Ausnahme: Übermaßfrüchte
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von Dieb D Kühe zur Milchproduktion. D hatte diese allerdings zuvor dem E gestohlen, was K nicht wusste. Kurz darauf schlachtet K die Kühe.
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Einordnung des Falls
Ausnahme: Übermaßfrüchte
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bevor K die Kühe schlachtete, bestand zwischen E und K eine Vindikationslage.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. E kann Nutzungsersatz nach §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB verlangen.
Nein!
3. Der gutgläubige und unverklagte Besitzer muss niemals Nutzungsersatz leisten.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Bei der Schlachtung der Kühe handelt es sich um Übermaßfrüchte iSd § 993 Abs. 1 Hs. 1 BGB.
Ja, in der Tat!
5. E kann daher Nutzungsersatz nach §§ 993 Abs. 1 Hs. 1, 812 ff. BGB verlangen.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
evanici
16.9.2023, 17:06:39
Wären es keine Milchkühe, sondern Schlachtkühe gewesen, wären das dann keine Übermaßfrüchte?
ajboby90
17.1.2024, 23:25:24
Ja, es ist so gemeint dass die Kühe nur zur Milchgewinnung gedacht sind.
Quarklo
20.7.2024, 07:11:09
In deinem Fall müsste er das Erlangte (das Fleisch oder bei Verbrauch Wertersatz (§ 818 II)) nach § 812 I 1 Alt. 2 leisten. Denn es handelt sich beim Schlachten um einen Eingriff in die Sachsubstanz, wodurch der § 812 I 1 Alt. 2 an die Stelle des § 985 tritt
Itsajourney
20.12.2023, 20:52:06
Handelt es sich bei § 993 l, 1. HS um einen Rechtsgrund- oder einen Rechtsfolgenverweis?
Leo Lee
25.12.2023, 14:08:23
Hallo Itsajourney, beim § 993 I 1. Hs handelt es sich um einen Rechtsfolgenverweis. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Raff § 993 Rn. 8 empfehlen :). Besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch wünscht dir das Jurafuchsteam!
Itsajourney
31.12.2023, 12:55:47
Danke für die Aufklärung und ebenfalls eine schönes neues Jahr an das Jurafuchsteam :)
Quarklo
25.7.2024, 00:11:02
Inwiefern unterscheidet sich der Fall vom
Jungbullen Fall? Die Kuh wird ja auch zu etwas verarbeitet worden sein.
Paulah
27.7.2024, 22:30:17
Der Betriebszweck der Kühe ist hier die Milchproduktion. Beim
Jungbullenfallist es die Schlachtung - mit der Milchproduktion klappt es da nicht so gut ;-)
JulianF
17.8.2024, 18:33:50
Aber warum wird hier beim Schlachten der Kühe grundsätzlich eine Fruchtziehung angenommen, während es
Jungbullenfallschon an der Nutzung nach §§ 987, 990 fehlt (so das Level zum
Jungbullenfallzuvor). Beides sind Ausbeuten aus der Sache, § 99.
Paulah
18.8.2024, 15:51:38
Ich glaube, der Unterschied ist, dass hier nicht die vorgesehenen "Früchte", sprich: die Früchte aus der Milchproduktion, gezogen werden, sondern über den normalen Ertrag hinausgehende Erträge (= Übermaßfrüchte). So steht es ja auch in den Erklärungen: "Übermaßfrüchte sind nach § 993 Abs. 1 Hs. 1 BGB solche, die nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht als Ertrag der Sache anzusehen sind. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Früchte wirtschaftlich zur Sachsubstanz gehören oder spätere Nutzungen vorwegnehmen. Durch die Schlachtung der Kühe ist die weitere Milchproduktion unmöglich geworden. Nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft hätte K die Milchkühe zur Milchproduktion nutzen müssen." Nutzungen sind Erträge, die laufend aus einer Sache gezogen werden können. Ist der Bulle tot, können keine Nutzungen mehr gezogen werden, weil nur noch einmalig und nicht laufend Erträge erzielt werden können.
Megx
30.8.2024, 10:37:45
Ich hatte mir aus früheren Aufgaben zum
Nutzungsersatzgemerkt, dass die Aufzehrung der Sache gerade keine Nutzung darstellt (zB bei Austrinken des gestohlenen Champagners) und dann der
Nutzungsersatznicht einschlägig ist. Warum handelt es sich bei der Schlachtung der Milchkühe also um eine Nutzung?
Leo Lee
1.9.2024, 14:40:00
Hallo Megx, vielen Dank für die sehr gute Frage! Zunächst mal hast du völlig Recht damit, dass der SachVERbrauch keine Nutzung darstellt, da Nutzungen stets voraussetzten, dass FRÜCHTE gewonnen werden, also konkrete Erzeugnisse. D.h., bei einer Nutzung müssen am Ende Produkte vorliegen (dies ist beim Verbrauch selbst nicht der Fall). Allerdings ergeben sich bei der Schlachtung selbst sehr wohl "Früchte", da durch das verarbeitete Fleisch konkrete Erzeugnisse hergestellt werden um a.E. ein Produkt existiert (was dann eventuell auch weiterverarbeitet wird). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Raff § 987 Rn. 6 f. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Megx
2.9.2024, 12:05:31
Dankeschön für die schnelle Antwort, jetzt ist es mir klar! :)
Luapzz
12.10.2024, 15:48:10
Ich verstehe nicht so wirklich, warum die Schlachtung von Milchkühen Übermaßfrüchte sein sollen? Im Sachverhalt steht zwar, dass er sie zur Milchproduktion gekauft hat und in der Subsumtion, dass er sie weiter als Milchkühe hätte verwenden müssen, aber warum entspricht nur diese Nutzung den wirtschaftlichen Regeln einer ordnungsgemäßen Nutzung? Soweit ich das aus den Angaben überblicke ist das "Schlachtfleisch" die Übermaßfrucht und die "Milch" wäre eine ordnungsgemäße Fruchtziehung, oder? Ist es nicht normal, dass Milchkühe auch regelmäßig geschlachtet werden? Der Sachverhalt müsste natürlich ausführlicher sein, aber wenn ich es lebensnah auslege, sehe ich überhaupt kein Problem in der Schlachtung. Könnte mir jemand vielleicht ein anderes Beispiel für eine Übermaßfrucht geben, sodass ich auch diesen Milchkuhfall verstehe? Vielen Dank für eine Antwort.