Leistungs- und Schutzpflichten II (§ 241 I, II BGB)

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Personenschützerin P hat sich vertraglich verpflichtet, die Sängerin S vor aufdringlichen Fans zu schützen. Während dieser Tätigkeit erfährt sie Details über das Privatleben der S. Nachdem sie diese Details an die Presse weitergibt, verlangt S diesbezüglich Schadensersatz.

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Einordnung des Falls

Leistungs- und Schutzpflichten II (§ 241 I, II BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Damit S einen (quasi-) vertraglichen Schadensersatzanspruch geltend machen kann, müsste P ihre geschuldeten Pflichten verletzt haben.

Ja, in der Tat!

Neben dem Bestehen eines Schuldverhältnisses, knüpfen sämtliche (quasi-) vertraglichen Schadensersatzansprüche einheitlich an den Tatbestand der Pflichtverletzung an (§ 280 Abs. 1 BGB). Unabhängig davon, welchen (quasi-) vertraglichen Schadensersatzanspruch S verfolgen möchte, muss sie somit eine Pflichtverletzung der P geltend machen.Liegt der besondere Fall der Unmöglichkeit vor, erlischt zwar die Leistungspflicht (§ 275 Abs. 1 BGB), weshalb denklogisch keine Pflicht mehr verletzt werden kann. Allerdings wird in einem solchen Fall die Nichtleistung des Schuldners aufgrund der Unmöglichkeit als Pflichtverletzung eingeordnet. Dies hat den Vorteil, dass dann auch bei Unmöglichkeit das Vertretenmüssen vermutet wird (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).
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2. Indem P Informationen über das Privatleben der S an die Presse weitergegeben hat, hat sie ihre vertraglich vereinbarte Leistungspflicht verletzt. Es liegt eine Schlechtleistung vor (§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB).

Nein!

Eine Schlechtleistung liegt vor, wenn der Schuldner eine Leistungspflicht nicht wie geschuldet erbracht hat (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB). Leistungspflicht ist die vertragliche Verpflichtung des Schuldners zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen (§ 241 Abs. 1 S. 2 BGB), das der der Veränderung der bestehenden Güterordnung dient.Die geschuldete Leistungspflicht der P besteht darin, S vor aufdringlichen Fans zu schützen. Durch die Weitergabe der Information an die Presse hat P diese Leistungspflicht nicht verletzt.

3. Indem P Informationen über das Privatleben der S an die Presse weitergegeben hat, hat sie ihre Schutzpflicht verletzt (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Schutzpflicht bezeichnet die Pflicht jeder Partei die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei bei der Leistungserbringung zu berücksichtigen.Durch die Weitergabe von sensiblen Informationen an die Presse hat P das allgemeine Persönlichkeitsrecht der S verletzt (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Mithin liegt eine Schutzpflichtverletzung vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

OK

Okolyt

22.9.2022, 13:30:25

Könnte man hier auch den 611 mitzitieren und demnach einen SE nach 611 I, 280 I, 241 II BGB annehmen oder wäre das falsch?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.9.2022, 10:46:21

Hallo Okolyt, bei Vertragstypen ohne Gewährleistungsrecht wird dieser nicht mitzitiert, da dieser nicht die Anspruchsgrundlage bildet. Zu zitieren wäre die Vorschrift, die aus besonderem Gewährleistungsrecht auf § 280 Abs. 1 BGB verweist. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DIAA

Diaa

5.8.2023, 11:49:13

Hervorragende Darstellung der verschiedenen Arten von Pflichten des Schuldners bzw. des Gläubigers! Vielen lieben Dank.

QUIG

QuiGonTim

8.12.2023, 22:55:26

Liebes Jurafuchs-Team, unter der ersten Antwort schafft ihr eine Verbindung zwischen Pflichtverletzung und Unmöglichkeit. Mir ist weder klar, was die Ausführungen genau sagen wollen noch warum sie gerade an dieser Stelle stehen. Könntet ihr das nochmal erklären?

LELEE

Leo Lee

9.12.2023, 18:12:20

Hallo QuiGonTim, vielen Dank für dein Feedback! In der Tat hat die Vertiefung zur ersten Antwort (betreffend die Unmöglichkeit) erstmal „nichts“ zu tun mit der Aufgabe. Wir wollten jedoch – deshalb befindet sich der Text unter „Vertiefung“ – einen kleinen „Exkurs“ machen und erwähnen, dass nicht immer streng auf die

Leistungspflicht

als Gegenstand der Pflichtverletzung abgestellt werden kann, da es eben auch diejenigen Fälle gibt, in denen die

Leistungspflicht

aufgrund Unmöglichkeit eben nicht mehr verletzungsfähig sind. In einem solchen Fall wird dann der Anknüpfungspunkt zeitlich „vorverlagert“ zu der Herbeiführung der Unmöglichkeit. Da jedoch die Formulierung wie von dir völlig zu Recht angemerkt irreführend war, haben wir den Vertiefungstext nunmehr etwas „abstrakter“ formuliert und würden uns freuen, wenn du uns bzgl. des neuen Text Feedback geben könntest (vor allem dazu, ob diese Verwirrung ausgeräumt wurde). I.Ü. kann ich dir zum Themenkreis Pflichtverletzung im Falle der Unmöglichkeit die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Ernst § 283 Rn. 5 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

AN

annaadele

2.1.2024, 16:13:25

Hey Leo, ich habe soeben diesen Aufgabenkomplex zum ersten Mal behandelt und es ging mir, offenbar trotz vorgenommener Änderung, nach wie vor so wie QuiGonTim. Inhaltlich ist der Exkurs verständlich, jedoch geht man von einem Zusammenhang zum Fall aus, der hier jedoch fehlt. Dadurch ist der Exkurs ein wenig "zusammenhangslos" und sehr verwirrend. Inhaltlich finde ich den Exkurs wichtig und deine Ergänzungen hier in der Kommentarspalte sehr aufschlussreich. Vielleicht könnt Ihr den Exkurs anhand eines kleinen Extra-Falls oder durch Angliederung an eine andere Aufgabe noch einmal besser aufbereiten? Beste Grüße

EM

emmiii

9.1.2024, 12:14:28

Ich schließe mich annaadele komplett an!


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