Mitgewahrsam | gleichrangig

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T lebt mit seiner Ehefrau O in einer gemeinsamen Wohnung. Ihnen gehört ein von beiden genutztes Fernsehgerät. Da die Trennung kurz bevorsteht, nimmt T in Abwesenheit der O das Fernsehgerät an sich und bringt es zu einem Kumpel in „Sicherheit“.

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Einordnung des Falls

Mitgewahrsam | gleichrangig

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Fernsehgerät war für T fremd (§ 242 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Eine Sache ist für den Täter fremd, wenn sie weder in dessen Alleineigentum steht noch herrenlos ist. Die Fremdheit der Sache bestimmt sich ausschließlich nach den Regeln des BGB. Da T nicht Alleineigentümer des Geräts war, war es für ihn fremd.
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2. Der objektive Tatbestand des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass eine fremde bewegliche Sache weggenommen wird.

Ja!

Geschütztes Rechtsgut ist das Eigentum. Der Tatbestand erfasst auch wirtschaftlich wertlose Sachen. Tathandlung ist die Wegnahme der Sache. Wegnahme bedeutet den Bruch fremden Gewahrsams und die Begründung neuen, nicht notwendig tätereigenen Gewahrsams. Dies setzt voraus, dass (1) die Sache sich im Gewahrsam eines anderen befindet, (2) neuer Gewahrsam begründet und (3) der fremde Gewahrsam auch gebrochen wird.

3. Der Fernseher stand im Tatzeitpunkt im gleichberechtigten Mitgewahrsam von T und O.

Genau, so ist das!

Gewahrsam ist die vom Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft. Ob und wessen Gewahrsam besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalles und den Anschauungen des Verkehrs oder des täglichen Lebens zu beurteilen. Sind mehrere Personen Träger der tatsächlichen Verfügungsgewalt, ist zwischen über- und untergeordnetem Gewahrsam sowie gleichberechtigtem Mitgewahrsam zu differenzieren. Für eine Wegnahme reicht der Bruch von übergeordnetem Gewahrsam sowie von gleichberechtigtem Mitgewahrsam aus. Gleichberechtigter Mitgewahrsam besteht regelmäßig unter Eheleuten bezüglich der gemeinsam genutzten Sachen in der gemeinsamen Wohnung. Der Fernseher befand sich im Tatzeitpunkt zumindest auch im Gewahrsam der O.

4. Indem T den Fernseher aus der Wohnung zu seinem Kumpel gebracht hat, hat er „neuen Gewahrsam begründet“.

Ja, in der Tat!

Der Gewahrsamserwerber muss die tatsächliche Herrschaft über die Sache erlangen. Auch dies bestimmt sich maßgeblich nach der Verkehrsanschauung. Entscheidend ist, ob der Erwerber die Herrschaft ungehindert durch den früheren Gewahrsamsinhaber ausüben kann und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. T hat das Fernsehgerät aus der Wohnung geschafft, so dass T die Sachherrschaft allein ausüben konnte.

5. T hat den Fernseher ohne den Willen der O weggeschafft und so den Gewahrsam der O „gebrochen“.

Ja!

Der Täter bricht den Gewahrsam, wenn er ihn ohne oder gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers aufhebt. Liegt ein Einverständnis vor, entfällt bereits das Merkmal der Wegnahme (sog. tatbestandsausschließendes Einverständnis). Gleichrangigen Mitgewahrsam kann jeder der Gewahrsamsinhaber gegenüber dem anderen brechen. T hat das Fernsehgerät gegen oder zumindest ohne den Willen der Mitgewahrsamsinhaberin O aus der Wohnung geschafft.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Vulpes

Vulpes

3.1.2021, 19:02:48

mMn hat er nur ihren Gewahrsam am Fernseher gebrochen und nicht eigenen neu begründet. Wäre doch auch unlogisch, denn er hatte ja bereits Gewahrsam an der Sache. Oder übersehe ich hier etwas?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

3.1.2021, 22:13:25

Hallo Adrian, T hatte zuvor Mitgewahrsam und hat durch den Bruch des Gewahrsams der O nunmehr Alleingewahrsam begründet.

FABY

Faby

15.3.2022, 10:53:00

Ab wann genau liegt der Bruch vor? Wenn mit dem Gerät die Türschwelle der Haustür überschritten wird oder an anderer Stelle?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.3.2022, 11:53:13

Hallo Faby, in der Tat dürfte mit Verlassen des Hauses hier mit Verlassen des Hauses der Gewahrsam der O aufgehoben und damit gebrochen sein. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LO

Lorenz

20.7.2024, 18:00:42

mit Verlassen des Herrschaftsbereichs. Also üblicherweise die Türschwelle, Grundstücksgrenze,...

TI

Tinki

22.9.2024, 14:37:37

Hat T hier wirklich eigenen Gewahrsam begründet? Stellt man diesbezüglich auf die kurze Strecke zu dem Kumpel ab? Ansonsten würde man doch eher sagen, dass nicht er selbst, sondern der Kumpel Gewahrsam hat, oder? Was aber ja auch ausreicht? Danke und LG!

SM2206

SM2206

25.9.2024, 15:40:05

Mit Verlassen der Wohnung hat T den vormals bestehenden gleichberechtigten Mitgewahrsam am Fernseher gebrochen, d.h. die tatsächliche Sachherrschaft und damit den Gewahrsam (in diesem Fall Mitgewahrsam) der Ehefrau ohne deren Willen aufgehoben. Zeitgleich hat er durch das Verbringen aus der Wohnung neuen Gewahrsam begründet bzw. genauer den bestehenden Mitgewahrsam zu Alleingewahrsam verstärkt. Das reicht aus, obwohl es in den gängigen Definitionen nicht so wirklich zum Ausdruck kommt. Damit ist die Wegnahme dann vollzogen. Auf den Freund kommt es also gar nicht an. Wenn man annimmt, was die h.M. nicht machen würde, aber mE zumindest vertretbar ist (wenn auch schwer), dass die Wegnahme erst in der Wohnung des Freundes vollendet ist, könnte man Mitgewahrsam nunmehr des Freundes neben T annehmen. Das würde aber auch ausreichen, denn Wegnahme erfordert nicht die Begründung ausschließlich tätereigenen Gewahrsams. So oder so müssen

Gewahrsamsbruch

und -neubegründung in diesem Fall aber zusammenfallen, also beides mit Verbringen aus der gemeinsamen Wohnung oder Verbringen in die Wohnung des Freundes, weil T hier, sobald er den Mitgewahrsam der Frau bricht, auch neuen begründet, da er eben auch Mitgewahrsam am Fernseher hat und dann als alleiniger Gewahrsamsinhaber übrig bleibt.

LELEE

Leo Lee

28.9.2024, 07:09:10

Hallo Tinki, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Wie SM2206 schon klasse beantwortet hat, geht es hier hauptsächlich darum, dass der Fernseher aus der gemeinsamen

Gewahrsamssphäre

gebracht und in eine neue

Gewahrsamssphäre

gebracht wurde. Da es bei dieser Frage jedoch eigentlich nur um den Bruch des alten Gewahrsams ging, reicht es aus festzustellen, dass mit dem Raustragen der Gewahrsam der Frau gebrochen wurde. Denn bei größeren Gegenständen ist eine Entfernung aus der Herrschaftssphäre nötig (im Ggs. zu etwa Kleinstgegenstände, wo ein Ergreifen ausreicht). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Schmitz § 242 Rn. 84 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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