5%-Sperrklausel Bundestagswahl

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die P Partei hat bei der letzten Bundestagswahl nur 4% der bundesweit abgegebenen Stimmen erhalten. Nach der 5%-Sperrklausel (§ 4 Abs. 2 S. 2 BWahlG) erhält sie daher keinen Sitz im Deutschen Bundestag. P ist der Ansicht, dass sei nicht mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl vereinbar.

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Einordnung des Falls

5%-Sperrklausel Bundestagswahl

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl muss jede Stimme das gleiche Gewicht und dieselbe Auswirkung auf die Zusammensetzung des Parlaments haben.

Genau, so ist das!

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass (1)alle Wählenden dieselbe Anzahl von Stimmen haben und jede Stimme das gleiche Gewicht hat (= „Zählwertgleichheit“) und (2)jede Stimme den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments hat (= Erfolgswertgleichheit).
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2. Wegen der Sperrklausel werden die 4% der Stimmen, die Wählende für die die P-Partei abgegeben haben, bei der Zusammensetzung des Bundestags nicht berücksichtigt. Hierin liegt eine Beeinflussung der Erfolgswertgleichheit.

Ja, in der Tat!

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gebietet unter anderem eine Erfolgswertgleichtheit. Die Erfolgswertgleichheit bedeutet, dass alle abgegeben Stimmen den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundestags haben. Also: Selbst, wenn eine Partei nur 1% der Stimmen erhält, so stünden ihr im Sinne der Erfolgswertgleichheit grundsätzlich 1% der Sitze im Bundestag zu. Durch die Sperrklausel werden alle Stimmen, die für eine Partei abgegeben werden, die insgesamt weniger als 5% der Stimmen erreicht, nicht im Bundestag abgebildet. Diese Stimmen haben also – im Gegensatz zu den Stimmen, die für Parteien abgegeben wurden, die 5% erreicht haben – keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments. Die Sperrklausel beeinträchtigt daher die Erfolgswertgleichheit.

3. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gilt absolut.

Nein!

Nach st.Rspr. des BVerfG gelten die Wahlrechtsgrundsätze nicht absolut. Sie können also grundsätzlich eingeschränkt werden. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gebietet eine formale Gleichheit. Einschränkungen dieser Gleichheit können nur durch besondere, sachliche Gründe gerechtfertigt sein. Diese bestehen häufig in dem Schutz eines anderen Rechtsguts mit Verfassungsrang.

4. Zur Begründung der Sperrklausel hat der Gesetzgeber die Gefahr der Parlamentszersplitterung angeführt. Ist die Beeinträchtigung der Gleichheit der Wahl damit gerechtfertigt?

Genau, so ist das!

Wenn es in einem Land – so wie in Deutschland – eine Vielzahl von Parteien gibt, so kann eine reine Verhältniswahl dazu führen, dass auch eine Vielzahl verschiedenster Parteien im Bundestag vertreten ist. Übertrieben ausgedrückt: Es könnten theoretisch 50 verschiedene Parteien im Bundestag sitzen, die alle nur 2 % der Stimmen erhalten haben. Mehrheiten für politische Entscheidungen zu finden, wird dann unmöglich. Selbst die sieben Parteien, die aktuell im Bundestag vertreten sind, haben oftmals Schwierigkeiten, Entscheidungen zu finden. In der Demokratie ist es von großer Bedeutung, dass das gewählte Parlament handlungs- und entscheidungsfähig bleibt. Eine zu starke Zersplitterung des Parlaments soll durch die Sperrklausel verhindert werden. Hierin liegt ein besonders wichtiger Grund. Die Beeinträchtigung der Gleichheit der Wahl durch die Sperrklausel ist gerechtfertigt. Die Klausel ist verfassungsmäßig.Dass die Zersplitterung eines Parlaments dessen Handlungsfähigkeit torpedieren, die Macht von Kleinstparteien unverhältnismäßig stärken und die Überzeugungskraft der Demokratie in Zweifel ziehen kann, ließ sich in der Weimarer Republik beobachten. Mangels entsprechender Sperrklausel waren dort zeitweise 15 Parteien im Reichstag vertreten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Burumar🐸

Burumar🐸

9.7.2024, 16:08:08

Gibt es eigentlich eine Norm im GG, die man bezüglich der Gefahr vor Zersplitterung des Parlaments, anführen könnte? Es soll ja ein Rechtsgut mit Verfassungsrang sein.


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