Teil 1: außerordentliche Kündigung

5. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V vermietet M ab 1.5.2021 eine Wohnung am Bodensee. Da M diese nur am Wochenende braucht, beschließt er - ohne V zu informieren - sie unter der Woche unterzuvermieten. Als V davon erfährt, fordert er M unter Androhung der fristlosen Kündigung auf, dies zu unterlassen. M setzt die Vermietung dennoch fort. Daraufhin kündigt V unter Verweis auf die Untervermietung außerordentlich mit Schreiben vom 31.07.2021. V verlangt von M Herausgabe der Wohnung.

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Einordnung des Falls

Teil 1: außerordentliche Kündigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat einen Anspruch gegen M auf Herausgabe der Wohnung, wenn das Mietverhältnis durch den Ausspruch der fristlosen Kündigung beendet worden ist (§ 546 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben (§ 546 Abs. 1 BGB). Das Mietverhältnis endet entweder nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit (befristetes Mietverhältnis) oder durch Kündigung der Mietvertragsparteien. Bei der außerordentlichen (fristlosen) Kündigung endet das Mietverhältnis sofort ohne Abwarten einer Kündigungsfrist. Die außerordentliche Kündigung setzt (1) eine wirksame Kündigungserklärung und (2) einen Kündigungsgrund voraus.
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2. Hat V die Kündigung formgerecht erklärt (§ 568 Abs. 1 BGB)?

Ja, in der Tat!

Die Kündigung eines Wohnraummietvertrages muss schriftlich i.S.d. § 126 BGB erfolgen (§ 568 Abs. 1 BGB). Zudem bedarf die außerordentliche Kündigung der Angabe des wichtigen Grundes (§ 569 Abs. 4 BGB).V hat die Kündigungserklärung selbst unterzeichnet und darin auch die unberechtigte Untervermietung als Kündigungsgrund angegeben.

3. Die Untervermietung stellt eine unbefugte Überlassung an Dritte dar (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).

Ja!

Die Gebrauchsüberlassung erfolgt unbefugt, wenn der Mieter dazu nach dem Mietvertrag nicht berechtigt ist oder wenn er die vertraglich notwendige Einwilligung des Vermieters nicht eingeholt hat. Dritter ist zunächst jede Person, die nicht Partei des Mietvertrags ist.M hatte keine Erlaubnis zur Untervermietung und diese trotzdem an Dritte überlassen.Mit Blick auf Art. 6 GG zählt die Familie des Mieters nicht als „Dritter“.

4. Die unbefugte Überlassung an Dritte berechtigt stets zur außerordentlichen Kündigung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Jede Partei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen (§ 543 Abs. 1 S. 1 BGB). Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zugemutet werden kann an dem Mietverhältnis weiter festzuhalten. Der Gesetzgeber hat in § 543 Abs. 2 BGB einige Regelbeispiele aufgeführt. Die unbefugte Überlassung an Dritte berechtigt nur dann zur außerordentlichen Kündigung, wenn dadurch die Rechte des Vermieters erheblich verletzt werden (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB). Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn zugunsten des Mieters ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zur Untervermietung besteht.

5. M hatte einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass V der Untervermietung zustimmt (§ 553 Abs. S. 1 BGB), weshalb V trotz unbefugter Untervermietung nicht zur außerordentlichen Kündigung berechtigt war (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Anspruch auf Zustimmung zur Untervermietung besteht, wenn der Mieter (1) nur einen Teil des Wohnraums einem Dritten überlassen will und er hieran (2) ein berechtigtes Interesse hat.M hat nicht nur einen Teil des Wohnraums, sondern die ganze Wohnung untervermietet. Für die Zustimmung zur kompletten Untervermietung besteht - ungeachtet eines berechtigten Interesses - kein gesetzlicher Anspruch (vgl. § 553 Abs. 1 S. 1 BGB). Auch mietvertraglich hatte sich V nicht zur Zustimmung verpflichtet. Vor diesem Hintergrund stellt die Untervermietung eine erhebliche Verletzung von Vs Interessen dar.

6. V hat M vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt. Liegt somit ein wirksamer Kündigungsgrund vor (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 BGB)?

Ja!

Besteht der wichtige Grund, der zur Kündigung berechtigen soll, in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung nach § 543 Abs. 3 S. 1 BGB grundsätzlich nur nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Abhilfefrist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig.Nachdem V von der Untervermietung erfahren hat, hat er M aufgefordert, diese einzustellen und ihn auch auf die Konsequenzen eines erneuten Verstoßes hingewiesen.Die Vorschrift dient dazu, (1) den Kündigungsgegner zu warnen, dass sein vertragswidriges Verhalten nicht mehr hingenommen wird, und (2) ihm Gelegenheit zu geben, sein Verhalten zu ändern.

7. V hat einen Anspruch auf Rückgabe der Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB.

Genau, so ist das!

Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben (§ 546 Abs. 1 BGB)V hat das Mietverhältnis durch den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung wirksam beendet. Ihm steht deshalb aus § 546 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückgabe der Wohnung zu.

8. V steht auch ein Anspruch auf Herausgabe der Wohnung aus § 985 BGB zu.

Ja, in der Tat!

Der Vindikationsanspruch aus § 985 BGB setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchsgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz (§ 986 BGB) ist.V ist Eigentümer der Wohnung. M hat diese in Besitz. Da das Mietverhältnis beendet ist, steht M auch kein Besitzrecht mehr zu.Hier kannst Du Dich in der Klausur sehr knapp halten!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LEFT

leftgod

27.12.2023, 15:19:22

Der Sachverhalt oder die Lösungsfragen wären nach dem Urteil d. BGH v. 13.09.23 (VIII ZR 109/22) nun wohl anzupassen. So liegt die Überlassung eines „Teils“ der Wohnung iSd § 553 I S. 1 BGB auch vor, wenn die ganze Wohnung untervermietet wird, der Mieter aber seine persönlichen Gegenstände in der Wohnung belässt. So liegt der Fall hier, nachdem nur wochentags die Wohnung untervermietet wird. Die erforderliche vollst. Gewahrsamsaufgabe liegt dagegen nicht vor.

CR7

CR7

19.8.2024, 19:50:16

BGH 13.09.2023 VIII ZR 109/22 **Sachverhalt:** Der Kläger ist Mieter einer Einzimmerwohnung in Berlin seit dem Jahr 2000. Aufgrund eines beruflichen Auslandsaufenthalts bat er seine Vermieter um Erlaubnis zur Untervermietung eines Teils der Wohnung an eine namentlich benannte Person für den Zeitraum vom 15. Juni 2021 bis zum 30. November 2022. Diese Erlaubnis wurde verweigert. Trotz dieser Ablehnung untervermietete der Kläger die Wohnung und lagerte einige seiner persönlichen Gegenstände weiterhin in einem abgeschlossenen Bereich der Wohnung, behielt den Schlüssel und reiste ins Ausland. Das Landgericht Berlin gab der Klage des Mieters auf Erlaubnis der Untervermietung statt. Die Vermieter reichten Revision ein. **Zentrale Rechtsfrage:** Hat der Mieter einer Einzimmerwohnung gemäß § 553 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Erlaubnis zur Untervermietung, auch wenn er nicht physisch in der Wohnung anwesend ist, sondern nur einen kleinen Bereich zur Lagerung von Gegenständen behält? **Prüfung möglicher Anspruchsgrundlagen:** 1. **§ 553 Abs. 1 BGB (Gebrauchsüberlassung an Dritte)**: - Die Vorschrift erlaubt einem Mieter, unter bestimmten Umständen einen Teil der Wohnung an Dritte zu überlassen, wenn nach Vertragsabschluss ein berechtigtes Interesse des Mieters entsteht. - Im vorliegenden Fall hat der Mieter ein berechtigtes Interesse geltend gemacht, da er sich aus beruflichen Gründen für einen längeren Zeitraum im Ausland aufhielt und die Mietkosten reduzieren wollte. Dieses Interesse ist anerkannt, insbesondere weil der Mieter in der Wohnung persönliche Gegenstände behielt und einen Wohnungsschlüssel hatte. - Es bestehen keine quantitativen Anforderungen, wie viel Wohnraum dem Mieter verbleiben muss. Es reicht, dass der Mieter den vollständigen Gewahrsam an der Wohnung nicht aufgibt, was hier durch die Lagerung von Gegenständen und die Beibehaltung des Schlüssels erfüllt ist. 2. **Kündigungsrecht nach § 242 BGB (Treu und Glauben)**: - Die Vermieter kündigten das Mietverhältnis aufgrund der ohne Erlaubnis erfolgten Untervermietung. Nach § 242 BGB darf die Kündigung jedoch nicht auf das Fehlen einer Erlaubnis gestützt werden, wenn die Vermieter zur Erteilung dieser verpflichtet waren. - Da die Erlaubnis zur Untervermietung zu Unrecht verweigert wurde, war die Kündigung rechtsmissbräuchlich. **Alternative Ansätze und dogmatische Vertiefung:** - **Abgrenzung zur vollständigen Gebrauchsüberlassung:** Bei einer vollständigen Überlassung wäre der Anspruch auf Erlaubnis zur Untervermietung ausgeschlossen. Doch hier hat der Mieter weiterhin einen Teil des Wohnraums genutzt, indem er Gegenstände lagerte und den Schlüssel behielt. Dies unterscheidet den Fall von einer vollständigen Wohnraumüberlassung. - **Unterschiede zwischen Mehr- und Einzimmerwohnungen:** Das Gesetz macht keine Unterschiede zwischen Mehrzimmer- und Einzimmerwohnungen in Bezug auf die Zulässigkeit der Gebrauchsüberlassung. Auch bei Einzimmerwohnungen kann die teilweise Gebrauchsüberlassung gegeben sein, wenn der Mieter nicht den gesamten Gewahrsam an der Wohnung aufgibt. **Lösung des Rechtsproblems durch das Gericht:** Der BGH entschied, dass der Kläger einen Anspruch auf die Erlaubnis zur teilweisen Gebrauchsüberlassung gemäß § 553 Abs. 1 BGB hat. Es wurde festgestellt, dass der Kläger durch die Lagerung persönlicher Gegenstände und den Besitz des Schlüssels den Gewahrsam an der Wohnung nicht vollständig aufgegeben hatte. Zudem war die

außerordentliche Kündigung

der Vermieter rechtsmissbräuchlich, da die Erlaubnis zur Untervermietung hätte erteilt werden müssen. **Das solltest du aus diesem Fall mitnehmen:** - **§ 553 Abs. 1 BGB**: Der Anspruch auf Erlaubnis zur Untervermietung besteht auch bei Einzimmerwohnungen, wenn der Mieter weiterhin Teile der Wohnung nutzt (z.B. zur Lagerung von Gegenständen). - **Gewahrsam**: Die Voraussetzung der „teilweisen Gebrauchsüberlassung“ ist erfüllt, wenn der Mieter nicht den vollständigen Gewahrsam aufgibt (z.B. durch Beibehaltung eines Schlüssels oder Lagerung von Gegenständen). - **Rechtsmissbräuchliche Kündigung**: Eine Kündigung wegen unerlaubter Untervermietung ist unzulässig, wenn der Vermieter zur Erteilung der Erlaubnis verpflichtet war. - **Mieterschutz**: Auch bei Einzimmerwohnungen besteht ein starker Schutz des Mieters, sich den Wohnraum durch teilweise Untervermietung zu erhalten. created by UrteilGPT

BAY

bayilm

20.8.2024, 13:16:47

@[CR7](145419) wie genial ist denn UrteilGPT bitte? :D Wieder ein von dir erstellte GPT Anwendung zum Lernen?

CR7

CR7

20.8.2024, 14:05:42

@[bayilm](190202) yes, hab ein ganzes Arsenal an GPTs für unterschiedlichste Anwendungen :D Wichtig ist immer nur, dass man das kurz prüft, ob das alles richtig ist. Hatte aber bislang nie Fehler entdeckt, da man ja immer den Kontext zur Verfügung stellt. Kannst du hier kostenlos nutzen für Zivilrecht: https://chatgpt.com/g/g-DLnYCwzuB-urteilgpt-zivilrecht , bitte nur öffentlich-zugängliche Urteile hochladen. Have fun :)

BAY

bayilm

20.8.2024, 14:17:53

Vielen Dank, das ist echt der Hammer 😍

VALA

Vanilla Latte

4.6.2024, 02:16:04

Die Lösung ist leider falsch. Nach neueren Entscheidungen des BGH reicht sogar ein Schrank mit persönlichem Hab und Gut für eine Wohnraumüberlassung und berechtigtes Interesse.

CR7

CR7

19.8.2024, 19:45:20

Hi Vanilla Latte, interessant, wusste ich nicht. Hast du dazu eine Fundstelle? Grüße

CR7

CR7

19.8.2024, 19:51:19

Danke, habe es in einem Parallelthread gesehen

Nils

Nils

30.9.2024, 02:36:36

Das in den obigen Threads schon angesprochene aktuelle Urteil des BGH vom 13.09.2023 (VIII ZR 109/22) mit der Konstellation der Untervermietung einer ganzen Wohnung bei Verbleiben nur eines Schrankes mit persönlicher Habe des Hauptmieters war u.a. Teil meiner ZR-III Klausur im Examensdurchgang Juli 2024 in Hamburg. Schon aus diesem Grund sollte die Aufgabe aktualisiert werden.

KI

kithorx

20.10.2024, 18:36:47

Meines Erachtens sollte die Aufgabe überarbeitet und mit Details zum Sachverhalt ergänzt werden, z. B. um eine Klarstellung, dass die ganze Wohnung vermietet wird. Belässt der originäre Mieter Sachen darin? Behält er einen Schlüssel? Diese Fragen können die Prüfungsergebnisse maßgeblich bestimmen.


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