Grundfall: Verarbeitung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der verarmte K stiehlt dem S einen Marmorblock (Wert: €100) und meißelt daraus eine Statue der Göttin Justitia (Wert: €250). S spürt K auf und meint, die Statue gehöre ihm.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Verarbeitung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K könnte Eigentum an der Statue durch Verarbeitung nach § 950 Abs. 1 BGB erworben haben.

Genau, so ist das!

Der Eigentumserwerb durch Verarbeitung stellt einen gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestand dar (§ 950 Abs. 1 BGB). Dieser setzt voraus, dass jemand durch (1) Verarbeitung oder Umbildung (2) eines oder mehrerer Stoffe, (3) eine neue, bewegliche Sache herstellt, (4) deren Wert nicht erheblich geringer ist als der der Rohstoffe.
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2. Die Bildhauerei des K ist eine Verarbeitung bzw. Umbildung.

Ja, in der Tat!

Die Verarbeitung bzw. Umbildung ist ein von einem natürlichen Willen getragenes Verhalten, bei dem auf den Ausgangsstoff eingewirkt und diesem dadurch neue Eigenschaften verliehen werden.K hat bewusst auf den Marmorblock eingewirkt und diesem dadurch ein anderes Aussehen verliehen.

3. Hat K eine neue Sache geschaffen?

Ja!

Wann eine neue Sache vorliegt, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung, wobei wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigten sind. Relevante Indizien sind insbesondere, dass die Sache einen neuen wirtschaftlichen Zweck hat und dass die Sache im allgemeinen Sprachgebrauch einen neuen Namen hat.K hat aus einem Marmorblock eine Statue geschaffen. Die Statue dient dabei, anders als der Marmorblock, vorrangig dazu, angesehen als Dekoration verwendet werden. Die Statue ist somit im Vergleich zum Marmor eine neue Sache.

4. Der Verarbeitungswert beträgt €250.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Verarbeitungswert ergibt sich aus dem Wert der neuen Sache abzüglich des Wertes sämtlicher verarbeiteter Sachen.Der Gesamtwert der Statue beträgt €250. Der Marmorblock war für sich genommen aber bereits €100 wert. Der Verarbeitungswert beträgt somit lediglich €150.

5. Ist der Verarbeitungswert der Bildhauerei erheblich geringer als der Wert des Ausgangsrohstoffes (§ 950 Abs. 1 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Für den gesetzlichen Eigentumserwerb nach § 950 BGB darf der Verarbeitungswert nicht erheblich geringer sein als der der verarbeiteten Rohstoffe. Der Stoffwert darf also durchaus höher sein als der Verarbeitungswert. Er darf aber nicht erheblich höher sein. Der Verarbeitungswert ist regelmäßig erheblich geringer, wenn er weniger als 60% des Wertes der Ausgangsstoffe beträgt..Der Wert der Verarbeitung (€150) liegt vorliegend sogar über dem Wert des Marmorblocks.Als Faustformel kannst du dir also merken, dass du den Wert des Ausgangsstoffs um 1.6 multiplizieren musst. Liegt im Ergebnis der Endwert über dem Wert des Ausgangsstoffs mal 1.6, ist § 950 BGB erfüllt!

6. Ein Eigentumserwerb nach § 950 Abs. 1 BGB ist vorliegend ausgeschlossen, da K den Mamorblock gestohlen hat.

Nein!

§ 950 BGB ist unabhängig davon anwendbar, ob der Verarbeiter gut- oder bösgläubig war. Darüber hinaus kann auch der Dieb über § 950 BGB Eigentum an der neu hergestellten Sache erwerben.Es ist unschädlich, dass K den Marmorblock gestohlen hat. Da sämtliche Voraussetzungen des § 950 Abs. 1 BGB vorliegen, hat K Alleineigentum an der Statue erlangt.Im Gegenzug für den Verlust seines Eigentums am Marmorblock steht S ein Entschädigungsanspruch nach § 951 Abs. 1 BGB zu.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

cjackson94

cjackson94

22.12.2022, 21:50:58

Gibt es nicht den Meinungsstreit, dass § 935 BGB analog für den gesetzlichen Eigentumsübergang gilt?

LexSuperior

LexSuperior

10.12.2023, 03:11:33

Was ist denn der tiefere Sinn dahinter das der Verarbeitungswert nicht geringer bzw. erheblich höher sein darf als der Wert der ursprünglichen Sache(n)? Und könntet ihr an dieser Stelle bitte vielleicht nochmal Kurz generell den Sinn und Zweck der gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestände erläutern? Herzlichen Dank :)

JEN

Jenny

7.2.2024, 10:48:02

Habe mir die Frage auch gestellt. Vielleicht dient es als Abgrenzung zur reinen Beschädigung/Zerstörung der Sache?

HAN

hannabuma

7.2.2024, 20:04:57

Wenn jemand beispielsweise einen Gegenstand im Wert von 100€ (Stoffwert) klaut und diesen zum Preis von 10€ (Verarbeitungswert) zu einer neuen Sache verarbeitet, wäre es unverhältnismäßig, wenn der Dieb trotz der hohen Wertdifferenz Alleineigentümer der hergestellten Sache werden würde. Diese Wertung findet sich zB auch in § 947 I a.E. und in II wieder.

JUDI

judith

17.4.2024, 10:04:52

Wie hannabumba schon sagt, ist der Eigentumserwerb des Herstellers erst ab einem bestimmten Verarbeitungswert gerechtfertigt. Dieses Werteverhältnis fügte die zweite Kommission ein. Danach genügt es für einen Eigentumserwerb des Herstellers, wenn sich der Wert des Stoffes und der Verarbeitung mindestens entsprechen. - (MüKoBGB/Füller, 9. Aufl. 2023, BGB § 950 Rn. 11) Grund für den Eigentumserwerb durch den Hersteller ist dessen wertsteigernde Arbeit und der Anerkennung der wertvollen Arbeit als Erwerbsgrund– (BeckOK BGB/Kindl § 950 Rn. 1)


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