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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Rentner R überfährt den bemitleidenswerten B. B verliert seinen rechten Arm, eine Behandlung ist nicht erforderlich.

Einordnung des Falls

Grundfall 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Schäden sind nur materielle Vermögenseinbußen.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Schaden ist eine unfreiwillige Einbuße, die jemand infolge eines bestimmten Ereignisses an seinen immateriellen Lebensgütern (wie Gesundheit, Ehre und Freiheit) oder an seinem Vermögen erlitten hat. Kein Schaden liegt vor, wenn eine Position beeinträchtigt worden ist, die dem Betroffenen nicht zustand. Ein Schaden kann also in einer vermögensmäßigen materiellen Einbuße liegen (Vermögensschaden), muss dies aber nicht (Nichtvermögensschaden).

2. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, wird durch die Differenzhypothese ermittelt.

Ja!

Der Schädiger hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB). Darauf aufbauend wird bei Vermögensschäden durch die Differenzhypothese ermittelt, ob jemand eine ersetzbare „Einbuße“ erlitten hat, indem ein Vergleich zwischen zwei Güterlagen vorgenommen wird: (1) Was ist jetzt die konkrete tatsächlichen Lage des Geschädigten mit schädigendem Ereignis und (2) wie wäre jetzt seine hypothetische Lage, wenn das Schadensereignis nicht eingetreten wäre? Ein Schaden liegt vor, wenn sich ein Unterschied zwischen beiden Güterlagen ergibt, der sich zu Lasten des Geschädigten auswirkt.

3. B hat einen Nichtvermögensschaden erlitten.

Genau, so ist das!

Der Vermögens- wird vom Nichtvermögensschaden danach abgegrenzt, ob der jeweilige Schaden in Geld messbar ist und somit eine Gegenüberstellung der Vermögenssituation nach der Differenzhypothese möglich ist. Ist dies nicht der Fall, wird für die Bestimmung des Schadens auf die negative Veränderung der immateriellen Lage abgestellt. Durch den Unfall hat B seinen Arm verloren und Schmerzen erlitten. Wäre er nicht überfahren worden (schädigendes Ereignis), hätte er diese Einbuße nicht erlitten. Dieser Schaden ist nicht in Geld messbar, sodass es sich um einen (immateriellen) Nichtvermögensschaden handelt.

4. B kann von R als Ersatz für den Armverlust im Wege der Naturalrestitution einen neuen Arm verlangen (§ 249 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Der Geschädigte kann vom Schädiger verlangen, dass dieser den Zustand herstellt, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB, Naturalrestitution). Voraussetzung für die Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 und 2 BGB ist jedoch, dass die Wiederherstellung noch möglich ist. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss zu § 251 Abs. 1 BGB, der subsidiär erst bei Unmöglichkeit der Naturalrestitution einschlägig ist (Vorrang der Naturalrestitution). Der verlorene Arm kann nicht wiederhergestellt werden, sodass B diesbezüglich nicht Naturalrestitution nach § 249 BGB verlangen kann.

5. Weil die Naturalrestitution unmöglich ist, kann B nach § 251 Abs. 1 BGB Entschädigung in Geld für den verlorenen Arm verlangen.

Nein!

§ 251 BGB gewährt im Gegensatz zu § 249 BGB nicht die Wiederherstellung bzw. die für die Wiederherstellung notwendigen Kosten, sondern eine “Entschädigung in Geld“ für die eingetretene Vermögensminderung. Eine solche Entschädigung in Geld ist bei Nichtvermögensschaden jedoch nach § 253 Abs. 1 BGB nur in gesondert angeordneten Fällen möglich. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass § 251 BGB nicht auf Nichtvermögensschäden, sondern nur auf Vermögensschäden anwendbar ist.B kann im Rahmen von § 251 BGB daher nur eine materielle Vermögensminderung geltend machen, eine solche ist durch den Armverlust nicht eingetreten. Er kann jedoch gem. § 253 Abs. 2 BGB billige Entschädigung in Geld („Schmerzensgeld“) verlangen.

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Isabell

Isabell

19.2.2021, 18:09:51

Absolut unrealistisch, dass eine Verlust eines Körperteils keinerlei Behandlung erfordert 😅

Der BGBoss

Der BGBoss

17.4.2021, 10:09:55

Störe ich mich ehrlicher Weise auch sehr dran 😅

PattarP

PattarP

17.4.2021, 10:36:24

So wie ich den bemitleidenswerten B kenne, ist er kurz darauf von einem Meteoriten erschlagen worden, weshalb eine Behandlung des Armes nicht erforderlich ist.

IUS

iustus

28.5.2021, 19:26:32

Bei Bahnunfällen ist der Schnitt teils so sauber, dass man eh nicht mehr viel machen braucht. R war als Hobby-Lokführer 😅

taj334

taj334

4.10.2023, 11:49:23

Ein Fall aus dem Elfenbeinturm.

Johannes Nebe

Johannes Nebe

11.7.2024, 15:05:36

Ja, @[taj334](207430), oder aus der Literatur (Alfred Döblin, Berlin Alexanderplatz)

Isabell

Isabell

2.2.2022, 16:58:44

Warum kann man über den Gedanken der Naturalrestition eigentlich nicht einen Anspruch auf eine entsprechende Prothese laufen lassen? Und würde sich das ändern, wenn wir in der Prothetik schon mehr beim Cyborg wären?

VIC

Victor

2.2.2022, 19:43:04

Meiner Meinung nach geht Naturalrestitution wenn der Ursprungszustand wiederhergestellt werden kann. Beim Menschen wäre das dann streng genommen nicht nur ein „funktionierender Arm“ (dafür würde die Prothese ausreichen) sondern ein menschlicher Arm aus Fleisch & Blut. Deshalb würde ich eine Transplantation im Wege der Naturalrestitution als notwendige Heilbehandlung bejahen. Eine Prothese ist da für mich unabhängig von der ethischen Betrachtung ein aliud. Wiederum anders natürlich wenn die Person schon eine Armprothese hätte.

Isabell

Isabell

2.2.2022, 19:49:25

Auf die Transplantation bin ich gedanklich gar nicht gekommen. Aber du hast natürlich recht.


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