Neffe überredet Onkel zu Flugreise (Erlaubtes Risiko / Sozialadäquanz)


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N will den Tod seines schwerreichen Onkels O herbeiführen und überredet ihn zu einer Flugreise. N hofft, dass das Flugzeug abstürzt. Es stürzt tatsächlich ab und O stirbt.

Einordnung des Falls

Neffe überredet Onkel zu Flugreise (Erlaubtes Risiko / Sozialadäquanz)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. N hat den Tod des O kausal verursacht.

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Ja!

Rspr. und hL bestimmen die Kausalität überwiegend nach der Äquivalenztheorie (= conditio sine qua non Formel). Eine Handlung ist danach kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.Hätte N den O nicht zur Unternehmung der Flugreise überredet, wäre O nicht in das Flugzeug gestiegen und tödlich verunglückt.

2. Der Tod des O ist N objektiv zurechenbar.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn der Täter (1) eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen und (2) sich genau diese Gefahr im Erfolg realisiert hat. Keine rechtlich missbilligte Gefahr liegt darin, wenn der Täter zwar ein Verletzungsrisiko hervorruft, sein Verhalten aber vom erlaubten Risiko gedeckt ist. Dies ist der Fall, wenn das Verhalten trotz Gefährlichkeit aufgrund des sozialen Nutzens gemeinschaftsüblich ist und gebilligt wird (sog. Sozialadäquanz).Flugverkehr ist generell sozial nützlich. Es besteht auch nur eine geringe Absturzwahrscheinlichkeit. Dass der N den O überredet hat zu fliegen, ist sozialadäquat und damit nicht rechtlich missbilligt.

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EB

Elias Von der Brelie

8.5.2023, 13:10:58

Also bei den Unfall Wahrscheinlichkeiten von Flugzeugen hat N schon echt unfassbares Glück gehabt. So ein dummer Plan und irgendwie funktioniert er :')

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.5.2023, 17:11:33

Hallo Elias Von der Brelie, herzlich Willkommen im Jurafuchs-Forum! Die Realität schreibt bekanntlich die verrücktesten Geschichten, auch wenn ich nicht sicher bin, ob sich diese tatsächlich so zugetragen hat. ;) Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

falktghl

falktghl

8.1.2024, 22:17:46

mE (und Ansicht Alpmann Schmidt) handelt es sich hierbei nicht um die Kategorie „Sozialadäquanz“ sondern die Kategorie „menschlich nicht beherrschbar“. Ich kann den Xyz auch überrede den Boden auf ddm schulhof abzulecken und zu hoffen dass er dadurch stirbt. Rein zufällig sind zuvor chemikalien aus dem Unterricht an der Stelle entwichen. Es wäre nicht sozialadäquat. Allerdings menschlich nicht beherrschbar.

Uncle Ruckus

Uncle Ruckus

15.2.2024, 13:04:19

Bei deinem Fall wäre wohl schon bereits die eigenverantwortliche selbstgefährdung gegeben, wenn es nicht schon Kraft überlegenem Wissens onjektiv zurechenbar wäre

Sambajamba10

Sambajamba10

19.3.2024, 10:41:56

Wenn es schon nicht sozial adäquat wäre, dann wäre es auch offensichtlich eine rechtlich missbilligte Gefahrschaffung. Insoweit ist unklar, was du mit deinem Beispiel aussagen willst. Des Weiteren kenne ich persönlich niemanden weiter, der diese Terminologie verwendet, während Sozialadäquanz/allgemeines Lebensrisiko oder erlaubtes Risiko geläufig sind

JURAFU

Jurafuchsin

24.2.2024, 01:05:58

Gibt es iRd objektiven Zurechnung einen Unterschied zwischen erlaubtem Risiko, sozial adäquatem Verhalten und allgemeine Lebensrisiko oder sind das lediglich Synonyme?


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