Verkürzte mietvertragliche Verjährungsfrist im Falle von Ansprüchen gegen einbezogene Dritte (§ 548 BGB)


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Die 12-jährige Tochter T der Mieterin M verursacht beim Spielen mit Streichhölzern fahrlässig einen Brandschaden in der Mietwohnung. Acht Monate nach Ablauf des Mietvertrages und Rückgabe der Mietwohnung an V verlangt dieser von T Ersatz für den Brandschaden.

Einordnung des Falls

Verkürzte mietvertragliche Verjährungsfrist im Falle von Ansprüchen gegen einbezogene Dritte (§ 548 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T ist in den Schutzbereich des Mietvertrags zwischen M und V einbezogen.

Ja, in der Tat!

Die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich eines Vertrages verlangt (1) Leistungsnähe, (2) ein Einbeziehungsinteresse und (3) deren Erkennbarkeit für den anderen Vertragsteil. Die T ist Sorgfaltspflichtsverletzungen im Rahmen des Mietverages ebenso ausgesetzt wie M (Leistungsnähe), M ist für das körperliche Wohl ihrer Tochter verantwortlich (Einbeziehungsinteresse); dies ist für V auch erkennbar.

2. Weil T in den Schutzbereich einbezogen ist, hat V gegen T einen vertraglichen Schadensersatzanspruch (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB).

Nein!

Der Vertrag mit Schutzwirkung wirkt nur zugunsten, niemals zulasten Dritter. Aus der Einbeziehung kann daher nur T gegen V Rechte ableiten, V kann aber ohne ihr Einverständnis daraus nicht Rechte gegen T ableiten.

3. V hat einen deliktischen Schadensersatzanspruch gegen T (§ 823 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

§ 823 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) einen Verletzungserfolg (2) durch ein zurechenbares Verhalten des Schädigers, der dabei (3) rechtswidrig und (4) schuldhaft gehandelt haben muss. Zudem muss ein Schaden entstanden sein. Das Eigentum des V – die Wohnung bzw. das Gebäude – wurde fahrlässig und zurechenbar durch das Verhalten der T verletzt, wodurch V ein Schaden entstanden ist.

4. Weil T nicht Partei des Mietvertrages ist, kann sie sich nicht auf die kurze Verjährung gem. § 548 Abs. 1 BGB berufen.

Nein, das trifft nicht zu!

BGH: Nach ständiger Rechtsprechung erfasse § 548 BGB auch Ansprüche des Vermieters wegen Veränderungen und Verschlechterungen der vermieteten Sache, die nicht auf Mietvertrag, sondern auf unerlaubte Handlung gestützt sind (RdNr. 19). Zudem gelte die kurze mietvertragliche Verjährung gelte auch dann, wenn es um von § 548 BGB erfasste Ansprüche des Vermieters gegen einen Dritten gehe, der - ohne Vertragspartei zu sein - in den Schutzbereich des Mietvertrages einbezogen ist (RdNr. 17).Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass nach dem Inhalt des Vertrages der Mietgebrauch durch den Dritten bestimmungsgemäß ausgeübt wird und es daher unbillig wäre, dem Dritten den vertraglichen Schutz nicht zu gewähren. Weil § 548 Abs. 1 BGB auch iRd § 823 Abs. 1 BGB gilt und T in den Mietvertrag einbezogen ist, kann sie sich auf die kurze Verjährung berufen.

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Mangopüree

Mangopüree

2.9.2022, 14:41:45

Könnte es hier nicht bereits an der Verantwortlichkeit des Minderjährigen gem. §828 III BGB fehlen, wodurch man gar nicht erst zur Frage der Verjährung kommen würde? Im Sachverhalt ist zumindest nicht ersichtlich, dass sie Einsichtsfähig ist. Vielmehr erscheint das Gegenteil der Fall, wenn sie Streichhölzer und Feuer als Spielzeug benutzt.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

5.9.2022, 17:08:26

Hallo Mangopüree, eine interessante Überlegung. Wäre das der Fall würde natürlich schon die Frage der Verjährung höchstens hilfsgutachterlich zu prüfen sein. Allerdings würde ich die Einsichtsfähigkeit durchaus bejahen. Laut BGH kommt es allein auf die Einsicht an, dass die Handlung gefährlich sein kann. Von einer durschnittlichen 12-Jährigen, von der wir hier mangels anderweitiger Aufgaben ausgehen, kann angenommen, dass sie um die Gefährlichkeit von Feuer weiß. Dazu aus MüKo-BGB: "Nach stRspr setzt die Einsichtsfähigkeit einen Stand der geistigen Entwicklung voraus, der es dem Jugendlichen ermöglicht, das Unrecht seiner Handlung und damit die Verpflichtung zu erkennen, für die Folgen seines Tuns einstehen zu müssen. zur Es genügt die Fähigkeit zur Erkenntnis der Gefahr einer Interessenverletzung: Sofern der jugendliche Täter versteht, dass seine Handlung generell gefährlich ist, wird er auch wissen, dass er für ihre Konsequenzen zur Verantwortung gezogen werden kann, so dass es auf die Voraussicht der konkret eingetretenen Schadensfolgen nicht ankommt.". (MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 828 Rn. 11). Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

ER

Eric

16.11.2022, 17:28:17

Zudem ist das Kind in dem Alter wohl nicht allzu solvent. Es (Obsiegen unterstellt) zu verklagen und mit meinem Titel dann auf das erste Einkommen zu warten (§ 197 I Nr. 3 BGB), fänd ich als Geschädigter auch nur mäßig attraktiv. Daher habe ich noch kurz den § 832 BGB gg die Mutter angeprüft, welcher iE aber wegen der Wertung des § 548 BGB ebenfalls scheitert.


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