Einfacher Grundfall, wie kommt ein Bürgschaftsvertrag zustande?


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K möchte bei V einen babyblauen VW Käfer für €10.000 kaufen. K hat nicht genügend Geld zur Verfügung und möchte mit Raten zahlen. V verlangt eine Sicherheit. S, die Schwester von K, möchte sich für die Kaufpreiszahlung verbürgen.

Einordnung des Falls

Einfacher Grundfall, wie kommt ein Bürgschaftsvertrag zustande?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Bürgschaftsvertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande (§§ 145ff. BGB).

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Ja, in der Tat!

Für das Zustandekommen eines Bürgschaftsvertrags gelten die allgemeinen Vorschriften der Rechtsgeschäftslehre (§§ 104ff. BGB). Der Bürgschaftsvertrag setzt eine wirksame Einigung über den Vertragsschluss voraus und stellt damit einen Konsensualvertrag dar, der Angebot und Annahme voraussetzt. Die Vertragsparteien S und V müssten sich gemäß §§ 145ff. BGB über den Abschluss eines Bürgschaftsvertrages einigen.

2. Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen (§ 765 Abs. 1 BGB).

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Ja!

Der Bürgschaftsvertrag ist ein sogenannter einseitig verpflichtender Vertrag. Der Bürge verpflichtet sich, für eine fremde Verbindlichkeit einzustehen. Diese Verbindlichkeit wird als Hauptschuld bezeichnet. Der Schuldner dieser Verbindlichkeit ist der sogenannte Hauptschuldner. Bedeutsam ist, dass die Bürgschaft einen eigenständigen Verpflichtungsgrund darstellt. Die Verpflichtung des Bürgen ist unabhängig von der Verpflichtung des Hauptschuldners, die Hauptschuld zu erfüllen. S müsste sich gegenüber V verpflichten, für die Kaufpreisverbindlichkeit der K in Höhe von €10.000 einzustehen.

3. Bei einem Bürgschaftsvertrag müssen sich Bürge und Gläubiger grundsätzlich über die essentialia negotii einigen.

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Genau, so ist das!

Die essentialia negotii des Bürgschaftsvertrages sind die Bezeichnung der Vertragsparteien, des Hauptschuldners und die Bestimmung der Hauptschuld. Zudem muss der Wille des Bürgen, eine Bürgschaft zu übernehmen erkennbar sein. In dem Bürgschaftsvertrag müssten die Vertragsparteien S und V, die Kaufpreisschuld in Höhe von €10.000, sowie die Schuldnerin K genannt werden. Zusätzlich muss der Wille der S, für die Kaufpreiszahlung in Höhe von €10.000 einzustehen, erkennbar sein.

4. Für die Qualifikation als Bürgschaftsvertrag ist eine vorherige Verpflichtung des Bürgen gegenüber dem Gläubiger oder dem Hauptschuldner zur Übernahme der Bürgschaft notwendig.

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Nein, das trifft nicht zu!

Für die Existenz eines Bürgschaftsvertrages ist es unerheblich, aus welchem Grund der Vertragsschluss erfolgt. Der Bürgschaftsvertrag bedarf keiner vorherigen Verpflichtung des Bürgen gegenüber dem Gläubiger oder dem Hauptschuldner. Der Bürgschaftsvertrag ist damit als ein kausaler Schuldvertrag zu qualifizieren. S möchte die Bürgschaft von sich heraus übernehmen. S hat sich zuvor weder gegenüber V noch K verpflichtet, eine Bürgschaft zu übernehmen. Dies steht dem Abschluss des Bürgschaftsvertrages nicht entgegen.

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Dolusdave

Dolusdave

3.7.2021, 18:20:12

Wäre dann in diesem Fall das zu Grunde liegende Rechtsverhältnis zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen eine GoA?

VIC

Victor

4.7.2021, 14:45:46

Nein. Der Bürge nimmt sehr wohl ein eigenes Geschäft vor. Welcher Vertrag zwischen dem Bürgen und dem Schuldner vorliegt ist von den zugrunde liegenden Umständen abhängig. Dabei kommt ein Schenkungs-, Versicherungs-, Kredit- oder auch Geschäftsbesorgungsvertrag in Betracht.

IT

Itsajourney

17.11.2023, 15:54:23

Soweit ich weiß stellt die Schuldtilgung aus dem Bürgschaftsvertrag ein eigenes Geschäft dar. Der Abschluss des Bürgschaftsvertrags selbst kann aber sehr wohl eine GoA darstellen, sofern zwischen Bürgen und Schuldner kein Auftrag oder eine sonstige Berechtigung des Bürgen zur Übernahme besteht.


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