Öffentliches Recht

Polizei- und Ordnungsrecht

Polizeiliche Generalklausel

Öffentliche Sicherheit Vertiefung: Schutzgut der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen (Fall 2)

Öffentliche Sicherheit Vertiefung: Schutzgut der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen (Fall 2)

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Studentin S ist leidenschaftliche Raucherin. Als sie vor der Uni raucht, fordert Polizist P sie auf, mit dem ungesunden Rauchen aufzuhören, schließlich stelle das ja eine Gefahr für ihre Gesundheit dar.

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Einordnung des Falls

Öffentliche Sicherheit Vertiefung: Schutzgut der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen (Fall 2)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit umfasst die subjektiven Rechte und Rechtsgüter Einzelner.

Ja, in der Tat!

Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit umfasst die (1) Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, (2) den Schutz der subjektiven Rechte und Rechtsgüter Einzelner und (3) den Bestand des Staates, der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt. Zum Teil wird diskutiert, ob daneben auch Kollektivrechtsgüter wie z.B. die Volksgesundheit in das Schutzgut einbezogen wird. Da jedoch ebenso gut auf den Schutz von Individualrechtsgütern abgestellt werden kann, wird überwiegend kein praktischer Bedarf für eine solche Erweiterung gesehen. Hiergegen spricht außerdem, das diejenigen Landespolizeigesetze, die eine Legaldefinition der öffentlichen Sicherheit enthalten, lediglich subjektive Rechte und Rechtsgüter nennen.
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2. Die Gesundheit der S ist ein ihr zustehendes subjektives Recht und damit grundsätzlich auch ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit.

Ja!

Zu den subjektiven Rechten und Rechtsgütern Einzelner zählen das Leben, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum und die Ehre, aber auch sonstige private Rechte. Einige dieser Rechte und Rechtsgüter sind auch grundrechtlich geschützt. Die Gesundheit der S ist somit ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit. Die Gesundheit ist als körperliche Unversehrtheit sogar grundrechtlich gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützt. Nochmal zur Wiederholung: Durch den Schutz grundrechtlich geschützter Rechtsgüter im Rahmen des Polizei- und Ordnungsrechts wird zugleich der staatliche Schutzauftrag (Schutzpflichten) erfüllt.

3. Die freiwillige Selbstgefährdung privater Rechte oder Rechtsgüter durch den Rechtsgutsträger führt zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit.

Nein, das ist nicht der Fall!

Neben dem in den Grundrechten verbürgtem Schutzauftrag für verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsgüter schützt Art. 2 Abs. 1 GG die Selbstbestimmung und damit die Freiheit der Rechtsgutsträger, sich freiwillig bestimmten Gefahren für die Gesundheit oder das Leben auszusetzen. Ist ein Sachverhalt durch das Selbstbestimmungsrecht grundrechtlich geschützt wird, besteht keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Dieser grundrechtliche Schutz verlangt jedoch einen freien Willen. Das setzt voraus, dass der Rechtsgutsträger die Gefahren der Handlung erkennt. Außerdem müssen die Gefahren ausschließlich den Handelnden treffen, Dritte dürfen nicht gefährdet werden. Selbstmordversuche können dennoch polizeilich verhindert werden, da man davon ausgehen kann, dass sich der Selbstmörder in einem die freie Willensbetätigung ausschließenden Zustand befindet.

4. Das Rauchen der S betrifft ihre Gesundheit und damit das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit.

Nein, das trifft nicht zu!

Die von dem Rauchen der S ausgehende Gefahr für ihre eigene Gesundheit betrifft nur dann die öffentliche Sicherheit, wenn ihr Verhalten nicht vom Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG geschützt wird. Dies ist der Fall, wenn die Selbstgefährdung von einem freien Willen getragen ist und die Gefahren ausschließlich sie selbst treffen. Die S raucht freiwillig und gefährdet hierdurch ausschließlich ihre eigene Gesundheit. Ihr Verhalten ist somit vom Selbstbestimmungsrecht geschützt. Die öffentliche Sicherheit ist nicht betroffen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

13.11.2021, 09:49:19

Kann man hier nicht bspw. auch die Kosten der Gesundheitsversorgung und der Straßenreinigung mit in die Wertung hineinziehen, die von der Allgemeinheit getragen werden? Die treten zwar hinter dem Recht der R zurück. Aber eine Gesundheitsgefährdung, die sehr wahrscheinlich behandlungsbedürftig wird, betrifft ja eben nicht nur die einzelne Person. Außer sie trägt die Kosten ausschließlich selbst.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.11.2021, 19:39:45

Hallo Isabell, da das Entsorgen von Zigaretten auf der Straße eine Ordnungswidrigkeit darstellt, würde dieser Aspekt wohl bereits bei Verletzung der Rechtsordnung zu thematisieren sein. Schwieriger wird es mit den Kosten der Gesundheitsversorgung. Da wir uns als Gesellschaft dafür entschieden haben, dass wir dem Einzelnen auch die eigene Gefährdung gestatten (fettiges Essen, Extremsport, gar kein Sport) und dennoch dafür solidarisch einstehen, ist dies letztlich auch von der Rechtsordnung gedeckt und kein Belang den man über das Polizeirecht verfolgen kann (und sollte ;-) ). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Isabell

Isabell

15.11.2021, 19:50:51

Es ging mir gar nicht so sehr darum, dass über das Polizeirecht zu regulieren, sondern die rechtlichen Umstände rund ums Rauchen etwas detaillierter auszuschärfen. Ich finde die ausschließliche Benennung der selbstgewählten Gesundheitsgefährdung etwas zu oberflächlich 🤔

MAT

Matschegenga

3.9.2022, 19:47:52

Mich würde interessieren, ob es zu der Entscheidung, "dem Einzelnen auch die eigene Gefährdung einzugestehen und dafür solidarisch einzustehen" eine Fundstelle gibt? Dem widerspricht ja mittlerweile zB die Rechtsprechung zu den Teilimpfpflichten, die u.a. auf die indirekte Fremdgefährdung abstellt (sprich das ggf erhöhte Risiko, medizinische Versorgung in Anspruch nehmen zu müssen und dadurch zur Beanspruchung des Gesundheitssystems beizutragen). Der Vergleich mit dem Rauchen dürfte hier mehr als naheliegen.

Nico

Nico

27.7.2023, 09:31:05

„Wissenschaftliche Studien zeigen allerdings, dass Raucher sogar gut für das Sozialsystem sind. Mithilfe einer Längsschnittstudie wurde im Jahr 2015 erstmals nachgewiesen, dass Rauchen eher zu einer Entlastung als einer Belastung von Sozialversicherten und Steuerzahlern führt. Dies liegt daran, dass Raucher im Schnitt zwölf Jahre früher sterben als lebenslange Nichtraucher (Ersparnisse in der Rentenkasse) und insgesamt m

ehre

re hundert Milliarden Tabaksteuereinnahmen über das Leben hinweg gemeinsam zahlen.“ (Quelle: https://m.focus.de/finanzen/experten/matusiewicz/gesundheit-krankenkassen-duerfen-raucher-nicht-bestrafen-und-das-ist-auch-gut-so_id_5625855.html)


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