Tatbestandsausschließendes Einverständnis | Bedingtes Einverständnis


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T möchte einen Schokoriegel aus einem Automaten ziehen. Da er derzeit knapp bei Kasse ist, wirft er statt einer 2€ Münze eine Telefonmarke, welche eine ähnliche Form besitzt, in den Automaten. Der Schokoriegel fällt herab und T entnimmt ihn.

Einordnung des Falls

Tatbestandsausschließendes Einverständnis | Bedingtes Einverständnis

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ursprünglich hatte der Betreiber des Automaten Gewahrsam am Schokoriegel.

Genau, so ist das!

Gewahrsam bezeichnet die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft, deren Grenzen und Reichweite sich nach der Verkehrsanschauung bestimmen.Ursprünglich hatte der Betreiber das Automaten Alleingewahrsam, da infolge der Sicherung durch den Automaten der Inhalt nur ihm ohne Weiteres zugänglich war.

2. T hat neuen Gewahrsam am Schokoriegel begründet.

Ja, in der Tat!

Der Gewahrsamserwerber muss die tatsächliche Herrschaft über die Sache erlangen. Auch dies bestimmt sich maßgeblich nach der Verkehrsanschauung. Entscheidend ist, ob der Erwerber die Herrschaft ungehindert durch den früheren Gewahrsamsinhaber ausüben kann und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen.Durch die Entnahme aus dem Automaten begründete T neuen, alleinigen Gewahrsam.

3. Fremder Gewahrsam wird dann nicht gebrochen, wenn ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vorliegt.

Ja!

Gewahrsamsbruch ist die Aufhebung des Gewahrsams gegen oder zumindest ohne den Willen des ursprünglichen Gewahrsamsinhabers. Ist dieser mit der Aufhebung einverstanden, liegt kein Bruch vor (sog. tatbestandsausschließendes Einverständnis). Bei Waren- und Spielautomaten liegt nach h.M. ein Einverständnis des Berechtigten mit dem Gewahrsamsübergang vor, wenn der Automat ordnungsgemäß bedient wird.

4. T hat den Gewahrsam an dem Schokoriegel gebrochen.

Genau, so ist das!

Bedient der Täter den Automat mit Falschgeld oder präpariertem Geld, ist eine ordnungsgemäße Bedienung nach h.M. zu verneinen. Die Aufhebung des Gewahrsams erfolgt gegen den Willen des ursprünglichen Inhabers.T hat den Schokoriegel somit weggenommen (§ 242 Abs. 1 StGB). In einer Klausur kann man noch kurz auf die Leistungserschleichung (§ 265a StGB) eingehen. Nach einer Ansicht scheidet Leistungserschleichung bei Warenautomaten schon tatbestandlich aus, weil hier keine "Leistung" vorliegt. Nach einer anderen tritt Leistungserschleichung jedenfalls auf Konkurrenzebene (Subsidiarität) hinter den Diebstahl zurück.

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Ciranje

Ciranje

28.11.2020, 18:01:16

Ehrlich gesagt finde ich, dass es doch etwas Inkonsequent von Seiten der Rechtsprechung ist, hier den Gewahrsamsbruch zu bejahen und beim Benzin an der SB Tankstelle zu verneinen. Man stellt dann dabei eigentlich nur darauf an, dass die Farschgeldbenutzung ja schon erfolgt ist bevor der Gewahrsamswechsel erfolgen soll, wohingegen das Benzin idR noch nicht bezahlt ist... (wie auch immer das an der SB Tankstelle funktionieren soll). Oder übersehe ich eine entscheidende Differenzierung? Danke ;-)

JURA

Juranus

18.12.2020, 15:33:03

Ich denke, es ist bei diesen Fällen sehr wichtig, auf den Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers zu achten, denn auf diesen kommt es für den Bruch des Gewahrsams an. Der Tankstellenmitarbeiter möchte gerade, dass jedermann neuen Gewahrsam am Kraftstoff begründen kann, deshalb schaltet er die Zapfsäule frei. Der spätere Zahlungsvorgang betrifft dann die Frage des Eigentums (Fremdheit) und nicht des Gewahrsams. Hingegen bringt der Automatenbetreiber zum Ausdruck, dass er dem Gewahrsamswechsel nur sein Einverständnis geben möchte, wenn vorher (ordnungsgemäß) bezahlt/bedient wurde. Liegt das, wie im Fall, nicht vor, so fehlt es eben am Einverständnis und der Wechsel geschieht mittels eines Bruches.

Ciranje

Ciranje

18.12.2020, 15:38:22

Naja, überzeugt mich ehrlich gesagt nicht sehr. Der Tankstellenmitarbeiter macht das ja sicher auch nur gegen ordnungsgemäße Bezahlung. Aber ja auch deine Antwort macht deutlich dass es wohl nur auf die zeitliche Abfolge ankommt... erst Gewahrsam, dann Bezahlung oder umgekehrt. Danke dir jedenfalls ;)

Anastasia

Anastasia

28.5.2021, 21:35:34

Das tatbestandsausschlißende Einverständnis muss aber nicht unbedingt frei vom Willensmangel sein. In diesem Fall wird es aber bedingt gemacht, was nicht besonders konsequent zu sein scheint. Hier gibt das Opfer den Gegenstand selbst aus den Händen. Eher Betrug als Diebstahl.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.11.2021, 18:56:24

Hallo zusammen, wie Sara in einem parallelen Thread auch schon geschrieben hat, ist der maßgebliche Unterschied der beiden Situation das nach außen sichtbare Verhalten. Der BGH stellt maßgeblich darauf ab, dass aus dem äußeren Erscheinungsbild der Tathandlung ersichtlich sein muss, ob hier von einem tatbestandsausschließenden Einverständnis ausgegangen werden kann oder nicht (vgl. BGH NStZ 2012, 324). Und da die innere Zahlungsbereitschaft für den Rechtsverkehr nicht erkennbar ist, liegt im Falle des Benzins ein

tatbestandsausschließendes Einverständnis

vor, während bei dem Selbstbedienungsautomaten ein solches fehlt. Denn hier ist schon äußerlich ersichtlich, dass T hier den Automaten nicht zu den Bedingungen benutzt, die der Eigentümer an den Gewahrsams- und Eigentumsübergang stellt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Vulpes

Vulpes

4.1.2021, 11:33:17

Ist das nicht eher Computerbetrug gem. § 263a StGB? Was ist hier der Unterschied zum EC-Kartenbetrug?

Speetzchen

Speetzchen

4.1.2021, 22:45:30

hier liegt ja kein (unbefugte) Verwendung von Daten wie bei den EC Karten Fällen.

Speetzchen

Speetzchen

4.1.2021, 22:46:39

*keine *vor 😅 sorry

Isabell

Isabell

14.1.2021, 14:32:46

Beim Computerbetrug sind die Daten selbst richtig. Hier ist bereits die Münze ( also das Datum Geld) falsch aber ihre Verwendung richtig (in den Schlitz werfen, um den Mechanismus auszulösen). Deswegen hier kein Computerbetrug.

Vulpes

Vulpes

14.1.2021, 14:46:18

Erstmal danke für deine Antwort. 1) Gemäß § 263a I Var. 3 sind die - Verwendung von unrichtiger Daten oder unvollständiger Daten - umfasst. Deswegen bin ich mir nicht sicher du in deinem erstem Satz vlt einen dreher hast. 2) in der letzten Variante wird auch - sonst eine Einwirkung auf den Ablauf - als Tathandlung beschrieben. Ich finde halt, dass man dadurch das man die falsche Münze einwirft schon auf den Ablauf des Datenverarbeitungsprogramms einwirkt bzw diesen auslöst und dieses dann ja auch zum falschen Ergebnis kommt.

Isabell

Isabell

14.1.2021, 15:10:57

Ach verdammt du hast recht. Da ist ein Dreher drin. Bei dieser Abgrenzung bekomme ich sprachlich immer einen Knoten rein. Hoffentlich werde ich das niemals in der mündlichen Prüfung gefragt 😅 Die letzte Variante meint ein Einwirken auf den Ablauf in dem Sinne, dass das Programm nicht korrekt abläuft bzw. trotz korrektem Ablauf aufgrund des Einwirkens dann ein falsches Ergebnis ausspuckt. Hier läuft ja das Programm ganz normal und auch das Ergebnis am Ende stimmt. Mit deiner Argumentation bin ich in der Klausur für den gr. Schein gerauscht. Deswegen werde ich nicht mehr vergessen, dass das kein 263a ist. Da mich aber die Begründung nicht überzeugt, kann ich mir die einfach nie im Detail merken. Ich versuche mir hier die Unterschiede klar zu machen.

CLA

chuck lawris

19.10.2021, 13:44:52

Wäre hier nicht § 265a zu besprechen/zu erwähnen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.10.2021, 11:16:31

Danke für den Hinweis, chuck! Aufgrund der Kürze unserer Fälle gehen wir in den didaktischen Kursen immer nur auf spezifische Punkte eines Falles ein. Insofern sind diese nicht abschließend zu verstehen. In der Tat kann man hier also noch auf die Leistungserschleichung eingehen, die aber im Ergebnis nicht greift. Umstritten ist lediglich die Begründung. Teilweise wird mit dem Wortlaut der Norm argumentiert und darauf abgestellt, dass ein Warenautomat keine eigenständige "Leistung" erbringe. Damit sei schon nicht der Tatbestand erfüllt. Teilweise wird zwar der Tatbestand bejaht, dann aber auf Ebene der Konkurrenzen festgestellt, dass die Leistungserschleichung gegenüber dem Diebstahl jedenfalls subsidiär ist und deswegen dahinter zurücktritt. Wir haben das nun noch als Klausurhinweis aufgenommen, damit man diesen Prüfungspunkt nicht vergisst. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

AL

Alissia

18.2.2024, 13:58:29

also wäre hier, auch eine abgrenzung zum betrug anzusprechen ?

Lord Denning

Lord Denning

22.5.2024, 11:53:28

Ich finde das Ergebnis etwas unklar, kommt es doch bei Menschen nicht auf den hypothetischen Willen, sondern nur auf den tatsächlichen Willen an. Eine Täuschung ist dann unerheblich. Liegt es daran, dass der Wille des Automatenbetreibers eher ist, den Gewahrsam aufzugeben, sofern eine Bezahlung stattfindet? Auch erscheint mir § 265a eher als eine speziellere Norm.

Lord Denning

Lord Denning

22.5.2024, 12:20:50

Ah, bzgl. des vermeintlichen Spezialitätsverhältnisses habe ich den Subsidiaritätspassus unsauber überlesen. Ersteres ist mir dennoch etwas unklar.

VI

Viktoria6

11.6.2024, 12:49:01

Ich habe bei diesem Beispiel tatsächlich zunächst an einen Betrug durch konkludente Täuschung gedacht.Könnte man den hier im Ergebnis bejahen? Oder woran würde ein Betrug scheitern?

TI

Timurso

11.6.2024, 23:09:18

Diebstahl und Betrug schließen einander aus. Dadurch, dass nach Ansicht des OLG Celle der Gewahrsam hier gebrochen wurde, liegt gerade keine Vermögensverfügung vor. Wenn man dagegen den Gewahrsamsbruch ablehnen würde, müsste man sich durchaus mit dem Betrug beschäftigen, auch wenn wir hier eher beim Computerbetrug wären.


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