+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die 20-jährige A hat ihren konservativen Vater mittlerweile überzeugt, dass sie alt genug ist, um prozessfähig zu sein. Der Vater meint nun, A müsse sich bei der Einlegung der Verfassungsbeschwerde anwaltlich vertreten lassen.
Einordnung des Falls
Postulationsfähigkeit 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Prozessfähigkeit im Zusammenhang eines Gerichtsverfahrens bedeutet die Fähigkeit, einen Prozess zu führen und Prozesshandlungen vorzunehmen.
Genau, so ist das!
Die Prozessfähigkeit beinhaltet die Fähigkeit, selbst oder durch einen selbst gewählte Vertreter einen gerichtlichen Prozess zu führen, also die maßgeblichen Prozesshandlungen vorzunehmen bzw. entgegenzunehmen. Das BVerfGG enthält keine eigenen Regelungen zur Prozessfähigkeit der Beteiligten. Die Regelungen aus anderen Verfahrensordnungen werden für die Prozessfähigkeit im Rahmen der Verfassungsbeschwerde entsprechend angewandt (vgl. §§ 62 VwGO, 51 ZPO).Als Volljährige ist A prozessfähig.
2. Für die Einlegung von Verfassungsbeschwerden vor dem BVerfG herrscht Anwaltszwang. A benötigt einen Rechtsanwalt.
Nein, das trifft nicht zu!
Von der Prozessfähigkeit ist die Postulationsfähigkeit zu unterscheiden, also die Frage, ob die Prozesshandlungen vom Beteiligten auch selbst vorgenommen werden können. Beim sog. Parteiprozess fallen Prozess- und Postulationsfähigkeit zusammen, beim sog. Anwaltsprozess müssen die prozessfähigen Beteiligten sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen (z.B. vor dem LG, § 78 Abs. 1 S. 2 ZPO). Für Verfahren vor dem BVerfG gilt ausweislich § 22 Abs. 1 S. 1 BVerfGG die Möglichkeit ("kann"), sich vertreten zu lassen, jedoch grundsätzlich kein Anwaltszwang. A ist für die Einlegung der Verfassungsbeschwerde auch postulationsfähig.
Beachte aber, dass im Falle einer mündlichen Verhandlung eine anwaltliche Vertretung während der Verhandlung notwendig ist (§ 22 Abs. 1 S. 1 HS. 2 BVerfGG). Die Vertretung kann auch durch einen Rechtslehrer, also einen Professor, erfolgen.