Zivilrecht

Sachenrecht

Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Grundfall: Fahrnisverbindung - Miteigentum (§ 947 Abs. 1 BGB)

Grundfall: Fahrnisverbindung - Miteigentum (§ 947 Abs. 1 BGB)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E ist Eigentümerin eines Holzrahmens (Wert: 20 €) ihre Mitunternehmerin M ist Eigentümerin einer Glasscheibe (Wert: 30 €). Die Glasscheibe wird nun fest mit dem Holzrahmen verbunden, wodurch ein Herauslösen aus dem Rahmen unmöglich wird.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Fahrnisverbindung - Miteigentum (§ 947 Abs. 1 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch die Herstellung des Fensters haben sich E und M über die rechtsgeschäftliche Übertragung von Eigentum geeinigt (§§ 929ff. BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Sämtliche Tatbestände zur rechtsgeschäftlichen Übertragung des Eigentums (§§ 929ff. BGB) setzen die Einigung über den Eigentumsübergang voraus.Vorliegend wäre nur eine konkludente Einigung durch das Zusammenbauen des Fensters denkbar. Allerdings sind hierfür keinerlei Anhaltspunkte im Sachverhalt erkennbar. Insbesondere haben sich E und F nicht darüber geeinigt, wer zu welchem Anteil Eigentum an dem Fenster erwerben soll.
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2. Bei dem Holzrahmen und der Glasscheibe handelt es sich um bewegliche Sachen.

Ja, in der Tat!

Bewegliche Sachen werden durch negative Abgrenzung von unbeweglichen Sachen definiert. Somit ist alles, was nicht Grundstück, einem Grundstück gleichgestellt oder Bestandteil eines Grundstücks ist, eine bewegliche Sache.Die Glasscheibe und der Rahmen sind jeweils weder Grundstücke noch einem Grundstück gleichgestellt. Zum Zeitpunkt der Herstellung des Fensters sind die Glasscheibe und der Holzrahmen auch nicht in irgendeiner Form mit einem Grundstück verbunden und damit kein wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks (§ 94 BGB). Sowohl der Rahmen als auch die Glasscheibe sind damit eine bewegliche Sache.

3. Bei der Verbindung von zwei beweglichen Sachen kann ein gesetzlicher Eigentumserwerbstatbestand einschlägig sein.

Ja!

Neben dem Eigentumserwerb durch Verbindung mit einem Grundstück (§ 946 BGB) kann auch bei der Verbindung zweier beweglicher Sachen (sog. Fahrnisverbindung) der Eigentumserwerb kraft Gesetzes erfolgen (§ 947 BGB). Dies setzt voraus, dass (1) zwei bewegliche Sachen, (2) dergestalt miteinander verbunden werden, dass sie (3) wesentlicher Bestandteil (§ 93 BGB) einer einheitlichen Sache werden.

4. Wurden die Glasscheibe und der Holzrahmen miteinander verbunden?

Genau, so ist das!

Die Verbindung zweier Sachen liegt vor, wenn zwei Sachen derart zusammengefügt werden, dass sie Bestandteil einer neuen Sache werden. Bei der Verbindung handelt es sich um einen Realakt.Vorliegend wurde durch das Zusammenfügen von Holzrahmen und Glasscheibe die neue Sache „Fenster“ hergestellt.

5. Rahmen und Glasscheibe sind wesentliche Bestandteile (§ 93 BGB) einer einheitlichen Sache.

Ja, in der Tat!

Wesentlicher Bestandteil einer Sache (§ 93 BGB) sind solche Bestandteile der Sache, die nicht voneinander getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert, wird.Die Glasscheibe wurde unlösbar mit dem Rahmen verbunden. Eine Trennung von Glasscheibe und Rahmen wäre also nur möglich, wenn mindestens eine der beiden Sachen zerstört würde.

6. Hat M durch die Verbindung Alleineigentum an dem Fenster erworben?

Nein!

Durch die Verbindung erwerben die Eigentümer der Ausgangssachen jeweils anteilig Miteigentum an der neuen Sache (§ 947 Abs. 1 BGB). Lediglich wenn eine der Ausgangssachen als Hauptsache angesehen wird (§ 947 Abs. 2 BGB), erwirbt dessen Eigentümer Alleineigentum. Eine Sache ist nur dann als Hauptsache anzusehen, wenn die übrigen Bestandteile fehlen könnten, ohne dass das Wesen der Sache beeinträchtigt werden würde. Wann dies der Fall ist, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung.Weder der Rahmen noch die Glasscheibe wären ohne den jeweils anderen Teil als Fenster verwendbar. Keine der beiden Sachen ist damit Hauptsache (§ 947 Abs. 2 BGB). Entsprechend dem Wert der Ausgangssachen erwirbt E damit zu 40 % M zu 60 % Miteigentum an dem Fenster.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EVA

evanici

15.9.2023, 12:58:14

Wieso wird die Verbindung mit einem Grundstück vor derjenigen beweglicher Sachen (§§ 946 f.) geregelt, wohingegen es bei der Regelung der wesentlichen Bestandteile (§§ 94, 93) genau umgekehrt ist? Und daran anknüpfend: Worauf würde ich bei der (baulichen) Verbindung von zwei Grundstücken z.B. mittels einer Brücke (Petronas Towers :)) abstellen, wenn sie unterschiedlichen Eigentümern gehören, tendenziell auf die Verbindung beweglicher Sachen (mit der entsprechenden Anteilsregelung)? Eine ähnliche Situation hätte ich ja auch bei Reihenhäusern etc.

LELEE

Leo Lee

16.9.2023, 13:43:13

Hallo evanici, die §§ 93 ff. haben keine eigenständige Bedeutung und sind quasi nur Legaldefinitionen, die (auch) i.R.d. § 946 zur Anwendung gelangen. Hinsichtlich deiner zweiten Frage:

§ 946 BGB

wäre in diesem Fall nicht anwendbar, da hierzu mit dem Grundstück eine bewegliche Sache (die auch fortgeschafft werden kann) verbunden werden muss. Dies dürfte bei einem Grundstück nicht der Fall sein :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo


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