§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB - Individualabrede


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Student S will ein Fahrrad kaufen. Händlerin H legt S ein vorgedrucktes Kaufvertragsformular vor. Darin steht, H hafte nur ein Jahr ab Verkauf für Mängelgewährleistungsschäden. S und H diskutieren über die Klausel. Sie ändern den Zeitrahmen einvernehmlich auf zwei Jahre.

Einordnung des Falls

§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB - Individualabrede

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei der von H ursprünglich vorgelegten Klausel handelt es sich eine „vorformulierte Vertragsbedingung“ (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja!

Eine Vertragsbedingung ist eine Regelung, die nach dem objektiven Empfängerhorizont den Vertragsinhalt festlegen will. Diese ist vorformuliert, wenn sie mit einem gewissen zeitlichen Abstand vor Abschluss des Vertrags oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts entworfen wurde. Die Mängelgewährleistungsklausel wirkt auf die Gewährleistungsrechte des S und damit auf den Vertragsinhalt ein. Da das Vertragsformular vorgedruckt ist, war die Klausel auch vorformuliert.

2. Die von H ursprünglich vorgelegte Klausel ist „für eine Vielzahl von Verträgen“ aufgestellt und „von einer Vertragspartei (Verwender) gestellt“ (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Eine Klausel ist für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt, wenn sie in dem Bewusstsein erstellt wurde, dass diese mehrfach verwendet wird. Eine Klausel gilt als von einer Vertragspartei gestellt, wenn die Partei die Einbeziehung der Klausel in den Vertrag einseitig veranlasst hat und so der anderen Partei den Vertrag zu diesen Bedingungen anbietet. Das vorgedruckte Kaufvertragsformular mit der Gewährleistungsklausel wurde bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung für eine Vielzahl von Verträgen der H erstellt. H legte S den vorgedruckten Kaufvertrag vor und veranlasste die Einbeziehung der Klausel so einseitig, sodass es sich auch um eine von einer Vertragsapartei gestellte Klausel handelt.

3. Bei der von H und S abgeänderten Gewährleistungsklausel handelt es sich demnach um AGB im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt sind und es sich daher um eine Individualabrede handelt (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB). Ein "Aushandeln" setzt die ernsthafte Dispositionsbereitschaft des Verwenders voraus, welche dem Kunden eindeutig offengelegt wird. H zeigte durch die Diskussion und die anschließende Änderung der Klausel eine ernsthafte Dispositionsbereitschaft bezüglich der Gewährleistungsklausel. Die Gewährleistungsklausel wurde daher im Einzelnen zwischen H und S ausgehandelt, sodass es sich nicht um AGB handelt.

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DO

Domenic

16.11.2021, 18:22:13

Vielleicht könntet ihr hier in der Lösung noch speziell den § 305 Abs. 1 S. 3 BGB anbringen. :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.11.2021, 19:36:20

Danke Domenic, wir haben die Norm nun explizit in die Lösung mit aufgenommen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

HAN

hannabuma

29.1.2024, 12:09:37

Was ist der Unterschied zwischen § 305 I 3 BGB und § 305b BGB?

SAND

Sandra

29.3.2024, 16:49:04

Ich vermute, dass § 305 I 3 grundsätzlich nur festlegt, wann es sich nicht um AGB handelt bzw. dass es sich bei ausgehandelten Abreden eben nicht um AGB handelt (Abgrenzung) und § 305b macht deutlich, dass diese Individualabreden Vorrang vor AGB haben (Geltung)

FL

Flohm

2.4.2024, 12:03:12

Sehe ich auch so. §305b greift, wenn sowohl AGB als auch eine Individualabrede vorliegen (die sich z.B. widersprechen)


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