Unaufmerksamer Bote

4. Juli 2025

12 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Mutter M schickt ihren 6-jährigen Sohn S zum Einkaufen zu Metzger E. S soll 2,3 Kilo Rinder-Hack bestellen. Der unaufmerksame S übermittelt dem E die Erklärung, dass M 3,2 Kilo Rinder-Hack möchte.

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Einordnung des Falls

Unaufmerksamer Bote

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der 6-jährige S ist Erklärungsbote120 BGB) der M.

Ja, in der Tat!

Der Erklärungsbote120 BGB) gibt im Unterschied zum Stellvertreter (§§ 164 ff. BGB) keine eigene Willenserklärung ab, sondern übermittelt eine fremde Erklärung. Daher muss der Erklärungsbote auch nicht geschäftsfähig i.S.d. §§ 104 ff. BGB sein (Merke: „Ist das Kind auch noch so klein, kann es dennoch Bote sein“). Des Weiteren ist dabei eine falsche, verspätete oder unterbliebene Übermittlung das Risiko des Erklärenden.
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2. Zwischen M und E ist ein Vertrag über den Kauf von 3,2 Kilo Rinder-Hack zustande gekommen.

Ja!

Ein Vertrag erfordert zwei übereinstimmende Willenserklärungen. M hat S aufgetragen, dem E ein Angebot zum Kauf von 2,3 Kilo Rinder-Hack zu übermitteln. Eine Willenserklärung unter Einsatz eines Erklärungsboten gilt dann als abgegeben, wenn die Erklärung dem Boten gegenüber abgeschlossen ist und dieser die Weisung erhalten hat, die Erklärung an den Empfänger zu übermitteln. Diese Erklärung geht dem Empfänger nach den Grundsätzen der Übermittlung von Willenserklärungen unter Abwesenden zu. S übermittelt dem E das Angebot der M mit dem Inhalt, 3,2 Kilo Rinder-Hack zu kaufen. E nimmt dieses Angebot an. Damit ist ein Vertrag über den Kauf von 3,2 Kilo Rinder-Hack zustande gekommen.

3. M kann das Angebot wegen falscher Übermittlung anfechten (§§ 142 Abs. 1, 120 BGB).

Genau, so ist das!

Nach § 120 BGB kann eine Willenserklärung, welche durch einen Erklärungsboten (§ 120 Alt. 1 BGB) unrichtig übermittelt worden ist, unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden wie eine nach § 119 BGB irrtümlich abgegebene Willenserklärung. Damit stellt das Gesetz die unrichtige Übermittlung einem Inhaltsirrtum oder einem Erklärungsirrtum gleich. Voraussetzung ist (1) der Einsatz eines Erklärungsboten und (2) eine unbewusst unrichtige Übermittlung. M wollte 2,3 Kilo Rinder-Hack kaufen. S hat diese Erklärung unwissend unrichtig übermittelt. Damit kann M die Erklärung gegenüber E anfechten (§§ 142, 120 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Tigerwitsch

Tigerwitsch

18.2.2021, 19:01:00

Könnte E gemäß

122 BGB

Schaden

sersatz dahingehend verlangen, dass das (zusätzliche) Rinderhack schnell verderblich ist bzw nicht mehr verkäuflich ist?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

18.2.2021, 21:12:20

Hallo Tigerwitsch, absolut, der

Schaden

wäre dann in Höhe des Vertrauens

schaden

s, begrenzt durch das positive Interesse zu ersetzen. Im Ergebnis hier wohl in Höhe des Kaufpreises weshalb sich die Anfechtung nicht lohnen würde.

nullumcrimen

nullumcrimen

2.6.2024, 15:39:18

Warum trägt hier nicht die M das Risiko der falschen Übermittlung? Oder kommt es hier bei der Anfechtung nicht darauf an?

LELEE

Leo Lee

3.6.2024, 11:24:38

Hallo nullumcrimen, vielen Dank für die sehr gute Frage! Das Risiko der falschen Übermittlung trägt hier nach wie vor die M, da sie ihr Kind losschickt. Wie du aber zu Recht anmerkst, hat dieses Risko bei der Anfechtung keine Bedeutung, denn die Anfechtung soll gerade diejenigen Fälle erfassen, wo eine Willenserklärung – u.a. durch einen

Boten

– falsch abgeschickt oder übermittelt wird, wie

120 BGB

klarstellt. Deshalb kann hier die M nach wie vor anfechten. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Armbrüster § 120 Rn. 4 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

HAGE

hagenhubl

21.10.2024, 09:34:45

Nur ist es nicht problematisch, da der Metzger das Hack nicht mehr anderweitig verkaufen kann? Muss die Mutter dann nicht über

Schaden

ersatz trotzdem zahlen?

Kathi

Kathi

23.10.2024, 09:36:14

Ja, dafür gibt es dann den § 122. Sie kann zwar anfechten, könnte aber trotzdem ggf.

schaden

ersatzpflichtig sein ggü. E.

AN

antoniaaakr

10.3.2025, 16:43:00

Weiß jemand, wie man damit umgeht, wenn ein Stellvertreter im Laden in der Preisliste versehentlich einen falschen Preis abliest? Wie könnte der Geschäftsherr anfechten?

AN

Antonia

5.9.2024, 16:33:30

Wenn der

Erklärungsbote

S angewiesen wurde, 2,3kg zu kaufen, unbewusst unrichtig aber eine Willenserklärung auf Kauf von 3,2kg übermittelt, handelt es sich dann nicht um den Fall, wo der Umfang der

Boten

macht überzogen wurde, also analog §177ff ein „

Bote ohne Botenmacht

“ vorliegt mit der Folge, dass das Geschäft schwebend unwirksam ist bis zur Genehmigung oder Verweigerung?

STE

Stella2244

3.11.2024, 18:00:51

Ich würde sagen hier liegt ein klarer Fall des

§ 120 BGB

vor. Deine Konstellation würde vorliegen, wenn es sich um einen Schein

boten

handelt, wenn also die M den S gar nicht angewiesen hätte, er also ohne

Boten

macht gehandelt hätte.

LMA

Lt. Maverick

30.6.2025, 10:53:34

@[Antonia](79449) Zunächst einmal trägt M als Erklärende das Risiko der unrichtigen Übermittlung. Dieses bezieht sich aber auf die unbewusst unrichtige Übermittlung durch den

Erklärungsbote

n (

§ 120 BGB

). Der S gibt keine eigene, sondern die Erklärung der M ab. Ändert der S bewusst die Erklärung ab, also verfälscht er sie, so übermittelt er nicht mehr die von M abgegebene Erklärung. Die ursprüngliche Erklärung der M (2,3kg) ist dem Geschäftspartner nie zugegangen. Für die verfälschte Willenserklärung bestand keine

Boten

macht. Dann hätten wir einen Fall der Pseudo

boten

schaft, welche dem Vertreter ohne Vertretungsmacht gleichgestellt wird. Hier muss eine Abgrenzung erfolgen, da sonst jede irrtumsbehaftete Übermittlung durch einen

Boten

in Pseudo

boten

schaft umgedeutet werden würde und

§ 120 BGB

obsolet wäre.


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