Referendariat

Die Revisionsklausur im Assessorexamen

Zulässigkeit der Revision

Abwandlung: eigenmächtiges Entfernen bei Verteidigung

Abwandlung: eigenmächtiges Entfernen bei Verteidigung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

L wird am Dienstag, den 02.08., ordnungsgemäß durch das Amtsgericht Mettmann verurteilt. Kurz nach Beginn der Urteilsverkündung stürmt L erbost aus dem Saal. Ihr zur Vertretung bevollmächtigter Verteidiger (V) bleibt. Am Freitag, den 05.08. , werden L die schriftlichen Urteilsgründe zugestellt.

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Einordnung des Falls

Abwandlung: eigenmächtiges Entfernen bei Verteidigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Beginn der Revisionseinlegungsfrist richtet sich vorliegend nach § 341 Abs. 1 StPO.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Regelfall des § 341 Abs. 1 StPO greift nur, wenn das Urteil in Anwesenheit des Angeklagten verkündet wird. Ergeht das Urteil in Abwesenheit des Angeklagten, so richtet sich der Beginn der Revisionseinlegungsfrist nach § 341 Abs. 2 StPO. Das Urteil ergeht in Abwesenheit, sobald der Angeklagte auch nur zeitweise nicht an an der Verkündung teilnimmt.L ist während der Verkündung aus dem Sitzungssaal gestürmt. Somit erging das Urteil in ihrer Abwesenheit und die Einlegungsfrist bestimmt sich nach § 341 Abs. 2 StPO.
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2. Ergeht das Urteil in Abwesenheit des Angeklagten, so kommt es für den Beginn der Revisionseinlegung stets auf den Tag der Zustellung des Urteils an (§ 341 Abs. 2 StPO).

Nein, das trifft nicht zu!

Grundsätzlich ist bei Abwesenheit des Angeklagten für die Revisionseinlegungsfrist der Tag der Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe maßgeblich (§ 341 Abs. 2 Hs. 1 StPO). Sofern aber einer der Ausnahmetatbestände des § 341 Abs. 2 HS. 2 StPO erfüllt ist, beginnt die Revisionseinlegungsfrist trotz Abwesenheit des Angeklagten mit Verkündung des Urteils.Für die Examensklausur ist dabei primär § 234 StPO (allgemeine Vertretung in der Hauptverhandlung) relevant.

3. L wurde durch V wirksam vertreten, sofern die Hauptverhandlung ohne ihre weitere Anwesenheit stattfinden konnte (§ 234 StPO).

Ja!

Der abwesende Angeklagte kann durch seinen Verteidiger vertreten werden, wenn (1) die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten stattfinden kann (u.a. § 231 Abs. 2; § 231b StPO) und (2) der Verteidiger eine Vertretungsvollmacht besitzt.Eine Vertretungsmacht liegt ausweislich des Sachverhalts vor. Es kommt also darauf an, ob die Hauptverhandlung berechtigt zu Ende geführt wurde. Achtung! Die Vertretungsvollmacht ist nicht gleichzusetzen mit der Verteidigervollmacht. Letztere berechtigt den Verteidiger zwar ein eigenes Recht zur Antragsstellung. Die Vertretung des Angeklagten bei dessen Abwesenheit ist davon aber nicht umfasst.

4. L wurde über die Anklage vernommen und ihre weitere Anwesenheit war entbehrlich (§ 231 Abs. 2 StPO).

Genau, so ist das!

Ausweislich des Sachverhaltes wurde L ordnungsgemäß verurteilt. Zum ordnungsgemäßen Gang des Strafprozesses gehört dabei auch die Vernehmung des Beschuldigten (§ 243 Abs. 5 S. 2 StPO). Es bedarf auch der weiteren Anwesenheit der L nicht, da nach Beginn der Urteilsverkündung ohnehin keine Anträge mehr angebracht werden können.

5. Die Verhandlung könnte auch bei schuldloser Abwesenheit fortgesetzt werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Ausweislich des offenen Wortlauts des § 231 Abs. 2 StPO scheint eine Fortsetzung der Hauptverhandlung auch bei schuldloser Abwesenheit des Angeklagten möglich. Es besteht aber Einigkeit, dass mit Blick auf den Sinn und Zweck der Norm die Fortsetzung nur möglich sein soll, wenn der Angeklagte sich eigenmächtig entfernt hat. Eigenmächtig handelt der Angeklagte, der ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe wissentlich seiner Anwesentheitspflicht nicht genügt (M-G/S, § 231 RdNr. 10).Der Umstand, dass L das Ergebnis des Urteils nicht gefällt, entschuldigt nicht ihren vorzeitigen Weggang. Somit hat sie sich eigenmächtig entfernt.

6. L kann bis zum Ablauf des Freitags, 12.8, Revision einlegen.

Nein!

Bei Wochenfristen endet die Frist mit Ablauf des Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat (§ 43 Abs. 1 StPO).V hat L wirksam bei der Urteilsverkündung vertreten (§ 234 StPO). Die Revisionseinlegungsfrist beginnt damit am Tag der Verkündung, also Dienstag, den 02.08. zu laufen (§ 341 Abs. 2 Hs. 2 StPO) und endet mit Ablauf des darauffolgenden Dienstags (09.08.).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MGA

Michelle Ga

26.2.2023, 16:05:23

Kein wirklicher Fehler, aber bei fast allen Infotexten von allen Aufgaben fehlt bei der Datumsangabe des Augusts der Punkt (also 02.08 , statt 02.08.). Eventuell wollt ihr das ja abändern.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

20.3.2023, 18:46:18

Hallo Michelle Ga, danke für den Hinweis. Natürlich sollen nicht nur die rechtlichen Infos, sondern auch sonstige Angaben im Sachverhalt richtig und auch formgerecht dargestellt werden. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Mareici

Mareici

20.12.2023, 17:43:50

Bei der Frage zu § 231 II StPO könnte man vielleicht noch ergänzen, dass der Angeklagte bereits in der Ladung darauf hingewiesen worden sein muss, dass die Verhandlung in den in § 231 II StPO genannten Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann :-)

HI

Hille93

18.2.2024, 10:59:47

Habe ich es richtig verstanden; im Zivilrecht würde die Frist mit Ereignis am 2.8. erst am 3.8. zu laufen beginnen (§ 222 Abs. 1 ZPO iVm § 187 Abs. 1 BGB) im Strafrecht aber bereits am 2.8. (§ 43 Abs. 1 StPO)? puuh.

PAT

Patrick4219

23.2.2024, 14:06:54

Genau so ist es, nach § 42 StPO wird der Tag des fristbegründenden Ereignisses nur dann NICHT mitgerechnet, mithin der Fristbeginn auf den nächsten Tag verschoben, wenn es um eine Tagesfrist geht. Der Normalfall ist jedoch die Wochen-/Monatsfrist nach § 43 StPO. Hier zählt bereits der Tag des fristbestimmenden Ereignisses als Fristbeginn.


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