Postulationsfähigkeit 1

3. Dezember 2024

4,9(6.498 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 20-jährige A hat ihren konservativen Vater mittlerweile überzeugt, dass sie alt genug ist, um prozessfähig zu sein. Der Vater meint nun, A müsse sich bei der Einlegung der Verfassungsbeschwerde anwaltlich vertreten lassen.

Diesen Fall lösen 87,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Postulationsfähigkeit 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Prozessfähigkeit im Zusammenhang eines Gerichtsverfahrens bedeutet die Fähigkeit, einen Prozess zu führen und Prozesshandlungen vorzunehmen.

Genau, so ist das!

Die Prozessfähigkeit beinhaltet die Fähigkeit, selbst oder durch einen selbst gewählte Vertreter einen gerichtlichen Prozess zu führen, also die maßgeblichen Prozesshandlungen vorzunehmen bzw. entgegenzunehmen. Das BVerfGG enthält keine eigenen Regelungen zur Prozessfähigkeit der Beteiligten. Die Regelungen aus anderen Verfahrensordnungen werden für die Prozessfähigkeit im Rahmen der Verfassungsbeschwerde entsprechend angewandt (vgl. §§ 62 VwGO, 51 ZPO).Als Volljährige ist A prozessfähig.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Für die Einlegung von Verfassungsbeschwerden vor dem BVerfG herrscht Anwaltszwang. A benötigt einen Rechtsanwalt.

Nein, das trifft nicht zu!

Von der Prozessfähigkeit ist die Postulationsfähigkeit zu unterscheiden, also die Frage, ob die Prozesshandlungen vom Beteiligten auch selbst vorgenommen werden können. Beim sog. Parteiprozess fallen Prozess- und Postulationsfähigkeit zusammen, beim sog. Anwaltsprozess müssen die prozessfähigen Beteiligten sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen (z.B. vor dem LG, § 78 Abs. 1 S. 2 ZPO). Für Verfahren vor dem BVerfG gilt ausweislich § 22 Abs. 1 S. 1 BVerfGG die Möglichkeit ("kann"), sich vertreten zu lassen, jedoch grundsätzlich kein Anwaltszwang. A ist für die Einlegung der Verfassungsbeschwerde auch postulationsfähig. Beachte aber, dass im Falle einer mündlichen Verhandlung eine anwaltliche Vertretung während der Verhandlung notwendig ist (§ 22 Abs. 1 S. 1 HS. 2 BVerfGG). Die Vertretung kann auch durch einen Rechtslehrer, also einen Professor, erfolgen.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

jomolino

17.12.2021, 18:25:30

Hier differenziert ihr jetzt ja…

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.12.2021, 21:00:11

Hi nomamo, in der Tat ist die gängige Abgrenzung in der Literatur reichlich kryptisch: „Die Verfahrensfähigkeit (=

Prozessfähigkeit

) bezeichnet die Fähigkeit, Prozesshandlungen aus eigenem Recht selbst oder durch einen selbst gewählten Bevollmächtigten vor- und entgegenzunehmen.“ (Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge/Bethge, 60. EL Juli 2020, BVerfGG § 90 Rn. 169) „Von der

Prozessfähigkeit

(Verfahrensfähigkeit) zu unterscheiden ist die

Postulationsfähigkeit

. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit, rechtserhebliche prozessuale Handlungen selbst vorzunehmen.“(Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge/Bethge, 60. EL Juli 2020, BVerfGG § 90 Rn. 175) Als Gedankenstütze kann man sich aber zur Unterscheidung merken, dass es bei der

Prozessfähigkeit

im Kern eigentlich um die Frage geht, ob ich eine Prozesshandlung physisch (=zB keine juristische Person, sondern nur ihr gesetzlicher Vertreter) und geistig ausführen kann (=keine Geschäftsunfähigen, beschränkt Geschäftsfähige nur soweit sie das Grundrecht ihrem Wesen nach begreifen). Dagegen geht es bei der

Postulationsfähigkeit

um die Frage, ob die Handlung auch rechtserheblich ist. Vereinfacht gesagt: Ich KANN die Handlung nicht nur ausführen, sie BEWIRKT auch etwas. Außer in den Fällen mit Anwaltszwang fallen Postulations- und

Prozessfähigkeit

immer zusammen. Beste Grüße Lukas – für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

12.5.2024, 20:21:19

Angenommen, der Bf. wird in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten bzw. erscheint allein. Wird die VerfB dann wegen einer Säumnis verworfen?

Paulah

Paulah

13.5.2024, 13:05:59

Bei einer Verfassungs

beschwer

de kann man sich, anders als beim Zivilprozess ab Landgericht, selbst vertreten: https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Homepage/_zielgruppeneinstieg/Merkblatt/Merkblatt_node.html

Dogu

Dogu

13.5.2024, 16:12:21

Mir ging es nicht um Einleitung des Verfahrens, sondern die mündliche Verhandlung. Dort herrscht Vertretungszwang (22 I 1 a.E. BVerfGG). Was ist, wenn der

Beschwer

deführer in der mündlichen Verhandlung nicht anwaltlich vertreten wird?

Paulah

Paulah

13.5.2024, 20:59:40

Ach so, sorry, habe ich falsch verstanden. Dann weiß ich es nicht genau, würde aber die typische Juristenantwort wählen: Es kommt darauf an. In jedem Fall ist A vor Gericht nicht postulationsfähig und ihre Prozesshandlungen sind unwirksam. Der Richter hat aber, soweit ich weiß, einen gewissen Handlungsspielraum. Wenn der Richter mies gelaunt ist, könnte er die

Beschwer

de als nicht zulässig beurteilen, weil der Anwaltszwang eine Zulässigkeitsvoraussetzung ist, und die

Beschwer

de abweisen. Er könnte deshalb auch nach § 34 Abs. 2 BVerfGG eine Missbrauchsgebühr verhängen. Oder beides. Wenn er seinen netten Tag hat, könnte er aber nur auf den Anwaltszwang hinweisen und die Sitzung vertagen.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

25.5.2024, 12:08:00

Hallo ihr beiden, eine gute Frage und einige präzise Überlegungen, die du angestellt hast Paulah. Beauftragt ein Beteiligter für die mündliche Verhandlung keinen Rechtsanwalt, bleiben seine vorher schriftlich gestellten Anträge zwar wirksam, er kann in der mündlichen Verhandlung aber keine Anträge stellen und keine sonstigen prozessualen Rechte (z. B. Zeugenbefragung) wahrnehmen. Der fehlende Nachweis einer wirksamen Vollmacht führt zur

Unzulässig

keit des verfassungsgerichtlichen Rechtsbehelfs. Das Gericht kann für die Nachreichung einer Vollmacht eine Frist setzen. Die Vollmacht muss aber spätestens zu Beginn der mündlichen Verhandlung vorliegen. In der mündlichen Verhandlung selber bleiben dem Gericht daher nicht mehr viele Möglichkeiten tatsächlich. Wurde der Antragsteller zuvor auf die Bedenken gegen die

Unzulässig

keit hingewiesen, sprich auf die fehlende Vertretung in der mündlichen Verhandlung, kann der Verwerfungsbeschluss nach § 24 BVerfGG ohne Begründung ergehen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen