Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Klassiker im Zivilrecht
Teil 1: außerordentliche Kündigung
Teil 1: außerordentliche Kündigung
6. April 2025
19 Kommentare
4,7 ★ (24.478 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

V vermietet M ab 1.5.2021 seine Wohnung am Bodensee. Im Verlauf des Mietverhältnisses entschließt sich M zu einem langfristigen beruflichen Auslandsaufenthalt. Er möchte sich die Rückkehr in die Wohnung offen halten und beschließt, sie ohne Rücksprache mit V unterzuvermieten. Als V davon erfährt, fordert er M unter Androhung der fristlosen Kündigung auf, dies zu unterlassen. M setzt die Vermietung dennoch fort. Daraufhin kündigt V unter Verweis auf die Untervermietung außerordentlich schriftlich am 31.07.2021. V verlangt von M Herausgabe der Wohnung.
Diesen Fall lösen 88,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Teil 1: außerordentliche Kündigung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat einen Anspruch gegen M auf Herausgabe der Wohnung, wenn das Mietverhältnis durch den Ausspruch der fristlosen Kündigung beendet worden ist (§ 546 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Hat V die Kündigung formgerecht erklärt (§ 568 Abs. 1 BGB)?
Ja, in der Tat!
3. Die Untervermietung stellt eine unbefugte Überlassung an Dritte dar (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).
Ja!
4. Die unbefugte Überlassung an Dritte berechtigt stets zur außerordentlichen Kündigung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
5. M hatte zweifelsfrei einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass V der Untervermietung zustimmt (§ 553 Abs. 1 S. 1 BGB), weshalb V trotz unbefugter Untervermietung nicht zur außerordentlichen Kündigung berechtigt war (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
6. V hat M vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt. Liegt somit ein wirksamer Kündigungsgrund vor (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 BGB)?
Ja!
7. V hat einen Anspruch auf Rückgabe der Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB.
Genau, so ist das!
8. V steht auch ein Anspruch auf Herausgabe der Wohnung aus § 985 BGB zu.
Ja, in der Tat!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
leftgod
27.12.2023, 15:19:22
Der Sachverhalt oder die Lösungsfragen wären nach dem Urteil d. BGH v. 13.09.23 (VIII ZR 109/22) nun wohl anzupassen. So liegt die Überlassung eines „Teils“ der Wohnung iSd § 553 I S. 1 BGB auch vor, wenn die ganze Wohnung untervermietet wird, der Mieter aber seine persönlichen Gegenstände in der Wohnung belässt. So liegt der Fall hier, nachdem nur wochentags die Wohnung untervermietet wird. Die erforderliche vollst. Gewahrsamsaufgabe liegt dagegen nicht vor.

CR7
19.8.2024, 19:50:16
BGH 13.09.2023 VIII ZR 109/22 **Sachverhalt:** Der Kläger ist Mieter einer Einzimmerwohnung in Berlin seit dem Jahr 2000. Aufgrund eines beruflichen Auslandsaufenthalts bat er seine Vermieter um Erlaubnis zur Untervermietung eines Teils der Wohnung an eine namentlich benannte Person für den Zeitraum vom 15. Juni 2021 bis zum 30. November 2022. Diese Erlaubnis wurde verweigert. Trotz dieser Ablehnung untervermietete der Kläger die Wohnung und lagerte einige seiner persönlichen Gegenstände weiterhin in einem abgeschlossenen Bereich der Wohnung, behielt den Schlüssel und reiste ins Ausland. Das Landgericht Berlin gab der Klage des Mieters auf Erlaubnis der Untervermietung statt. Die Vermieter reichten Revision ein. **Zentrale Rechtsfrage:** Hat der Mieter einer Einzimmerwohnung gemäß § 553 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Erlaubnis zur Untervermietung, auch wenn er nicht physisch in der Wohnung anwesend ist, sondern nur einen kleinen Bereich zur Lagerung von Gegenständen behält? **Prüfung möglicher Anspruchsgrundlagen:** 1. **§ 553 Abs. 1 BGB (Gebrauchsüberlassung an Dritte)**: - Die Vorschrift erlaubt einem Mieter, unter bestimmten Umständen einen Teil der Wohnung an Dritte zu überlassen, wenn nach Vertragsabschluss ein berechtigtes Interesse des Mieters entsteht. - Im vorliegenden Fall hat der Mieter ein berechtigtes Interesse geltend gemacht, da er sich aus beruflichen Gründen für einen längeren Zeitraum im Ausland aufhielt und die Mietkosten reduzieren wollte. Dieses Interesse ist anerkannt, insbesondere weil der Mieter in der Wohnung persönliche Gegenstände behielt und einen Wohnungsschlüssel hatte. - Es bestehen keine quantitativen Anforderungen, wie viel Wohnraum dem Mieter verbleiben muss. Es reicht, dass der Mieter den vollständigen Gewahrsam an der Wohnung nicht aufgibt, was hier durch die Lagerung von Gegenständen und die Beibehaltung des Schlüssels erfüllt ist. 2. **Kündigungsrecht nach § 242 BGB (Treu und Glauben)**: - Die Vermieter kündigten das Mietverhältnis aufgrund der ohne Erlaubnis erfolgten Untervermietung. Nach § 242 BGB darf die Kündigung jedoch nicht auf das Fehlen einer Erlaubnis gestützt werden, wenn die Vermieter zur Erteilung dieser verpflichtet waren. - Da die Erlaubnis zur Untervermietung zu Unrecht verweigert wurde, war die Kündigung rechtsmissbräuchlich. **Alternative Ansätze und dogmatische Vertiefung:** - **Abgrenzung zur vollständigen Gebrauchsüberlassung:** Bei einer vollständigen Überlassung wäre der Anspruch auf Erlaubnis zur Untervermietung ausgeschlossen. Doch hier hat der Mieter weiterhin einen Teil des Wohnraums genutzt, indem er Gegenstände lagerte und den Schlüssel behielt. Dies unterscheidet den Fall von einer vollständigen Wohnraumüberlassung. - **Unterschiede zwischen Mehr- und Einzimmerwohnungen:** Das Gesetz macht keine Unterschiede zwischen Mehrzimmer- und Einzimmerwohnungen in Bezug auf die Zulässigkeit der Gebrauchsüberlassung. Auch bei Einzimmerwohnungen kann die teilweise Gebrauchsüberlassung gegeben sein, wenn der Mieter nicht den gesamten Gewahrsam an der Wohnung aufgibt. **Lösung des Rechtsproblems durch das Gericht:** Der BGH entschied, dass der Kläger einen Anspruch auf die Erlaubnis zur teilweisen Gebrauchsüberlassung gemäß § 553 Abs. 1 BGB hat. Es wurde festgestellt, dass der Kläger durch die Lagerung persönlicher Gegenstände und den B
esitz des Schlüssels den Gewahrsam an der Wohnung nicht vollständig aufgegeben hatte. Zudem war die außerordentliche Kündigung der Vermieter rechtsmissbräuchlich, da die Erlaubnis zur Untervermietung hätte erteilt werden müssen. **Das solltest du aus diesem Fall mitnehmen:** - **§ 553 Abs. 1 BGB**: Der Anspruch auf Erlaubnis zur Untervermietung besteht auch bei Einzimmerwohnungen, wenn der Mieter weiterhin Teile der Wohnung nutzt (z.B. zur Lagerung von Gegenständen). - **Gewahrsam**: Die Voraussetzung der „teilweisen Gebrauchsüberlassung“ ist erfüllt, wenn der Mieter nicht den vollständigen Gewahrsam aufgibt (z.B. durch Beibehaltung eines Schlüssels oder Lagerung von Gegenständen). - **Rechtsmissbräuchliche Kündigung**: Eine Kündigung wegen unerlaubter Untervermietung ist unzulässig, wenn der Vermieter zur Erteilung der Erlaubnis verpflichtet war. - **Mieterschutz**: Auch bei Einzimmerwohnungen besteht ein starker Schutz des Mieters, sich den Wohnraum durch teilweise Untervermietung zu erhalten. created by UrteilGPT
bayilm
20.8.2024, 13:16:47
@[CR7](145419) wie genial ist denn UrteilGPT bitte? :D Wieder ein von dir erstellte GPT Anwendung zum Lernen?

CR7
20.8.2024, 14:05:42
@[bayilm](190202) yes, hab ein ganzes Arsenal an GPTs für unterschiedlichste Anwendungen :D Wichtig ist immer nur, dass man das kurz prüft, ob das alles richtig ist. Hatte aber bislang nie Fehler entdeckt, da man ja immer den Kontext zur Verfügung stellt. Kannst du hier kostenlos nutzen für Zivilrecht: https://chatgpt.com/g/g-DLnYCwzuB-urteilgpt-zivilrecht , bitte nur öffentlich-zugängliche Urteile hochladen. Have fun :)
bayilm
20.8.2024, 14:17:53
Vielen Dank, das ist echt der Hammer 😍

Sebastian Schmitt
10.2.2025, 10:47:03
Hallo @[leftgod](163759), vielen Dank für den Hinweis. Wir haben die Aufgabe jetzt inhaltlich angepasst und weisen in einem Vertiefungshinweis (zu Frage 5) explizit auf die von Dir genannte Entscheidung des BGH hin, damit das Ganze hoffentlich deutlicher und weniger missverständlich wird. Danke auch an @[CR7](145419), den Link habe ich mir selber gerade mal als Lesezeichen gesetzt! Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

kithorx
20.10.2024, 18:36:47
Meines Erachtens sollte die Aufgabe überarbeitet und mit Details zum Sachverhalt ergänzt werden, z. B. um eine Klarstellung, dass die ganze Wohnung vermietet wird. Belässt der originäre Mieter Sachen darin? Behält er einen Schlüssel? Diese Fragen können die Prüfungsergebnisse maßgeblich bestimmen.

Sebastian Schmitt
10.2.2025, 10:43:27
Hallo @[kithorx](196930), vielen Dank für den Hinweis. Wir haben die Aufgabe jetzt überarbeitet und weisen insbesondere auf eine neuere Entscheidung des BGH zur Untervermietung von Einzimmerwohnungen hin, bei dem einige der von Dir genannten Punkte eine Rolle gespielt haben (Vertiefungshinweis zu Frage 4). Dabei möchten wir es aber für den Moment belassen, um unserem Konzept der eher kurzen und knackigen Fälle treu zu bleiben, anhand derer wir konkrete, einzelne Rechtsprobleme erörtern können, ohne den Fall zu überfrachten. Inhaltlich hast Du aber natürlich völlig Recht, in einer realen Prüfungsaufgabe würdet Ihr daher (hoffentlich!) mehr Anhaltspunkte finden, anhand derer Ihr argumentieren könnt. Wir behalten Euer Feedback hierzu aber im Auge. Falls von vielen von Euch hier ein detaillierteres Beispiel gewünscht wird, schauen wir gerne, ob/wie sich das am besten umsetzen ließe. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team