Zivilrecht

Mietrecht

Pflichten im Mietverhältnis

Vermieter vermietet die Sache stattdessen an Dritten weiter und überlässt sie diesem

Vermieter vermietet die Sache stattdessen an Dritten weiter und überlässt sie diesem

14. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Am 01.04.2021 vereinbart U mit ihrer Arbeitskollegin A, dass diese ihre Wasserski zum Preis von €300 an die U bis zum 15.05.2021 vermietet. U möchte damit nach Sylt. Kurz bevor U die Wasserski abholen will, kommt Profisportler P bei A vorbei und bietet ihr €650 für die Miete der Wasserski für sechs Wochen an. A willigt ein und übergibt die Wasserski an P. P zahlt die €650, packt die Ski auf seinen Pick-up und düst los. U mietet auf Sylt Ski für €600.

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Einordnung des Falls

Vermieter vermietet die Sache stattdessen an Dritten weiter und überlässt sie diesem

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Mietvertrag der A mit P ist nichtig, da A schon einen Mietvertrag mit U über die Wasserski geschlossen hatte.

Nein, das trifft nicht zu!

Beide Mietverträge sind wirksam. Dass die Vermieterin nur einen Mietvertrag durch Gebrauchsüberlassung der Wasserski erfüllen kann, hindert die Wirksamkeit der beiden Verträge nicht (vgl. § 311 a Abs. 1 BGB). A kann als Ausfluss ihrer Privatautonomie frei entscheiden, welchen der beiden Erfüllungsansprüche der U und des P sie erfüllen möchte, einen Prioriätsgrundsatz gibt es nicht.
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2. U kann Herausgabe der €650 von A verlangen (§ 285 Abs. 1 BGB).

Ja!

Der Gläubiger kann den Ersatz verlangen (Surrogat), welchen der Schuldner infolge eines Umstands, auf Grund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB nicht zu erbringen braucht, erlangt hat (§ 285 Abs. 1 BGB). A ist die Gebrauchsüberlassung an U durch die Übergabe der Wasserski an P unmöglich geworden und sie hat €650 von P erlangt. Problematisch scheint, dass A die €650 nicht durch die dingliche Übergabe an P erlangt hat, sondern durch den schuldrechtlichen Vertrag mit P (Trennungs- und Abstraktionsprinzip). Bei § 285 Abs. 1 BGB ist nach herrschender Meinung jedoch auch das commodum ex negotiatione ersatzfähig, das heißt die Vorteile, die der Schuldner bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise aus der Verfügung über die Sache erhält. U kann deshalb Herausgabe der €650 von A verlangen, die sie für die Miete der Wasserski von P erlangt hat.

3. Der Herausgabeanspruch der U (§ 285 Abs. 1 BGB) besteht nur, wenn A die Doppelvermietung an P zu vertreten hat.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Herausgabeanspruch auf das Surrogat (§ 285 Abs. 1 BGB) besteht verschuldensunabhängig, solange der Schuldner das Surrogat kausal durch den Umstand, auf Grund dessen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 bis Abs. 3 eingetreten ist, erlangt hat. Zusätzlich erforderlich ist die wirtschaftliche Identität zwischen dem Surrogat und dem eigentlich geschuldeten Mietgegenstand. Im Fall einer Doppelvermietung desselben Parkplatzes, einmal als Parkplatz und einmal als Gewerbefläche, hat der BGH den Anspruch des leerausgegangenen Mieters auf Herausgabe der erlangten Miete nach § 285 Abs. 1 BGB mangels wirtschaftlicher Identität der Mietsache verneint.

4. U kann neben dem Anspruch auf €650 aus § 285 Abs. 1 BGB noch Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB) in Höhe von €600 verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

U kann Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB) verlangen, da A die Gebrauchsüberlassung durch die Übergabe an P nachträglich unmöglich geworden ist und sie dies auch zu vertreten hat. Dieser mindert sich jedoch um den Wert des nach § 285 Abs. 1 erlangten Surrogats (§ 285 Abs. 2 BGB), sodass U keine zusätzliche Zahlung mehr verlangen könnte, wenn sie ihren Anspruch aus § 285 Abs. 1 BGB geltend macht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Peter K.

Peter K.

17.6.2022, 17:41:15

Ist hier nicht eine Überkompensation der U eingetreten? Sie hat ja hier mehr als 50 € „Gewinn“ gemacht oder spielen diese Aspekte bei § 285 I BGB keine Rolle?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.6.2022, 18:00:40

Hallo Peter Kruck, für den Anspruch aus §

285 BGB

ist es

tat

sächlich egal, ob der erlangte Ersatz höher oder niedriger als der Schaden des Gläubigers ist (MüKoBGB/Emmerich, 9. Aufl. 2022, BGB § 285 Rn. 30). Ist der Ersatz indes niedriger, so wird der Schuldner allerdings stets den Schadensersatzanspruch geltend machen und nicht das stellvertretende Commodum herausverlangen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

HESC

heschae

25.4.2023, 11:47:33

Kann mir jemand erklären, warum es bei §

285 BGB

im Falle von Doppelvermietungen auf die wirtschaftliche Identität des erlangten Surrogats und des Mietgegenstands ankommt? Kann man das irgendwie aus § 285 herauslesen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.4.2023, 14:09:46

Hallo heschae, herzlich Willkommen im Forum! Das Erfordernis der wirtschaftlichen Identität wird aus dem Wortlaut „für den geschuldeten Gegenstand“. (Vertiefter hierzu auch: MüKoBGB/Emmerich, 9. Aufl. 2022, BGB § 285 Rn. 24). Beste grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Jonas91

Jonas91

16.6.2023, 16:56:01

Das habe ich leider nicht ganz verstanden. Besteht ein Schadensersatzanspruch aus 280 I, III, 283 dem Grunde nach und wird nur der Höhe nach wegen 285 II ausgeschlossen, wenn das Commodum gleich hoch/ höher ist als der Ersatzanspruch? Oder schließt 285 II für diesen Fall den Anspruch aus 280 I, III, 283 einfach komplett aus? Also wie formuliert man das in der Klausur ? Danke euch :)

Kind als Schaden

Kind als Schaden

23.7.2023, 15:04:19

Der Anspruch ist entstanden, allerdings ist er zu mindern gemäß § 285 II BGB. Eine Minderung wäre dann unter Anspruch erloschen zu prüfen.

DIAA

Diaa

31.8.2023, 08:47:40

Steht ihm ein Wahlrecht zu?

LELEE

Leo Lee

31.8.2023, 10:58:50

Hallo Diaa, genauso ist es! Der Gläubiger hat ein Wahlrecht; es liegt ein Fall der sog. "elektiven Konkurrenz" vor (bedeutet im Grunde nur, dass wenn sich der Gläubiger für eine Alternative entscheidet, die andere Alt. ausgeschlossen wird). Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB, 9. Auflage, Emmerich § 285 Rn. 35 empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

10.2.2024, 11:25:44

Ist darunter die Literatur oder der BGH gemeint? Könnte also der Mieter

tat

sächlich 650 Euro von dem Vermieter aus

285 BGB

vor dem BGH bekommen?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.2.2024, 13:41:32

Hallo micha99, mittlerweile wird es von beiden Seiten so vertreten. Einzig beschränkt der BGH das

commodum ex negotiatione

im Fall der Doppelvermietung auf solche Fälle, zu denen die Sache zum selben Zweck vermietet wurde. Die Literatur sieht dies überwiegend nicht so, und wendet §

285 BGB

auch an, wenn eine Sache zu verschiedenen Zwecken vermietet wurde. Grundsätzlich lässt sich aber sagen: Herrschende Meinung und Herrschende Ansicht erfasst in der Regel die Rechtsprechung und herrschende Literatur. Sonst ist es eben "nur" Rechtsprechung oder "herrschende Literatur/überwiegende Literaturansicht" oder eine "Mindermeinung" in der Literatur. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.2.2024, 13:42:23

*herrschende L

ehre

beschränkt sich in Abgrenzung zur herrschenden Meinung auf die L

ehre

.

AS

asp1147

22.4.2024, 17:30:28

Hi :) Bedeutet wirtschaftliche Identität nicht eher, dass der Mieter im Fall der Doppelvermietung den Ersatz (bzw. den Erlös) selbst erzielen können muss? Das würde ja wiederum voraussetzen, dass der Mieter zur Gebrauchsüberlassung berechtigt ist, vgl. § 540 I S.1, der Vermieter ihm also die Erlaubnis erteilt, wovon hier ja nicht ohne Weiteres ausgegangen werden kann. LG

BL

Blotgrim

21.5.2024, 10:54:37

Müsste U sich auf die 650€ nicht die 300€ anrechnen lassen die sie ohnehin für die Miete der Ski hätte zahlen müssen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.5.2024, 16:25:27

Hi Blotgrim, in diesem Fall greift § 326 Abs. 3 S. 1 BGB. U bleibt also grundsätzlich zur Leistung der Gegenleistung (€300) verpflichtet, wenn er den Ersatz verlangt. Um unnötige Transaktionen zu vermeiden, könnte A insoweit aufrechnen und U letztlich dann in der

Tat

nur die Differenz, also €350, auszahlen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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