Zivilrecht
Bereicherungsrecht
Die Leistungskondiktion
Nachträgliche Rechtsgrundlosigkeit (condictio ob causam finitam), § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1
Nachträgliche Rechtsgrundlosigkeit (condictio ob causam finitam), § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Das bei der V versicherte Auto des E wird gestohlen. V zahlt daraufhin die fällige Versicherungssumme. Wenig später wird das Auto gefunden und E erlangt es zurück.
Diesen Fall lösen 91,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Nachträgliche Rechtsgrundlosigkeit (condictio ob causam finitam), § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. E hat eine Gutschrift auf seinem Konto und damit die Verfügungsgewalt über diesen Betrag "erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BG).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. E hat die Gutschrift "durch Leistung" der V erlangt § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
3. V hat die Leistung "ohne Rechtsgrund" bewirkt (anfängliche Rechtsgrundlosigkeit, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Nein!
4. V hat die Leistung "ohne Rechtsgrund" bewirkt (nachträgliche Rechtsgrundlosigkeit, § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabell
24.9.2020, 11:46:25
Wie viel Zeit müsste denn vergehen, um in dieser Konstellation nicht mehr den Wegfall des Rechtsgrundes anzunehmen? Oder regelt man das dann über die Verjährung?
Stella2244
27.6.2024, 19:19:42
Verstehe die Frage nicht ? Könntest du das nochmal erläutern?
MaxRaspody
16.9.2022, 12:39:34
Korrigiert mich bitte, wenn ich falsch liege, aber werden in der Praxis bei derartigen Fällen nicht das Eigentumsrecht auf den Versicherer übertragen? Demnach hätte V dann keinen Anspruch nach § 812 I Var. 1 bezüglich der Versicherungssumme.
Nora Mommsen
16.9.2022, 19:10:17
Hallo MaxRaspody, du hast absolut Recht. In der Praxis ist es üblich, dass sich die Versicherer im Gegenzug zur Auszahlung der Versicherungssumme die Ansprüche abtreten lassen bzw. das Eigentum durch Abtretung des potentiellen
Herausgabeanspruchs. Aus didaktischen Gründen ist dies hier nicht so und auch in der Klausursituation gilt immer, den Sachverhalt so nehmen wie er ist. :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Artimes
20.2.2024, 11:20:35
Warum reicht bereits natürliche Einsichtsfähigkeit des potentiell Leistenden aus? Ist die Leistung als
Tilgungsbestimmungnicht eine rechtsgeschäftähnliche Handlung, auf die §§ 104 ff. BGB analoge Anwendung finden, sodass letztlich ein rechtsgeschäftlicher Wille erforderlich ist?
gottloser Vernunftsjurist
22.4.2024, 14:04:53
Hi Artimes, nach dem Lehrbuch von Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 3 Rn. 25 gibt es bezüglich des Leistungszwecks zwei Lager: "Aus dem finalen Merkmal der Zweckgerichtetheit wird vielfach der Schluss gezogen, dass mit jeder Leistung eine Zweckbestimmung einhergehe. Diese sei als Willenserklärung oder zumindest als
geschäftsähnliche Handlung, auf die die Regeln über Willenserklärungen entsprechend anzuwenden sind, zu qualifizieren – mit der Folge, dass die zivilrechtlichen Regeln über die Geschäftsfähigkeit und die
Anfechtbarkeitzur Anwendung gelangen [BGH und Teil der Lehre wie Canaris]. Die Gegenauffassung verneint die rechtsgeschäftliche Natur der Zweckbestimmung und verlangt lediglich einen natürlichen Leistungswillen [Erman und HK-BGB]."