Mitgewahrsam | gleichrangig
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T lebt mit seiner Ehefrau O in einer gemeinsamen Wohnung. Ihnen gehört ein von beiden genutztes Fernsehgerät. Da die Trennung kurz bevorsteht, nimmt T in Abwesenheit der O das Fernsehgerät an sich und bringt es zu einem Kumpel in „Sicherheit“.
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Einordnung des Falls
Mitgewahrsam | gleichrangig
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das Fernsehgerät war für T fremd (§ 242 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der objektive Tatbestand des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass eine fremde bewegliche Sache weggenommen wird.
Ja!
3. Der Fernseher stand im Tatzeitpunkt im gleichberechtigten Mitgewahrsam von T und O.
Genau, so ist das!
4. Indem T den Fernseher aus der Wohnung zu seinem Kumpel gebracht hat, hat er „neuen Gewahrsam begründet“.
Ja, in der Tat!
5. T hat den Fernseher ohne den Willen der O weggeschafft und so den Gewahrsam der O „gebrochen“.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Vulpes
3.1.2021, 19:02:48
mMn hat er nur ihren Gewahrsam am Fernseher gebrochen und nicht eigenen neu begründet. Wäre doch auch unlogisch, denn er hatte ja bereits Gewahrsam an der Sache. Oder übersehe ich hier etwas?
Eigentum verpflichtet 🏔️
3.1.2021, 22:13:25
Hallo Adrian, T hatte zuvor
Mitgewahrsamund hat durch den Bruch des Gewahrsams der O nunmehr Alleingewahrsam begründet.
Faby
15.3.2022, 10:53:00
Ab wann genau liegt der Bruch vor? Wenn mit dem Gerät die Türschwelle der Haustür überschritten wird oder an anderer Stelle?
Lukas_Mengestu
16.3.2022, 11:53:13
Hallo Faby, in der Tat dürfte mit Verlassen des Hauses hier mit Verlassen des Hauses der Gewahrsam der O aufgehoben und damit gebrochen sein. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Lorenz
20.7.2024, 18:00:42
mit Verlassen des Herrschaftsbereichs. Also üblicherweise die Türschwelle, Grundstücksgrenze,...
Tinki
22.9.2024, 14:37:37
Hat T hier wirklich eigenen Gewahrsam begründet? Stellt man diesbezüglich auf die kurze Strecke zu dem Kumpel ab? Ansonsten würde man doch eher sagen, dass nicht er selbst, sondern der Kumpel Gewahrsam hat, oder? Was aber ja auch ausreicht? Danke und LG!
SM2206
25.9.2024, 15:40:05
Mit Verlassen der Wohnung hat T den vormals bestehenden gleichberechtigten
Mitgewahrsamam Fernseher gebrochen, d.h. die tatsächliche Sachherrschaft und damit den Gewahrsam (in diesem Fall
Mitgewahrsam) der Ehefrau ohne deren Willen aufgehoben. Zeitgleich hat er durch das Verbringen aus der Wohnung neuen Gewahrsam begründet bzw. genauer den bestehenden
Mitgewahrsamzu Alleingewahrsam verstärkt. Das reicht aus, obwohl es in den gängigen Definitionen nicht so wirklich zum Ausdruck kommt. Damit ist die Wegnahme dann vollzogen. Auf den Freund kommt es also gar nicht an. Wenn man annimmt, was die h.M. nicht machen würde, aber mE zumindest vertretbar ist (wenn auch schwer), dass die Wegnahme erst in der Wohnung des Freundes vollendet ist, könnte man
Mitgewahrsamnunmehr des Freundes neben T annehmen. Das würde aber auch ausreichen, denn Wegnahme erfordert nicht die Begründung ausschließlich tätereigenen Gewahrsams. So oder so müssen
Gewahrsamsbruchund -neubegründung in diesem Fall aber zusammenfallen, also beides mit Verbringen aus der gemeinsamen Wohnung oder Verbringen in die Wohnung des Freundes, weil T hier, sobald er den
Mitgewahrsamder Frau bricht, auch neuen begründet, da er eben auch
Mitgewahrsamam Fernseher hat und dann als alleiniger Gewahrsamsinhaber übrig bleibt.
Leo Lee
28.9.2024, 07:09:10
Hallo Tinki, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Wie SM2206 schon klasse beantwortet hat, geht es hier hauptsächlich darum, dass der Fernseher aus der gemeinsamen
Gewahrsamssphäregebracht und in eine neue
Gewahrsamssphäregebracht wurde. Da es bei dieser Frage jedoch eigentlich nur um den Bruch des alten Gewahrsams ging, reicht es aus festzustellen, dass mit dem Raustragen der Gewahrsam der Frau gebrochen wurde. Denn bei größeren Gegenständen ist eine Entfernung aus der Herrschaftssphäre nötig (im Ggs. zu etwa Kleinstgegenstände, wo ein Ergreifen ausreicht). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Schmitz § 242 Rn. 84 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo