt es eigentlich am zutreffendsten. Bitte Ergänzen :)

Philip

Philip

15.11.2024, 13:06:45

Ich frage mich, ob hier nicht ein

versteckter Dissens

über

verkehrswesentliche Eigenschaft

en vorliegt, nach welchem der Vertrag zwischen diesen beiden nicht als wirksam zu betrachten ist. Gerade in Hinblick dazu, dass es eine Differenz von 100T sind, die der Verkäufer hier halt auch einfach nicht aufbringen könnte. Kann mir jemand erklären wo bzw. warum ich hier falsch denke? Danke euch!

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

19.11.2024, 09:36:51

Hallo @[Philip](211126), zunächst mal ist die verkaufte Menge hier keine

verkehrswesentliche Eigenschaft

, kein wertbildender Faktor, sondern vielmehr eine Frage der Kaufsache an sich. Ob sich die Parteien darüber geeinigt haben oder nicht, ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei für die ausgetauschten Erklärungen der

objektive Empfängerhorizont

der Maßstab ist (§§ 133,

157 BGB

). K will 200 t, so ist seine Erklärung auch auszulegen. V will 100 t. Wenn er explizit 100 t am Telefon bestätigt ("Ja, 100 t."), haben wir keinen Vertrag, weil keine Einigung über die Kaufsache besteht. Versteht (!) er aber nur 100 t und sagt dann schlicht etwas wie "Ja, geht in Ordnung.", ist seine Erklärung aus dem

Empfängerhorizont

wie eine Annahme über 200 t auszulegen (so ist unser Fall gemeint). Daher haben wir einen Vertrag und keinen Dissens (jedenfalls nach der eingeschränkten

Vernehmungstheorie

der hL). Ob der Verkäufer die 100 t mehr aufbringen kann, wissen wir nicht. Vielleicht ist er auch dankbar, dass K mehr kaufen will, als er gedacht hat. Hier dürfen wir nichts hineininterpretieren, was sich nicht aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt (die hierzu schweigt). V kann selbst entscheiden, ob er den Vertrag gelten lassen möchte - oder wegen Irrtums anfechten, wenn er das nicht will, ggf mit der Schadensersatzpflicht des § 122 I BGB. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

FABIA

Fabian7777

28.4.2025, 22:06:57

Könnte man nicht auch überlegen einen (Teil-)Konsens anzunehmen? Immerhin decken sich die jeweiligen Willen bis zu 100t Tonnen Weizen... (Außer man geht von § 150 II BGB aus Sicht des K aus wenn es dem K exakt auf 200t ankam... Wenn er aber lieber 100t als gar nichts hätte könnte man V immerhin daran festhalten) Dann wäre auch keine Anfechtung für V möglich denn er wollte immerhin sich zu 100t binden

LMA

Lt. Maverick

28.5.2025, 14:57:45

@[Fabian7777](295074) Ein Dissens muss sich auf Nebenabreden des Vertrages beziehen. Die

Hauptleistungspflicht

des Verkäufers wäre aber nicht die Lieferung von Mehl, sondern von 200t Mehl. Damit stellen 200t Mehl keine Nebenabrede (accidentalia negotii) dar, sondern einen wesentlichen Vertragsbestandteil (essentialia negotii). Diese werden gerade nicht von den §§ 154 f. BGB erfasst.

Erik_1995

Erik_1995

3.7.2025, 15:00:01

@[Sebastian Schmitt](263562) @[Lt. Maverick](229751) ich hätte eine m.E. wichtige Frage dazu, was die

Vernehmungstheorie

n konkret Vergleichen: Maßstab des Vergleiches ist - glaube ich - der objektiv ermittelte Inhalt der WE mit dem, was tatsächlich verstanden wurde oder? Den objektiven Dritten platziere ich also am Telefon auf Empfängerseite. Kommt es zu einer Leitungsstörung und beim Empfänger daher nur 100 T an und der Empfänger hört daher nur 100t ist der Inhalt der Willenserklärung also 100t?. Und dann vergleicht die

Vernehmungstheorie

diesen ermittelten Inhalt mit dem, was tatsächlich vernommen wurde (auch 100t). War dies für den Aussprechenden nicht erkennbar liegt also nach beiden Theorien ein wirksamer Zugang über 100t vor? Kernfrage: Hat der objektive Dritte auf Empfängerseite auch die Leitungsstörung oder hat er sie nicht?

Vernehmungstheorie

-> Vergleich von: objektiver Inhalt | tatsächlich vernommenen?

LMA

Lt. Maverick

3.7.2025, 22:56:22

@[Erik_1995](177911) Die

Vernehmungstheorie

n kommen nicht bei der Auslegung, sondern beim Zugang zum Tragen. Die Auslegung geht dem gedanklich voran. Hierbei ist nach dem wahren Willen und dem, was ein objektiver Dritter nach der

Verkehrssitte

sowie Treu und Glauben hätte verstehen können, zu beurteilen. Hier geht es zunächst um die inhaltliche Komponente. Hätte ein objektiver Dritter unter „Verkauf von 200t Mehl“ auch „Verkauf von 200t Mehl“ verstanden? Dialekte, undeutliche Aussprache, Verbindungsprobleme auf Seiten des Erklärenden gehen ihm zulasten. Hätte also auch ein objektiver Dritter 100t verstanden, so liegt ein Angebot über 100t vor, sodass sich im Regelfall die Zugangsproblematik gar nicht stellt. Nach Feststellung der inhaltlichen Maßstäbe der Willenserklärung geht es dann beim Zugang darum, ob dieser Inhalt den Empfänger auch erreicht hat. Die strenge

Vernehmungstheorie

stellt darauf ab, ob der Empfänger die Erklärung vernommen und richtig verstanden hat. Wenn jetzt also in deinem Beispiel V 200t Mehl anbietet und K nur 100t Mehl versteht, dann wäre kein Zugang gegeben, da sich das Vernommene und das Erklärte nicht entsprechen. Damit trägt der Erklärende das Erklärungsrisiko in vollem Umfang. Die eingeschränkte

Vernehmungstheorie

beachtet den § 130 I BGB dahingehend, dass eine Risikoverteilung erfolgt. Es kommt beim Zugang mündlicher Willenserklärungen darauf an, ob der Erklärende nach den ihm erkennbaren Umständen davon ausgehen durfte, dass die Willenserklärung zutreffend vernommen wurde. Hatte der Empfänger also Verbindungsprobleme, ohne den Erklärenden darauf hinzuweisen und ergab sich auch sonst nichts gegenteiliges aus den Umständen, so ist davon auszugehen, dass der Empfänger die Willenserklärung zutreffend vernommen hat. Hierdurch wird auch nochmal die Risikoverteilung zwischen Erklärenden und Empfänger deutlich.

Erik_1995

Erik_1995

3.7.2025, 23:20:17

@[Lt. Maverick](229751) danke für die Erklärung! Genau hier liegt das Missverständnis/ Problem: wir sagen der Inhalt der Willenserklärung ist das, was ein objektiver Dritter an Stelle des K verstanden hat (100t) vergleichen bei der

Vernehmungstheorie

dann aber nicht das Objektiv erklärte sondern das, was V ausgesprochen hat mit dem was K gehört hat. Das ist aber glaube ich falsch. (siehe hier: https://lorenz.userweb.mwn.de/lehre/gk1/rep/wisefall18.pdf) Verglichen wird ausschließlich das vernommene mit dem Inhalt der Erklärung nicht das vernommene mit dem ausgesprochenen Inhalt. Der Inhalt der WE bestimmt sich ja gerade danach was ein obj. Dritter gehört hätte. Daher bezieht die hM glaube ich Verbindungsprobleme bei der Auslegung des Inhalts gerade nicht mit ein sondern fragt danach, was ein objektiver Dritter OHNE die Verbindungsprobleme gehört hätte. Die Verbindungsprobleme sind vielmehr bei der Frage des Zugangs relevant indem man fragt ist aber im konkreten Fall dem K auch die Erklärung zugegangen? Also hätte ein objektiver Dritter wohl auch 200t vernommen. Jetzt ist die Frage, wer das Risiko dafür trägt, dass Erklärungsinhalt und das, was K gehört hat, auseinanderfallen.

LMA

Lt. Maverick

4.7.2025, 00:17:56

@[Erik_1995](177911) Hier ist ein Fall, in dem es um eine undeutliche Erklärung geht: https://applink.jurafuchs.de/86o6OJBaIUb Liegt also objektiv eine Willenserklärung von 100t (subjektiv aber 200t) vor und hat der Empfänger auch 100t verstanden, so kommen wir gar nicht erst zur Zugangsproblematik hinsichtlich der

Vernehmung

, da das, was objektiv gesagt wurde, so auch vernommen wurde. Wir vergleichen beim Zugang nicht das tatsächlich Gesagte (s. den verlinkten Fall) mit dem Gehörten, sondern grundsätzlich das objektiv Gesagte (der nach der Auslegung festgestellte Inhalt) mit dem, was vernommen wurde und wenden bei einem Auseinanderfallen dann die

Vernehmungstheorie

n an, um den Zugang festzustellen. Ich würde nicht sagen, dass Verbindungsprobleme per se nur beim Zugang berücksichtigt werden müssen. Das ist einzelfallbezogen und kann sich entweder auf die Auslegung oder den Zugang beziehen. Wenn der Erklärende sich in einem Funkloch befindet und selbst nach mehrmaliger Nachfrage „zwei“ nach „drei“ klingt, dann wäre es unbillig dennoch „zwei“ anzunehmen, wenn ein objektiver Empfänger es nicht anders verstanden hätte. Dann hat der Erklärende eben eine Willenserklärung mit dem Inhalt „drei“ und nicht „zwei“ abgegeben. Hat auch der Empfänger „drei“ verstanden, dann stellt sich auch hier nicht die Frage nach der

Vernehmung

im Rahmen des Zugangs. Der Erklärende trägt das Risiko, dass seine Erklärung verständlich ankommt, ob sie auch korrekt vernommen wird, ist dann eine Frage des Zugangs (vgl. AG Stuttgart-Bad Canstatt, Urteil v. 16.03.2012 - 12 C 3263/11).

Erik_1995

Erik_1995

4.7.2025, 00:27:17

@[Lt. Maverick](229751) gut, dann sind wir uns einig!

friedel231

friedel231

13.1.2025, 19:57:24

Warum wird nicht auf § 147 I 2 abgestellt? Denn der statuiert ja gerade, dass der "mittels Fernsprechers" gemachte Antrag dem Antrag unter Anwesenden gleich steht. Warum wird dann auf § 130 I 1 BGB analog abgestellt? Vielen Dank!

PAUHE

Paul Hendewerk

17.1.2025, 18:01:02

@[friedel231](164687) § 147 I 2 BGB regelt, dass auch der mittels Fernsprechers gemachte Antrag - so wie der einem Anwesenden gemachte Antrag (§ 147 I 1 BGB) - nur sofort angenommen werden kann. Danach betrifft § 147 I BGB die

Annahmefrist

. Dagegen hat § 130 I 1 BGB (analog) das Wirksamwerden einer Willenserklärung zum Gegenstand. Um es anhand eines einfachen Beispiels zu verdeutlichen: A macht B ein

Kaufvertrag

sangebot, während sie beim Angeln sind. Dann stellt sich zunächst die Frage, ob das Angebot des A wirksam ist. Und als empfangsbedürftige WE unter Anwesenden wird das

Kaufvertrag

sangebot nach § 130 I 1 BGB (analog) durch Abgae und Zugang wirksam. § 147 I BGB betrifft dann die Frage, wie viel Zeit B hat, um das Angebot anzunehmen.

friedel231

friedel231

22.1.2025, 08:45:48

Ah okay, vielen Dank!

BL

Blotgrim

25.6.2025, 00:49:28

Wie wäre das Ergebnis wenn der Empfänger hier statt Schwerhörigkeit zu sein (1) geringe oder (2) fehlende Sprachkenntnisse hat. Wäre es dann auch so, dass wenn dies nicht erkennbar ist der Vertrag erstmal zustande kommt oder wäre bei einer der beiden Optionen das Ergebnis ein anderes?


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