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Jurafuchs

K besucht als Verbraucher eine Konsumgüter-Messe. Dort unterhält V einen Stand. K kauft bei V einen Staubsauger für 1000,-€. V klärt K nicht über ein Widerrufsrecht auf. Nach einem Monat bereut K den Kauf und möchte den Staubsauger zurückgeben.

Einordnung des Falls

Widerrufsrecht bei Messekauf

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat ein gesetzliches Widerrufsrecht aus § 312g Abs. 1 BGB, wenn er den Kaufvertrag mit V "außerhalb von Geschäftsräumen" geschlossen hat (§ 312b BGB).

Ja, in der Tat!

Das Widerrufsrecht ergibt sich aus §§ 312g Abs. 1 BGB. §312b BGB definiert genauer, wann ein Vertrag "außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen" ist. Diese Normen sind gemäß § 312 Abs. 1 BGB anwendbar, weil es sich bei dem Rechtsgeschäft um einen Verbrauchervertrag (§ 310 Abs. 3 BGB) zwischen K als Verbraucher (§ 13 BGB) und V als Unternehmer (§ 14 BGB) über eine entgeltliche Leistung handelt.

2. Die §§ 312a bis 312h BGB gelten nur für Verbraucherverträge, d.h. Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§ 310 Abs. 3 BGB).

Ja!

Der Anwendungsbereich der §§ 312ff. BGB ergibt sich aus § 312 Abs. 1 BGB. Danach gelten die §§312a bis 312h nur für Verbraucherverträge. Anders § 312i BGB (Allgemeine Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr): Der ist auch im Rechtsverkehr zwischen Unternehmern anwendbar. K hat den Kauf als Verbraucher (§ 13 BGB) getätigt, V hat als Unternehmer agiert (§ 14 BGB).

3. Bei dem Messestand des V handelt es sich um einen "Geschäftsraum", d.h. einen beweglichen Gewerberaum, in dem der V seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. (§ 312b Abs. 2 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

EuGH: Für "gewöhnlich" übe ein Unternehmer seine Tätigkeit in einem beweglichen Gewerberaum aus (§ 312b Abs. 2 S. 1 BGB), wenn die unternehmerische Tätigkeit dort üblich sei, d.h. ein Durchschnittsverbraucher damit rechnen könne, dort vom Unternehmer angesprochen zu werden. Dies sei nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, etwa nach Erscheinungsbild des Standes und vor Ort verbreiteten Informationen (RdNr. 33ff.). Hier lassen die Umstände Verkaufsgespräche erwarten, somit handelt es sich bei dem Messestand um einen Geschäftsraum.

4. K kann den Kaufvertrag widerrufen.

Nein, das trifft nicht zu!

§§ 312g, 312b Abs. 2 BGB basieren auf Unionsrecht. Sie sollen Verbraucher vor psychischem Druck und Überrumpelung schützen. Diesen Schutz benötigen Käufer, die sich von sich aus in Verhandlungssituationen begeben, nicht. Sofern der Vertragsabschluss in einem Verkaufsraum erfolgt, besteht deshalb kein Widerrufsgrund (vgl. § 312b Abs. 1 BGB)K hat den Kaufvertrag mit V nicht "außerhalb von Geschäftsräumen" geschlossen, wie es § 312g Abs. 1 BGB verlangt. Ihm steht damit kein Widerrufsgrund zu.

5. Wenn K ein gesetzliches Widerrufsrecht hat und rechtzeitig den Widerruf erklärt, hat er einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 355 Abs. 3 S. 1 BGB).

Ja!

Beachte terminologisch: Das Widerrufsrecht ist ein Gestaltungsrecht. Als solches ist es von dem daraus resultierenden Anspruch zu trennen. Es gibt also keinen Anspruchauf ein Gestaltungsrecht, sondern nur Ansprüche aus Gestaltungsrechten! Als Rechtsfolge kann K die Rückgewähr der Leistung verlangen, wenn ein Widerrufsrecht vorliegt und er rechtzeitig den Widerruf erklärt hat (§ 355 Abs. 1 BGB). Der Anspruch ergibt sich aus § 355 Abs. 3 BGB. Diese Norm ist in der Klausur als Anspruchsgrundlage zwingend voranzustellen. Davon ist der Widerrufsgrund strikt zu trennen.

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CatchMeIfYouCan

CatchMeIfYouCan

22.3.2020, 11:06:45

Ergibt sich aus der letzten Frage nicht ein Widerrufsrecht nach §355 Abs. 2 BGB? Dann hat er ein Widerrufsrecht (das er nach Ablauf der Frist verwirkt hat). Kann man mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nicht davon ausgehen, daß ein Widerrufsrecht von 2 Wochen i.d.R. üblich sind? Vielen Dank

SNEU

Stefan Thomas Neuhöfer

31.3.2020, 16:24:30

Hi, vielen Dank für den Beitrag! Leider stehe ich etwas auf dem Schlauch und verstehe nicht genau, was Du meinst- würdest Du mir bitte nochmal etwas auf die Sprünge helfen? In § 355 Abs. 2 BGB ist ja grundsätzlich nur die Frist des Widerrufes geregelt. Allerdings setzt der Widerruf mit den Rechtsfolgen der Rückabwicklung gem. §§ 355ff. BGB (gedanklich vorgelagert) ein WiderrufsRECHT voraus. Nur wenn ein solches WiderrufsRECHT besteht, kann binnen der WiderrufsFRIST der Widerruf erklärt werden. Ich freue mich auf Deine Antwort, damit wir hier alle Fragen klären können! Viele Grüße Für das Jurafuchs-Team - Stefan

CatchMeIfYouCan

CatchMeIfYouCan

31.3.2020, 16:34:53

Hey Stefan, ich dachte bei Verbraucherverträgen hätte man automatisch ein Widerrufsrecht. Das habe ich missverstanden. Vielen Dank für Deine Antwort. Das hat mir sehr weitergeholfen. Viele Grüße Philipp

PELE

Pele

30.7.2020, 21:01:34

Auch für mich stellt sich die Frage, ob nicht doch ein Widerspruchsrecht besteht. Die Konstellation ist irgendwie nicht so gut verständlich.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

31.7.2020, 00:16:09

Hallo Pele, danke für die Frage. Ein Verbraucher hat nicht automatisch ein Widerrufsrecht, dieses muss ausdrücklich in einer Norm geregelt sein. In Betracht käme hier nur ein Widerrufsrecht aus 312g iVm. 312b BGB. Dazu müsste der Kaufvertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen sein. Ein Messestand gilt aber als mobiler / beweglicher Gewerberaum (312b II BGB), vgl. dazu nochmal unsere letzte Frage. Daher wurde der Kaufvertrag nicht außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen und dem Käufer steht kein Widerrufsrecht zu. Das Verbraucherschutzrecht gehört zu den beliebtesten aber auch komplizierten Materien des BGB. Ich kann sehr empfehlen einmal die §§ 312ff BGB sorgfältig zu lesen, dann erschließt sich einiges.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

31.7.2020, 00:18:28

(Natürlich meinte ich die vorletzte Frage.) Wenn weiterhin noch etwas unklar ist, dann melde dich gerne.

ZAV

Zavviny

19.9.2020, 15:11:38

Wieso kann er ihn nicht widerrufen wenn nach 355 III die Frist nicht vor der Belehrung beginnt?

TJU

Tr(u)mpeltier junior

26.1.2021, 11:20:08

Einer Belehrung bedarf es nur, wenn ein Widerrufsrecht besteht. Schon daran fehlt es vorliegend. Da der Vertrag nicht außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde (und auch sonst keiner der in §§312 ff. Bgb geregelten Fälle vorliegt), fehlt es aber bereits grds an einem Widerrufsrecht.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

12.11.2021, 10:43:06

Vielen Dank euch beiden, wir haben die Aufgabe nun noch einmal überarbeitet, um deutlicher zu machen, dass der Vertragsschluss "in" einem Geschäftsraum erfolgte und damit kein Widerrufsgrund vorliegt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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