Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Tötung auf Verlangen, § 216 StGB
Beiläufiger Wunsch und § 16 Abs. 2 StGB
Beiläufiger Wunsch und § 16 Abs. 2 StGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A ist höchst unzufrieden mit seiner derzeitigen Lebenssituation, was sein Arbeitskollege B weiß. Als A den B auf dem Flur im Büro trifft, sagt er zu B beiläufig: "Ich wünsche mir, ich wäre tot, dann hätte ich einen freien Kopf." B nimmt dieses Verlangen ernst und tötet den A am nächsten Tag.
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Einordnung des Falls
Beiläufiger Wunsch und § 16 Abs. 2 StGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Straftatbestand der Tötung auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass der Täter durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden ist.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. A hat seine Tötung gegenüber B "ausdrücklich und ernstlich verlangt" (§ 216 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
3. B hat sich wegen Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabell
15.5.2020, 09:16:52
Fuchs567
15.5.2020, 18:04:28
Ja den hat er, allerdings nimmt er irrtümlich an die Voraussetzungen des 216 lägen vor, weshalb 212 durch 16 II gesperrt ist.
Isabell
10.8.2020, 18:40:54
Was aber erst einmal nichts daran ändert, dass der
Vorsatzeinen anderen zu töten vorliegt. Im Gutachten müsste ich das auch erst einmal bejahen, um dann im nächsten Schritt zu fragen, ob dem was entgegensteht.
Lukas_Mengestu
23.7.2021, 09:57:39
Hallo zusammen, wie Vulpes im parallelen Thread ausgeführt hat, ist § 216 StGB als speziellere Norm vorrangig zu prüfen. Im Rahmen dieser Prüfung kann man dann schon im objektiven Tatbestand darauf eingehen, dass zwar die Voraussetzungen eigentlich nicht vorliegen, aber über § 16 II StGB dazu kommen, dass dies letztlich unschädlich ist. Der
Vorsatzbzgl. der Tötung eines Menschen ist eigentlich unproblematisch, denn den hat der Täter sowohl im Falle des § 212 StGB, als auch im Falle des § 216 StGB. Nur die dahinterstehende Motivlage ist eine andere. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Karolin H
24.6.2020, 10:37:24
Mir fehlt hier für die Annahme des Paragraphen 16 II aber das Merkmal "wurde zum Täter bestimmt". Im Sachverhalt steht, dass der Todeswunsch zwischen Tür und Angel allgemein dahingesagt wurde, aber nicht, dass der Täter vom Opfer auch irgendwie aufgefordert wurde.
Eda
6.8.2020, 10:38:24
Soweit ich verstanden hab müssen diese Tatbestandsmerkmale nicht tatsächlich erfüllt sein, wenn der Täter sich hinsichtlich derer geirrt hat. Hier hat sich T darin geirrt, dass das Verlangen ernstlich war und sein Tatentschluss wurde durch die Äußerung hervorgerufen.
Fahrradfischlein
30.11.2020, 17:36:43
Der Irrtum war doch aber vorliegend vermeidbar. Scheidet eine Strafbarkeit nur nach §216 deshalb nicht gerade aus?
Real Thomas Fischer Fake 🐳
30.11.2020, 22:59:55
Weshalb sollte das der Fall sein? § 16 II stellt nicht auf eine Vermeidbarkeit ab. Neben 216 würde nur noch 222 in Betracht kommen, der hier verdrängt wird. Vielleicht verwechselst du da was mit dem Verbotsirrtum aus § 17?
Fahrradfischlein
1.12.2020, 06:05:48
Ist mir nach dem Schreiben dann auch aufgefallen 🙈 danke!
Tigerwitsch
26.2.2021, 18:16:23
Wie wäre denn die Prüfungsreihenfolge in der Klausur für den konkreten Fall?
Vulpes
1.3.2021, 18:19:50
Zunächst ist zu beachten, dass § 216 eine Sperrwirkung bzgl. §§ 211, 212 entfaltet und zuerst geprüft werden muss. Im objektiven Tatbestand werden zuerst die Merkmale des § 212 geprüft und dann 5. ausdrückliches und ernsthaftes Verlangen (hier wird meines Erachtens subsumiert, dass des Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt ist, aber der Täter wegen § 16 II so zu behandeln ist, als ob das Verlangen tatsächlich vorläge.) 6. zur Tötung bestimmt. Der Rest ist wie immer. Ich hoffe, dass ich dir weiterhelfen konnte 👍
Vulpes
1.3.2021, 18:23:34
Beziehungsweise wäre es wohl sinnvoll 5 und 6 zusammen zu prüfen, weil die Irrtum des Täters sich insgesamt auf - das Bestimmen zur Tötung durch ausdrückliches und ernsthaftes Verlangen - bezieht.
Tigerwitsch
1.3.2021, 20:54:48
Perfekt, danke! Genau das wollte ich wissen 👍🏻