Nachträgliche Rechtsgrundlosigkeit (Auflösende Bedingung)


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M schenkt und übereignet dem gerade 18 Jahre alten S ihr Auto. Sie sagt, dass S es nur dauerhaft behalten dürfe, wenn dieser sein Abitur besteht. Beide wollen nicht, dass die Rücktrittsregeln zur Anwendung kommen. Zwei Monate später fällt S durch das Abitur.

Einordnung des Falls

Nachträgliche Rechtsgrundlosigkeit (Auflösende Bedingung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S hat Eigentum und Besitz am Auto „erlangt“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja!

„Etwas“ im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jede vorteilhafte Rechtsposition. Der Vorteil muss tatsächlich in das Vermögen des Schuldners übergegangen sein. Man kann vier Kategorien unterscheiden: (1) Rechte (z.B. Eigentum), (2) vorteilhafte Rechtsstellungen (z.B. Besitz), (3) Befreiung von Verbindlichkeiten, (4) erlangte Nutzungen an fremden Sachen oder Rechten.S hat mit Eigentum und Besitz am Auto seine Vermögenslage verbessert.

2. S hat das Auto durch Leistung der M erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Die Zweckbestimmung der Leistung ist eine geschäftsähnliche Handlung. Das Vorliegen einer Leistung ist aus der objektiven Empfängersicht (§§ 133, 157 BGB) zu beurteilen.M hat S das Auto übergeben und übereignet. M war dazu nicht verpflichtet (der Schenkungsvertrag war vor Bewirken der Leistung nichtig, § 518 Abs. 1 BGB). Der Leistungszweck kann allerdings nicht nur in der Erfüllung einer Verbindlichkeit (solvendi causa) bestehen, sondern auch, um eine Schenkung vorzunehmen (donandi causa). Es liegt eine wirksame Leistung der M vor.

3. M hat ursprünglich mit „rechtlichem Grund“ geleistet (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Das Merkmal "ohne rechtlichen Grund" entscheidet darüber, ob der Bereicherte die Bereicherung behalten darf. Es gibt keine einheitliche Definition der Rechtsgrundlosigkeit, die für alle Leistungskondiktionen gelten würde. Es sind zu unterscheiden: (1) Leistung zur Befreiung von einer Verbindlichkeit (condictio indebiti), (2) Rechtsgrund bestand, ist aber ex nunc entfallen (condictio ob causam finitam), (3) Leistung verfolgt einen Zweck, der über Befreiung von einer Verbindlichkeit hinausgeht (condictio ob rem) und (4) Gesetzes- oder Sittenverstoß des Leistungsempfängers (condictio ob turpem vel iniustam causam).Hier hat die Übergabe selbst den Rechtsgrund begründet, indem ab diesem Zeitpunkt der Schenkungsvertrag wirksam geschlossen wurde. Es lag also zunächst ein Rechtsgrund vor.

4. Der Rechtsgrund ist nachträglich entfallen. M kann die Leistung zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB).

Ja!

Das Merkmal "ohne rechtlichen Grund" entscheidet darüber, ob der Bereicherte die Bereicherung behalten darf. Es gibt keine einheitliche Definition der Rechtsgrundlosigkeit, die für alle Leistungskondiktionen gelten würde. Es sind zu unterscheiden: (1) Leistung zur Befreiung von einer Verbindlichkeit (condictio indebiti), (2) Rechtsgrund bestand, ist aber ex nunc entfallen (condictio ob causam finitam), (3) Leistung verfolgt einen Zweck, der über Befreiung von einer Verbindlichkeit hinausgeht (condictio ob rem) und (4) Gesetzes- oder Sittenverstoß des Leistungsempfängers (condictio ob turpem vel iniustam causam).Zu 2: M kann die Leistung aus condictio ob causam finitam zurückverlangen. Der Schenkungsvertrag war unter eine auflösende Bedingung gestellt (§ 158 Abs. 2 BGB), die durch das Nichtbestehen des Abiturs durch S eingetreten ist. Dadurch ist der Rechtsgrund nachträglich entfallen. Die vorrangigen Rücktrittsregeln (§§ 346ff. BGB) haben M und S ausgeschlossen.

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Jana-Kristin

Jana-Kristin

29.6.2020, 22:29:07

Bei dem Besitz als „erlangtes Etwas“ bin ich noch konform. Beim Eigentum sehe ich das anders: als Die dingliche Einigung zwischen M und S ist doch aufschiebend bedingt (929 S.1, 158 I BGB). Die aufschiebende Bedingung tritt ein sobald M sein Abi bestanden hat. Da er dies nicht hat, liegt mE keine dingliche Einigung und somit keine Eigentümerstellung des M vor.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

30.6.2020, 00:26:41

Hi Jana-Kristin, laut Sachverhalt (1. Satz) hat sie bereits übereignet. Die Schenkung war allerdings auflösend bedingt.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

30.6.2020, 10:01:19

Würde bei dem Sachverhalt auch eine auflösende Bedingung der dinglichen Einigung für möglich halten. Dann könnte M den Besitz von S vindizieren und kondizieren.

INDUB

InDubioProsecco

10.6.2023, 16:15:23

Korrigiert mich bitte, aber Rücktrittsrecht kommt hier m. E. nicht zur Anwendung, auch dann nicht, wenn M und S dieses nicht ausschließen. Es handelt sich bei einer Schenkung nicht um einen gegenseitigen Vertrag, dieser wird in der amtlichen Überschrift der §§ 320 ff. aber gerade vorausgesetzt.

CR7

CR7

4.1.2024, 12:38:20

Ich gebe dir Recht @indubioprosecco; ich glaube aber, dass der SV den Widerruf nach §§ 530, 531, 532 BGB meint. Beides sind Gestaltungswerkzeuge, die einen Grund, eine Erklärung eine Frist (wie beim Rücktritt) voraussetzen und der Widerruf nicht ausgeschlossen ist. LG

EFECÖ

Efecan Ö.

16.1.2024, 18:05:42

Es könnte ein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbart werden

STE

Stella2244

27.6.2024, 19:32:00

die Rücktrittsregeln würden doch grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen oder?

LELEE

Leo Lee

29.6.2024, 09:30:41

Hallo steall2244, vielen Dank für die sehr gute Frage! Bei dieser Aufgabe haben wir insofern bisschen „getrickst“, als wir den Rücktritt durch „Einigung“ ausgeschlossen haben. Denn würde Rücktritt vorliegen, würde ein sog. Rückgewährschuldverhältnis (nach den 346 ff.) entstehen. Und ein solches Rückgewährschuldverhältnis ist eine FORTSETZUNG des ursp. SVs, das i.S.d. 812 einen RECHTSGRUND darstellen würde. Wenn also ein Rücktritt stattgefunden hätte, wären wir „raus“ aus dem Bereicherungsrecht, weshalb in diesem Fall der Fall so gestrickt war, dass der Rücktritt nicht in Betracht kam. i.Ü. kann ich hierzu die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Schwab § 812 Rn. 428 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

VALA

Vanilla Latte

20.7.2024, 23:45:01

wieso kommt hier keine Zweckverfehlungskondiktion in Betracht kommen?


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